E-Rezept, ePA und Forschungsdatengesetz

Der Minister ruft zur Aufholjagd

Seit dem 1. Juli können Versicherte ärztliche Verordnungen in der Apotheke mit ihrer Gesundheitskarte digital einlösen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zeigte jetzt den Ablauf rund um das E-Rezept in einer Berliner Apotheke – er ist überzeugt, dass die Digitalisierung des Gesundheitssystems vor einem Durchbruch steht.

Für den Bundesgesundheitsminister war es ein wichtiger Ortstermin. Zunächst begleitete er einen älteren Patienten in eine kardiologische Gemeinschaftspraxis im Berliner Stadtteil Charlottenburg und war bei dem Gespräch mit dem behandelnden Arzt und Mitinhaber Dr. Benny Levenson dabei. Danach ging es in eine nahe gelegene Apotheke, wo der Mann das E-Rezept einlöste.

Für den Arbeitsablauf in den Praxen ist das E-Rezept aus Lauterbachs Sicht eine große Erleichterung. Vor allen Dingen vereinfache es die Abläufe und spare Zeit, sagte er im Anschluss an den Apothekenbesuch. Er sieht auch Vorteile für die Versicherten. Fehler in der Medikation – zum Beispiel falsche Medikamente oder solche, die sich nicht miteinander vertragen – würden mit dem E-Rezept viel unwahrscheinlicher.

Lauterbach bezeichnete das E-Rezept als einen Neustart für die Digitalisierungsbemühungen im Gesundheitswesen: „Ich glaube, dass wir hier wirklich vor einem Durchbruch stehen, den wir in den nächsten zwei Jahren erleben werden.“ Aktuell sei das deutsche Gesundheitssystem ein „Entwicklungsland“ in Sachen Digitalisierung, fügte er hinzu: „Wir brauchen daher eine Aufholjagd. Diese Aufholjagd beginnt mit dem Elektronischen Rezept, geht weiter mit der Elektronischen Patienten- akte und mit der besseren Nutzung von Forschungsdaten.“

Laut dem Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG), das seit Oktober 2020 in Kraft ist, soll es für Praxen ab dem 1. Januar 2024 verpflichtend sein, für verschreibungspflichtige Arzneimittel E-Rezepte auszustellen. Die Apotheken sind schon seit September 2022 in der Lage, E-Rezepte anzunehmen und mit den Krankenkassen abzurechnen.

Patienten können das E-Rezept auf zwei Arten einlösen: über eine spezielle Smartphone-App, die die Verordnung an die gewünschte Apotheke übermittelt, und seit dem 1. Juli, mit der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Diese wird dazu in der Apotheke in das Kartenterminal gesteckt. Voraussetzung sind eine NFC-fähige eGK und die Versicherten-PIN.

Bei Problemen sollen IT-Hersteller einbestellt werden

Auf die Kritik der Ärzteschaft angesprochen, die Technologie für das E-Rezept sei aktuell zu kompliziert und Sanktionen ab dem 1. Januar seien der falsche Weg, entgegnete Lauterbach: „Was wir hier machen – Elektronische Patientenakte, Elektronisches Rezept, Forschungsdaten – das wollen wir schon seit 20 Jahren. Ich habe daher kein Verständnis dafür, dass ich aus der Ärzteschaft immer wieder höre, es ist noch zu früh.“ Er verstehe die Wünsche der Ärzte, dass alles von Anfang an 100-prozentig funktionieren soll, aber das klappe bei keiner Software – auch außerhalb des Gesundheitssystems nicht. Sanktionen werden laut dem Minister jedoch nur dann eine Rolle spielen, wenn sie auch vertretbar sind. „Sollte die Technik nicht funktionieren, kann dafür der Arzt nicht bestraft werden – das ist auch nicht vorgesehen“, sagte Lauterbach.

Minister plädiert für Vielfalt

Mehr Vereinheitlichung bei den IT-Systemen plant er nach eigener Aussage nicht: „Vielfalt in diesem Bereich hat in der Vergangenheit immer gut funktioniert, aber diese Vielfalt muss verlässlich und robust sein. Das heißt: Sollte es hier mit einzelnen IT-Herstellern Probleme geben, dann werden wir sie einbestellen.“

Zum E-Rezept

Seit 1. Juli 2023 können Patientinnen und Patienten in Deutschland ein E-Rezept mit ihrer elektronischen Gesundheitskarte einlösen. Bisher wurde davon laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rund 2,4 Millionen Mal Gebrauch gemacht. Pflicht wird das Ausstellen digitaler Rezepte ab 1. Januar 2024.

Zur Übertragung analoger Bestandsdaten in die Elektronische Patientenakte (ePA) sagte er: „Es ist nicht vorgesehen, dass alle analogen Daten in die ePA übertragen werden. Hier geht es nicht um alte, belanglose medizinische Daten, sondern mit Augenmaß nur wichtige Behandlungsbefunde, die jetzt auch noch relevant sind.“ Die ePA werde gebraucht, „damit jeder Arzt an jedem Platz sehen kann, welche Untersuchungen bei einem Patienten schon gemacht wurden, wie sich seine Laborwerte entwickelt haben und auf welche Medikamente er gut reagiert hat. Dadurch gewinnen wir Qualität und Zeit.“ Wie viele Daten letztendlich übertragen werden müssen, ist indes gerade für die Krankenkassen wichtig, da ihnen nach Inkrafttreten des Gesetzes genau zwölf Monate bleiben, um die ePA für die Versicherten zu programmieren.

Das sagen BZÄK und KZBV zu den Digitalisierungsplänen der Regierung

Mit den Referentenentwürfen zum Digitalgesetz (DigiG) und Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDND) will das Bundesgesundheitsministerium Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens machen. Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) begrüßen die Pläne, sehen teils aber dringenden Nachbesserungsbedarf, wie aus den gemeinsamen Stellungnahmen hervorgeht.


Digital-Gesetz:
Kernstück des Gesetzes ist die ePA. Hier fordern die beiden Spitzenorganisationen den Gesetzgeber auf, dafür zu sorgen, dass in den zahnärztlichen Praxen keine Behandlungskapazitäten zugunsten einer Unterstützung der Patienten bei der ePA verloren gehen – das sei Aufgabe der Krankenkassen. Durch das im Gesetz vorgesehene Recht der Versicherten auf Verarbeitung von Daten und Regelung von Zugriffsrechten auf die ePA sei künftig mit deutlich mehr Versicherten zu rechnen, die Daten gelöscht oder in der Verarbeitung beschränkt wissen wollen.


Dass zahnärztliche Praxen Versicherte bei diesem Datenmanagement unterstützen, ist aus Sicht von KZBV und BZÄK nicht hinnehmbar. Sie sehen zeitliche und haftungsrechtliche Risiken. Wenn überhaupt, könne diese Unterstützung nur freiwillig erfolgen. Bei den Zugriffsrechten der Versicherten und deren Identifikation in der Zahnarztpraxis sei die Verlagerung von Verwaltungsaufgaben der Kassen in die Praxen nur dann akzeptabel, wenn der damit verbundene freiwillige Aufwand angemessen vergütet wird.


Bei den vorgesehenen Regelungen zum E-Rezept kritisieren KZBV und BZÄK den verbindlich vorgesehenen Starttermin zum 1. Januar 2024. Dieser Vorlauf sei zu knapp bemessen. Stattdessen sollte an der gestuften Einführung festgehalten werden, wie ursprünglich vorgesehen. Sanktionen bei Nichtverwendung der technischen Komponenten für die E-Rezept-Verordnung lehnen KZBV und BZÄK strikt ab. Auf die Berichtspflicht der KZBV an die Zahnärzte zum E-Rezept sollte verzichtet werden. Stattdessen sollten die Krankenkassen, der GKV-Spitzenverband und das BMG die Versicherten umfassend über die Nutzung des E-Rezepts informieren.


Gesundheitsdatennutzungsgesetz:
Ziel des GDNG ist es, Forschungsdaten besser auffindbar und mit weniger bürokratischem Aufwand nutzbar zu machen. Aus Sicht von KZBV und BZÄK wird der Entwurf aktuell weder der zahnärztlichen Berufswirklichkeit noch den Belangen der Anwender gerecht. So überspanne die Regelung, wonach Leistungserbringer die bei ihnen gespeicherten Gesundheitsdaten weiterverarbeiten dürfen, die Anforderungen an den ambulanten Bereich. Dies könne sich zudem als ein so großes bürokratisches Hindernis erweisen, dass eine Weiterverarbeitung von Versorgungsdaten gänzlich unterbleibe.


Erschwerend komme hinzu, dass nicht rechtssicher abgegrenzt werden kann, wo medizinische Forschung beginnt und die Versorgungstätigkeit im Praxis-alltag endet. Zahnarztpraxen sollten daher von den geplanten Regelungen ausgenommen werden. Es sollte klargestellt werden, dass routinemäßige Praxisabläufe keine Weiterverarbeitung von Gesundheitsdaten darstellen und deshalb auch keinerlei Informationspflichten auslösen.


Kritisch sehen KZBV und BZÄK auch, dass die Kranken- und Pflegekassen datengestützte Auswertungen zum individuellen Gesundheitsschutz ihrer Versicherten und zur Verbesserung der Versorgung vornehmen und ihre Versicherten dazu individuell ansprechen dürfen. Allein auf Basis datengestützter Auswertungen ergehende Empfehlungen ohne medizinisches Korrektiv könnten fehleranfällig sein, die Versicherten verunsichern – und das Arzt-Patienten-Verhältnis belasten, wenn der Arzt aus der Empfehlung keine Handlungsnotwendigkeit ableitet, diese aber von der Kasse beim Versicherten eingefordert wurde. Krankenkassen sollten daher keine Patientendaten auswerten und und in die Prozesse der Patientenbetreuung einbeziehen dürfen. Die Heilbehandlung sei sie originäre Aufgabe der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen. pr

Zum Digitalisierungskonzept gehört für Lauterbach auch eine Modernisierung der gematik: „Für ihre Weiterentwicklung werden wir ein eigenes Gesetz machen und stecken auch schon seit einigen Monaten in den Vorarbeiten dafür“, kündigte er an. Weitere Details verriet er jedoch nicht.

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