Quereinsteigerinnen in der Zahnarztpraxis – Teil 2

Strategien gegen den Fachkräftemangel

Nachdem im ersten Teil der dreiteiligen Serie der akute Fachkräftemangel in der Zahnarztpraxis beleuchtet und quantifiziert wurde, geht es nun um die konkreten Strategien und Maßnahmen, die Praxen in Erwägung ziehen oder bereits umsetzen. Die Ergebnisse der Umfrage der OPTI health consulting GmbH unter mehr als 130 Praxisinhaberinnen und Praxisinhabern im August 2023 zeichnen ein differenziertes Bild der aktuellen Bemühungen.

Die Umfrageergebnisse belegen, dass Zahnarztpraxen unterschiedliche Strategien gegen den Fachkräftemangel verfolgen. Mit 70,08 Prozent steht die Gehaltserhöhung für bestehendes Personal an erster Stelle, gefolgt von flexiblen Arbeitszeitmodellen (47,86 Prozent) und Fort- sowie Weiterbildungsangeboten (41,88 Prozent). Über 20 Prozent setzen auf die Rekrutierung von Quereinsteigern, was eine wachsende Offenheit in der Branche signalisiert. Die offenen Antworten (Sonstiges) zeigen zudem innovative Ansätze – von der Digitalisierung bis zur gezielten Einstellung nicht-deutschstämmiger Mitarbeiterinnen. Deutlich wird: Die Branche reagiert aktiv, sucht aber noch nach den nachhaltigsten Lösungen.

Traditionelle und moderne Rekrutierungsstrategien

Die Rekrutierung von Fachpersonal in Zahnarztpraxen ist die dringlichste und gleichzeitig schwierigste Herausforderung. Die Umfrage unterstreicht, dass Praxen sowohl auf traditionelle als auch auf moderne Strategien setzen.

35 Prozent der Praxen nutzen Social Media wie Facebook und Instagram für ihre Rekrutierungsmaßnahmen, während 20 Prozent auf Online-Jobbörsen zurückgreifen. Trotz der Digitalisierung bleibt Mundpropaganda mit 25 Prozent ein bewährter Weg zur Personalgewinnung. Einige Praxen, etwa 10 Prozent, setzen zudem auf professionelle Recruiter oder suchen den direkten Kontakt zu potenziellen Bewerbern durch Schulbesuche und Praktika. Printmedien werden noch von 5 Prozent der Befragten für Stellenanzeigen genutzt.

Die Vielfalt der Rekrutierungsstrategien zeigt, dass die Praxen flexibel bleiben und sich an die sich ändernden Umstände anpassen müssen.

Strategie 1: Mitarbeiterbindung durch Fort- und Weiterbildung

Angesichts des akuten Fachkräftemangels gewinnen in der Dentalbranche Fort- und Weiterbildungen immer mehr an Bedeutung. Laut der jüngsten Umfrage von OPTI wird dies durch einen beeindruckenden Durchschnittswert von 68,34 auf einer Skala von 0 bis 100 unterstrichen. Dies verdeutlicht, dass Zahnarztpraxen bundesweit die kontinuierliche Weiterbildung nicht nur als Ergänzung, sondern als essenziellen Bestandteil ihrer Personalstrategie betrachten.

Rund 70 Prozent der Praxen sehen in der Weiterbildung eine Möglichkeit, die Qualität der Patientenversorgung zu steigern. Aber darüber hinaus ist es auch ein Instrument zur Mitarbeitermotivation. Ein Team, das regelmäßig geschult wird, fühlt sich nicht nur kompetenter, sondern auch wertgeschätzt, und ist dann engagierter in seiner Arbeit. In Zeiten, in denen das Anwerben neuer Fachkräfte immer herausfordernder wird, könnte die Investition in das bestehende Personal ein entscheidender Faktor für den anhaltenden Erfolg einer Praxis sein.

Das Fortbildungsangebot hat sich in den vergangenen Jahren merklich gewandelt. Während bis 2020 fast ausschließlich Präsenzkurse angeboten wurden, zeigt die aktuelle Statistik von Statista [05.05.2023, L. Lohmeier] einen Anstieg von Online-Kursen auf etwa 10 Prozent, während 90 Prozent weiterhin als Präsenzkurse durchgeführt werden. Dieser Wandel hat auch neue Anbieter auf den Markt gebracht, die sich durch spezialisierte Online-Angebote etablieren.

Strategie 2: Technologie und Digitalisierung

Die Frage, ob Technologie und Digitalisierung als Lösung für den Fachkräftemangel in den Zahnarztpraxen gesehen werden, spaltet die Zahnärzteschaft. Unsere Umfrage von OPTI zeigt, dass 32,77 Prozent der Befragten glauben, dass Technologie und Digitalisierung helfen könnten, den Mangel zu kompensieren. Demgegenüber stehen jedoch 52,1 Prozent, die diese Ansicht nicht teilen.

Interessant ist der Anteil von 20,16 Prozent der Befragten, die eine differenzierte Meinung zu diesem Thema haben. Viele von ihnen sehen die Digitalisierung nur „teilweise“ oder „bedingt“ als Lösung. Einige Kommentare betonen, dass – obwohl bestimmte Prozesse durch Technologie optimiert werden können – die persönliche und körpernahe Dienstleistung in der Zahnmedizin unersetzlich ist. Ein Befragter merkte an, dass „die momentane Digitalisierung sich leider nur als Bürokratiemonster erweist“, während ein anderer hervorhebt, dass „viele Arbeiten von Geist und Hand zu erledigen“ sind.

Unbestritten gewinnen Technologie und Digitalisierung in der Dentalbranche weiter an Bedeutung, doch die Umfrage zeigt, dass beide nicht als Allheilmittel gegen den Fachkräftemangel gesehen werden. Es wird deutlich, dass eine ausgewogene Kombination aus menschlicher Expertise und technologischer Unterstützung für den zukünftigen Erfolg der Branche entscheidend sein wird.

Strategie 3: Kooperationen und Netzwerkbildung

Die Zusammenarbeit zwischen Zahnarztpraxen und die Bildung von Netzwerken könnten ebenfalls als mögliche Strategien zur Bewältigung des Fachkräftemangels dienen. Doch wie wichtig sind solche Kooperationen für die Praxen tatsächlich? Unsere Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass dieser Ansatz bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt. Mit einem durchschnittlichen Wert von 34,654 auf einer Skala von 0 („keine Rolle“) bis 100 („sehr große Rolle“) zeigt sich, dass die Bedeutung von Kooperationen und Netzwerken bisher in der Dentalbranche eher gering eingeschätzt wird.

Dieses Ergebnis wirft die Frage auf, ob hier ein ungenutztes Potenzial schlummert. Kooperationen könnten beispielsweise den Austausch von Fachwissen fördern, Ressourcen teilen oder sogar gemeinsame Rekrutierungsstrategien entwickeln. Es bleibt abzuwarten, ob die Branche in Zukunft stärker auf solche Netzwerke setzen wird, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen.

Der Nutzen von Vernetzungsmöglichkeiten in der Dentalbranche ist vielschichtig. Während QM-Zirkel und Fortbildungskreise als traditionelle Methoden der Vernetzung gelten, gibt es auch weniger bekannte, aber ebenso effektive Ansätze. Dazu zählen unter anderem Personal Pooling, gemeinsamer Einkauf und die Nutzung eines gemeinsamen Technikers. Diese bieten neue Perspektiven und Potenziale für Praxen, um Ressourcen effizienter zu nutzen und Synergien zu schaffen.

Branchenspezifische und staatliche Unterstützungen

Die Umfrageergebnisse offenbaren, dass viele Zahnarztpraxen nicht von bestehenden Unterstützungsangeboten profitieren oder diese schlicht nicht kennen. Einige Praxen gaben an, Unterstützungen wie „Bafa“, „Kurz­arbeitergeld“ oder Angebote von „ZÄK/KZV“ in Anspruch genommen zu haben. Dennoch dominierte das klare „Nein“ als Antwort.

Dreiteilige Artikelreihe

Basierend auf einer Umfrage der Zahnarztberatung OPTI health consulting GmbH zum Fachkräftemangel unter mehr als 130 Praxisinhaberinnen und Praxisinhabern werden die Daten analysiert (Teil 1, zm 19/2023), die Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze skizziert (Teil 2, zm 20/2023) und der Onboarding-Prozess von Quereinsteigern durchgespielt (Teil 3, zm 21/2023).

Bemerkenswert ist, dass viele Praxen nicht über die Vielzahl an Unterstützungsangeboten informiert sind, die ihnen zur Verfügung stehen könnten. Abseits der in der Umfrage genannten Angebote gibt es in einigen Bundesländern Bildungsgutscheine, die zur Weiterbildung des Personals genutzt werden können. Auch andere staatliche Förderungen, wie das Aufstiegs-BAFÖG oder die Bildungsprämie, könnten für Praxen interessant sein. Darüber hinaus bieten AZAV-geförderte Maßnahmen Möglichkeiten zur Qualifizierung von Personal.

Einige Bundesländer gewähren zudem Bildungsurlaub, der es Mitarbeitern ermöglicht, sich fortzubilden, ohne ihren Jahresurlaub in Anspruch nehmen zu müssen. Es ist auch ratsam, sich an die Standesvertretung und die Bundesagentur für Arbeit zu wenden. Beide, zusammen mit Fortbildungsanbietern, können zumeist hilfreiche Auskünfte über mögliche Förderungsangebote geben. Es lohnt sich also für Praxen, sich intensiver mit den verschiedenen Fördermöglichkeiten auseinanderzusetzen und diese gezielt für die Weiterentwicklung ihres Personals zu nutzen.

Fazit: Die Branche ist in Bewegung

Die Zahnmedizin steht vor einer beispiellosen Herausforderung. Der Fachkräftemangel ist real und dringend, und die Branche sucht aktiv nach Lösungen. Unsere Umfrage hat gezeigt, dass es keinen Einheitsansatz gibt, sondern dass die Praxen eine Vielzahl von Strategien und Maßnahmen in Erwägung ziehen und umsetzen – von Gehaltserhöhungen über flexible Arbeitsmodelle bis hin zur Digitalisierung. Die Branche ist in Bewegung und versucht, sich den sich ändernden Umständen anzupassen.

Doch trotz aller Bemühungen und innovativen Ansätze bleibt die Frage: Ist das genug? Können Technologie und Digitalisierung wirklich den menschlichen Faktor ersetzen? Und wie können Zahnarztpraxen sicherstellen, dass sie qualifiziertes Personal nicht nur anziehen, sondern auch halten?

Im abschließenden Teil dieser Serie werden wir uns mit einem besonders spannenden Thema beschäftigen: den Quereinsteigern. Kann jemand, der nicht traditionell in der Zahnmedizin ausgebildet wurde, wirklich einen wertvollen Beitrag für die Branche leisten? Und wenn ja, wie können Praxen diese Talente am besten nutzen? Bleiben Sie dran, um mehr zu erfahren.

Christian Henrici

Gründer und Geschäftsführer der
OPTI health consulting GmbH
Lehrbeauftragter, Referent und Podcaster
für Personal und Businessplanung
henrici@opti-hc.de

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