Interview mit dem Oralchirurgen und Web-Entwickler Dr. Tilmann Seifert

„Die Website ist das neue Praxisschild!“

Die eine Kollegin präsentiert sich auf ihrer Praxiswebsite mit Hochglanzfotos, bei dem nächsten findet man dort nur rudimentäre Basics. Natürlich sind die Geschmäcker verschieden. Aber was will eigentlich der Patient? Wir haben Dr. Tilmann Seifert gefragt. Er ist Zahnarzt und Web-Entwickler. Er muss es also wissen.

Herr Dr. Seifert, wie wichtig ist eine gute Onlinepräsenz für die Zahnarztpraxis? Und: Braucht überhaupt jede Praxis eine Website?

Tilmann Seifert: In der heutigen Zeit ist eine Onlinepräsenz unerlässlich. Ich vergleiche das gern mit einer digitalen Visitenkarte oder sogar dem Praxisschild. Tatsächlich suchen 70 bis 80 Prozent der Patienten online nach einer Zahnärztin oder einem Zahnarzt und die meisten tun das mittlerweile über ihr Smartphone. Deshalb ist es auch so wichtig, dass Websites auf allen Geräten (Smartphone, Tablet, Computer) gleichermaßen gut aussehen und funktionieren. Man spricht hier von „mobile responsiveness“.

Was macht eine gute Webseite aus?

Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen ist begrenzt. Daher sollten Websites übersichtlich sein, schnell zum Punkt kommen und einfache Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme oder Terminbuchung bieten. Hier gilt: Der Weg vom ersten Klick auf die Website bis zum ersten Anruf in der Praxis oder der Online-Terminvereinbarung sollte für potenzielle Neupatientinnen und -patienten so reibungslos wie möglich sein.

Ist eine telefonische Terminvergabe heutzutage denn noch zeitgemäß? Beziehungsweise kommt man überhaupt noch ohne Online-Terminvergabetools aus?

Online-Terminvergabetools haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Sie können direkt in die Praxiswebsite eingebunden werden und erlauben eine Terminbuchung rund um die Uhr – auch an Wochenenden und Feiertagen. Das trägt deutlich zum Patientenkomfort und letztlich auch zur Patientenbindung bei. Gleichzeitig kann die Effizienz des Praxispersonals gesteigert werden, weil weniger Prozesse durch telefonische Terminanfragen unterbrochen werden. Außerdem kann die Terminausfallquote durch automatisierte Terminerinnerungen via SMS oder E-Mail und im Fall einer kurzfristigen Terminabsage durch schnellere Online-Wiedervergabe reduziert werden. Dennoch sollte eine Praxis weiterhin zu ihren Öffnungszeiten telefonisch erreichbar sein, sonst schlagen die Vorteile der Online-Terminvergabe hinsichtlich der Patientenbindung schnell ins Gegenteil um.

Wie wichtig sind schöne Fotos auf der Praxiswebseite?

Ich halte es für ungemein wichtig, dass sich die Kollegin oder der Kollege mit professionellen Fotos auf der Webseite präsentiert. Und wenn man schöne Praxisräumlichkeiten hat, dann kann man die auch ruhig zeigen. Der erste Eindruck entsteht nämlich nicht erst beim Praxisbesuch, sondern schon bei der Online-Arztauswahl, und da kann ein Sympathiegefühl entscheidend sein.

Sollte das Praxisteam ebenfalls auf der Homepage vorgestellt werden?

Das kann man machen – obwohl das nicht so relevant ist wie die Porträts der Zahnärztinnen und Zahnärzte. Leider erleben wir aktuell eine starke Fluktuation vor allem bei den ZFAs, so dass es kaum möglich ist, die Bilder der Belegschaft up to date zu halten. Viel wichtiger ist es, dass alle Fotos professionell und vor allem einheitlich sind.

Wie sollte man Patientinnen und Patienten auf der Praxiswebseite ansprechen?

Grundsätzlich würde ich eine gendergerechte Sprache empfehlen. Es gibt allerdings eine Einschränkung: Bei solchen Bereichen einer Website, die einen größeren Einfluss auf eine gute Auffindbarkeit bei Google haben, die also SEO-relevanter sind, sollte man genau abwägen. Wonach suchen potenzielle Neupatientinnen und -patienten am häufigsten? Das ist in den meisten Fällen immer noch die männliche Form, also Zahnarzt. Im Fließtext kann aber getrost gendergerechte Sprache verwendet werden, am besten einheitlich.

Was für eine Bedeutung hat SEO, also die Suchmaschinenoptimierung, für eine Praxiswebseite?

SEO ist essenziell, um in den Suchergebnissen überhaupt sichtbar zu sein. Soll heißen: Sie können eine noch so schöne Website haben, wenn deren Inhalte aber nicht für Suchmaschinen optimiert sind, dann wird diese Website niemand finden. Mit den richtigen, zahnmedizinisch relevanten Keywords, besonders aber auch Standort-spezifischen Keywords, werden die Suchmaschinen auf Sie aufmerksam. Auch die bereits erwähnte mobile responsiveness spielt da mit rein.

Wie können Zahnärztinnen und Zahnärzte die Herausforderung der Website-Erstellung am besten meistern?

Viele niedergelassene Kolleginnen und Kollegen haben weder die Zeit noch die Expertise, sich selbst um eine moderne Website zu kümmern. Daher ist es sinnvoll, diese Aufgabe an Experten zu delegieren. Und je weniger Arbeit da beim Zahnarzt hängenbleibt, desto besser. Denn wenn man nach einem anstrengenden Behandlungstag noch die Inhalte und Texte für die Website schreiben soll, kommt man doch nie dazu und es baut sich nur eine unnötige Hürde auf. Sie kennen das vielleicht: Je schneller man eine Aufgabe erledigen kann (oder eben delegieren), desto wahrscheinlicher ist es, dass sie nicht auf einer endlosen To-do-Liste landet und im Sand verläuft.

Können Sie ein persönliches Beispiel geben, in dem eine gute Onlinepräsenz zum Erfolg beigetragen hat?

Nach meiner Fachzahnarztausbildung habe ich als Oralchirurg in einer allgemeinzahnärztlichen Praxis ohne bestehendes Überweiser-Netzwerk angeheuert. Das muss sich erstmal rumsprechen, dass da jetzt jemand Neues ist, an den man seine Patientinnen und Patienten überweisen kann. Dabei hat es mir enorm geholfen, dass ich online leicht zu finden war – via Website, Google My Business und Online-Terminbuchungsportal. Das weiß ich so genau, weil ich alle Neupatientinnen und -patienten gefragt habe, wie sie mich gefunden haben. Zusätzlich helfen natürlich – wie beim Restaurant um die Ecke – gute Google-Bewertungen.

Was würden Sie jungen Praxisgründerinnen und -gründern raten, die aufgrund von ja manchmal sehr großen Krediten zögern, in eine professionelle Website zu investieren?

Natürlich sollte man die Kosten im Blick behalten. Gerade junge Praxisgründer und Praxisgründerinnen stehen vor großen finanziellen Herausforderungen. Und besonders bei den großen Marketingagenturen bezahlt man natürlich häufig auch für den Namen. Dabei muss eine Website gar nicht teuer sein. Es gibt durchaus erschwingliche Möglichkeiten, ohne Abstriche an der Qualität machen zu müssen. In nächster Zeit wird KI da auch noch viel vereinfachen.

Sie selbst erstellen Websites – wie nutzen Sie dabei KI?

Mir geht es häufig so, dass ich Werbebilder auf unterschiedlichen Medizinanbieter-Seiten sehe und sie wiedererkenne. Das liegt an der nicht-exklusiven Bild-Lizenzierung dieser sogenannten Stock-Bilder. Dank KI muss das heutzutage nicht mehr sein, die Bilderstellung erfolgt individuell, ist auf die Corporate Identity der Praxis abgestimmt und im Gegensatz zu Stock-Images einzigartig. So hebt sich die eigene Website nochmal ganz besonders von der Konkurrenz ab.

Haben Sie einen abschließenden Tipp zum Thema Praxiswebsite, den Sie mit uns teilen möchten?

Es mag banal klingen, aber ein ansprechendes und professionelles Webdesign kann den Unterschied machen. Es vermittelt Professionalität, schafft Vertrauen und kann Patienten ermutigen, den nächsten Schritt zu gehen.

Tops und Flops der Praxiswebsite

Top 5

  • zeitgemäßes Design

  • professionelle Eigendarstellung

  • mehrere Kontaktmöglichkeiten (Telefon, E-Mail, Online-Terminbuchungsportal)

  • gute Auffindbarkeit durch Suchmaschinen (SEO)

  • positive Patientenreviews

Flop 5

  • unprofessionell aufgenommene Fotos

  • Unübersichtlichkeit und Informationsüberangebot

  • Windows-95 Design

  • keine Kontaktmöglichkeiten

  • keine optimierte Darstellung für Smartphones

Die Fragen stellte Dr. Nikola Lippe.

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