Quereinsteigerinnen in der Zahnarztpraxis – Teil 1

Wo ist meine nächste ZFA?

Die Zahnmedizin steht am Wendepunkt. Die Branche sieht sich mit einem immer drängenderen Problem konfrontiert: dem Fachkräftemangel. Um auf einer soliden Datenbasis zu analysieren, haben die Zahnärzte-Unternehmensberater der OPTI health consulting GmbH im August 2023 eine umfassende Umfrage durchgeführt, die ein alarmierendes Bild der aktuellen Lage zeichnet. Mehr als 130 Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber haben teilgenommen.

Fast 93 Prozent der befragten Praxisinhaber bewerten die aktuelle Situation als „katastrophal“ oder „schlecht“. Doch die Zahlen allein erzählen nicht die ganze Geschichte: unrealistische Gehaltsforderungen, der Mangel an qualifizierten Fachkräften und eine allgemeine Unwilligkeit zur Arbeit, insbesondere zu ungünstigen Zeiten, sind nur die Spitze des Eisbergs. Ein Zitat aus der Umfrage bringt es auf den Punkt: „Unrealistische Gehaltsforderungen, die nicht im Einklang mit den Qualifikationen stehen.“ Dieses Zitat spiegelt die Frustration vieler Praxisinhaber wider, die sich mit überzogenen Gehaltsforderungen konfrontiert sehen.

Der Fachkräftemangel spitzt sich dramatisch zu

Die Fachkräftesituation hat sich in den vergangenen fünf Jahren dramatisch verschlechtert. „Spitzt sich dramatisch zu“, „stark zugenommen“, „ständige Verschlechterung“ sind Formulierungen, die in den Antworten häufig genannt wurden. Die Suche nach qualifiziertem Personal wird zunehmend schwieriger und zeitaufwendiger. Viele Praxisinhaber mussten teure Anzeigen schalten oder höhere Gehälter bieten, um überhaupt Personal zu finden. Erschreckend ist, dass 85,7 Prozent der Befragten eine Verschlechterung der Situation bestätigten, während nur 8,9 Prozent von einer stabilen Lage berichteten.

Dreiteilige Artikelreihe

Basierend auf einer Umfrage der Zahnarztberatung OPTI health consulting GmbH zum Fachkräftemangel unter mehr als 130 Praxisinhaberinnen und Praxisinhabern werden die Daten analysiert (Teil 1, zm 19/2023), die Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze skizziert (Teil 2, zm 20/2023) und der Onboarding-Prozess von Quer­einsteigern durchgespielt (Teil 3, zm 21/2023).

Die Auswirkungen des Fachkräftemangels sind nicht nur vielfältig, sondern auch tiefgreifend und betreffen alle Aspekte des Praxisalltags. Die Umfrageergebnisse zur Frage, welche Auswirkungen der Fachkräftemangel konkret auf den Alltag in der Praxis hat (Abbildung 1), zeichnen ein komplexes Bild der konkreten Auswirkungen:

Mit rund 60 Prozent steht die Überarbeitung des Personals an erster Stelle. Die freien Antworten in der Umfrage verdeutlichen den hohen Arbeitsdruck, der auf den Mitarbeitenden lastet. „Das Burn-out-Risiko steigt, und die Qualität der Patientenversorgung leidet“, warnte ein Befragter. Dies ist ein alarmierendes Zeichen für die Branche und ein klares Indiz dafür, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Was in letzter Konsequenz droht, ist ein ganz eigener Teufelskreis: 1. Mitarbeiter fallen weg, 2. andere werden überlastet, 3. weitere Mitarbeiter fallen weg, 4. Exitus …

Rund 37,4 Prozent der Praxen berichten von Schwierigkeiten bei der Terminplanung. Dies wirkt sich nicht nur auf das Personal, sondern auch direkt auf die Patientinnen und Patienten aus. „Die Patienten müssen länger warten, und die Unzufriedenheit steigt“, so ein weiterer Befragter.

Die Qualität der Patientenversorgung leidet

Fast 30 Prozent der befragten Praxen haben ihre Sprechstunden bereits reduzieren müssen, was ein Horrorsignal für ein schrumpfendes Ökosystem ist. Ein weiteres, noch alarmierenderes Ergebnis aus der Umfrage verdient besondere Aufmerksamkeit: 59,54 Prozent der befragten Praxisinhaber gaben an, dass sie bereits Behandlungen aufgrund des Fachkräftemangels absagen mussten (Abbildung 2). Es zeigt sich damit, dass sich (zukünftig) eine Versorgungslücke auftut.

Dies ist ein Alarmsignal für die gesamte Branche. „Es ist nicht nur eine Frage der Unannehmlichkeiten für die Patienten; es geht um die Qualität der medizinischen Versorgung, die wir bieten können“, kommentierte eine Praxisinhaberin. Die Absage von Behandlungen ist ein direkter Indikator dafür, dass die Patientenversorgung ernsthaft gefährdet ist.

Auch wenn 36,64 Prozent der Praxen bisher keine Absagen tätigen mussten, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch sie von diesem Problem betroffen sein könnten. „Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr nur über Prävention sprechen können. Wir müssen jetzt handeln“, warnte eine weitere Befragte.

Denn die Reduzierung der Sprechstunden und die Absage von Behandlungen sind nicht nur Symptome des Fachkräftemangels – sie sind gleichzeitig Katalysatoren für eine Verschlechterung der allgemeinen Gesundheitsversorgung. Langfristig könnten diese Entwicklungen zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen bei den Patienten führen.

Most wanted: qualifizierte ZFAs

Die Umfrageergebnisse zeigen deutlich, dass der Fachkräftemangel nicht alle Bereiche der Zahnarztpraxis gleichermaßen trifft (Abbildung 3). Ein alarmierend hoher Anteil von 75,19 Prozent der Befragten gab an, dass ZFAs am stärksten betroffen sind. „Wir spüren den Mangel an qualifizierten ZFAs in jeder Ecke der Praxis. Sie sind das Rückgrat unserer Organisation. Wenn sie fehlen, bricht das System zusammen“, kommentierte ein Praxischef.

Die Aussichten sind düster. Die Mehrheit der Befragten erwartet einen weiter wachsenden Fachkräftemangel und sieht finanzielle Belastungen auf die Praxen zukommen (Abbildung 4). „Steigende Gehälter notwendig, um Fachkräfte zu halten“, prophezeite ein weiterer Befragter.

Die Umfrageergebnisse zeichnen ein besorgniserregendes Bild des Fachkräftemangels in der Dentalbranche. Es ist klar, dass dieser Mangel nicht nur die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigt, sondern auch die Arbeitsbedingungen und die Zufriedenheit des Personals. Die Branche steht vor einer beispiellosen Herausforderung, die dringend innovative Lösungsansätze erfordert.

Im nächsten Teil dieses Dreiteilers werden wir uns intensiv mit möglichen Strategien und Lösungen auseinandersetzen, um dieser Krise entgegenzuwirken. Es ist an der Zeit, gemeinsam nach vorne zu blicken und Wege zu finden, die Dentalbranche zukunftssicher zu gestalten.

Christian Henrici

Gründer und Geschäftsführer der
OPTI health consulting GmbH
Lehrbeauftragter, Referent und Podcaster
für Personal und Businessplanung
henrici@opti-hc.de

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