Jahrestagung der DG PARO in Leipzig

Innovative und alternative Therapien bei Parodontitis

Heftarchiv Zahnmedizin
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Die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie vom 5. bis zum 7. Oktober in Leipzig zeigte den aktuellen Stand der Wissenschaft und alternative Behandlungsmethoden bei Parodontitis.

700 Zahnärztinnen und Zahnärzte waren in die Messestadt gekommen, um sich über die neuesten Entwicklungen und Innovationen im parodontologischen Bereich zu informieren.

Prof. Sigrun Eick (Bern) diskutierte im ersten Themenblock „Biofilm und Diagnostik – Chemisches Biofilmmanagement“ Alternativen zur Gabe von Antibiotika im Rahmen der PAR-Therapie, unter anderem antimikrobielle photodynamische Therapien, Naturprodukte wie Propolis sowie Probiotika. Nach der aktuellen deutschen S3-Leitlinie zur Parodontitistherapie sollten Probiotika allerdings nicht verwendet werden.

Laut Prof. Wim Teughels (Leuven) zeigt das Lactobacillus reuteri ein sehr gutes Ergebnis als Ergänzungsmittel zur subgingivalen Instrumentierung, dosiert zweimal täglich für drei Monate direkt im Anschluss an die antiinfektiöse Therapie.

Prof. Moritz Kebschull (Birmingham) berichtete im Rahmen der Diagnostik, dass künftig anhand verschiedener Marker für jeden Patienten ein individuelles Risikoprofil erstellt werden könne, um eine Erkrankung beziehungsweise deren Progression vorherzusagen.

Chirurgie – wann und wie?

Beim Schwerpunktthema „Konservativ oder Chirurgie? PAR-Chirurgie“ erörterte Prof. Stefan Stratul (Timisoara) die aktuelle Studienlage zum optimalen Zeitpunkt chirurgischer Ansätze zur Tascheneliminierung. Dazu zählten zum Beispiel Gingivektomien, Knochenglättungen oder Wurzelresektionen/-amputationen. Besonders betonte er dabei die Wichtigkeit der Hygienefähigkeit durch den Patienten und ein adäquates Biofilmmanagement durch den Zahnarzt. Es gebe klare Indikationen für das chirurgische Vorgehen im ossären Bereich (Tunnelierung von Grad-III-Furkationen, Elimination von Knochentaschen sowie Durchführung von Wurzelresektionen/-amputationen).

Danach veranschaulichte PD Hari Petsos (Frankfurt am Main) Grenzfälle der regenerativen Therapie. Welche entscheidende Rolle die Morphologie vertikaler Defekte auf die Behandlungsmöglichkeit und Prognose hat, zeigten ihm zufolge aktuelle Daten. Entscheidend seien vor allem drei Faktoren: die Lokalisation, der Defekttypus (schüsselförmig, ein-, zwei- oder dreiwandiger Defekt) und das verbliebene Attachment. Zentral sei zudem ein ausführliches Patientengespräch über Voraussetzungen und Risiken.

Abschließend präsentierte Prof. Anton Friedmann (Witten-Herdecke) neue Ergebnisse aus dem Bereich der Adjuvantien, speziell kreuzvernetzte Hyaluronsäuren. Das Potenzial parodontaler Regenerationsförderung sei vergleichbar mit dem von Schmelz-Matrix-Protein-Derivaten.

Furkationstherapie – auch auf die vertikale Komponente kommt es an

Prof. Luigi Nibali (London) bekräftigte, dass es bei der Beurteilung des Schweregrades eines Furkationsbefalls nicht nur auf die horizontale Komponente, sondern für den langfristigen Behandlungserfolg vielmehr auf die vertikale Komponente ankomme. Für die Therapie stehe zunächst die subgingivale Instrumentierung zur Verfügung, gefolgt von chirurgischen regenerativen sowie resektiven Maßnahmen. Die Extraktion dürfe nur die letzte Option sein.

Prof. Clemens Walter (Berlin) beschrieb per Videopräsentation, dass die Wertigkeit einer Wurzel eines oberen Molaren mit der Oberfläche derselben korreliert. Somit sei in absteigender Reihenfolge die mesiobukkale, die palatinale und die distobukkale Wurzel eines oberen Molaren als Oberflächenverminderung bei einer Wurzelamputation zu berücksichtigen.

Schließlich präsentierte Prof. Henrik Dommisch (Berlin), derzeitiger Präsident der DG PARO, ein an der Universität Bonn entwickeltes innovatives Konzept zur vitalen Wurzelamputation bei furkationsbefallenen oberen Molaren. Dazu müsse vor einer geplanten Wurzelamputation eine partielle Pulpotomie (Entfernung der Kronenpulpa) gemäß einem stringenten Protokoll und ausführlicher klinischer und radiografischer Untersuchung durchgeführt werden. Die erfolgreichen Ergebnisse mit Vitalerhaltung der Molaren und stabilen parodontalen Verhältnissen konnten bis zu sieben Jahre dokumentiert werden.

Prof. Holger Jentsch (Leipzig) referierte über die Anwendung von Schmelz-Matrix-Protein-Derivaten (EMD) adjuvant zur subgingivalen Instrumentierung und in Kombination mit einer Re-Instrumentierung von Resttaschen. Er zeigte, dass eine „Flapless“-Applikation von EMD zur subgingivalen (Re)-Instrumentierung einen zusätzlichen Nutzen im Sinne einer verbesserten Reduktion von Sondierungstiefen und -blutungen bietet.

Prof. Anton Sculean (Bern) beleuchtete die Rolle der Hyaluronsäure in der regenerativen Therapie. Dieses Material fördere die Proliferation und Migration von Zellen und rege die Bildung wichtiger Mediatoren an, die eine narbenlose Wundheilung begünstigen. Er hielt fest, dass die Verwendung von Hyaluronsäure im Rahmen von parodontalen Therapiemaßnahmen die Wundheilung und Regeneration verbessern kann.

Dann thematisierte Prof. Adrian Kasaj (Mainz) die Verwendung von Gewebeklebern auf Basis von Cyanoacrylat in der parodontalen Chirurgie. Dieser Ansatz biete eine einfache, schnelle und sichere Methode zur Wundversorgung. Auch führe die Verwendung von Gewebekleber in Verbindung mit Kollagenvlies bei der Abdeckung einer Donorstelle am Gaumen zu einer verminderten Schmerzintensität. Zudem betonte Kasaj, dass Gewebekleber auch in Kombination mit einer konventionellen Naht verwendet werden können, um die Lappenstabilität zu erhöhen.

Was tun bei Periimplantitis?

Prof. Jamal Stein (Aachen) eröffnete den Samstag mit einer Darstellung herausfordernder Patientenfälle. Er erläuterte, welche physiko-mechanischen Maßnahmen und adjuvanten chemischen Agenzien bei der Dekontamination von Implantatoberflächen und in der Sekundärprophylaxe periimplantärer Entzündungen effizient eingesetzt werden können.

Prof. Patrick Schmidlin (Zürich) beleuchtete die Anwendung von Schmelzmatrixproteinen versus Hyaluronsäure in der Therapie von Periimplantitis. Neben der Zementoblasten-anregenden Wirkung an natürlichen Zähnen wiesen Schmelzmatrixproteine vielseitige positive Eigenschaften bezüglich der Wundheilung auf. Diese könnten auch in der chirurgischen Periimplantitis-Therapie sinnvoll zum Einsatz gebracht werden.

Dr. Thomas Hanser (Olsberg) rundete den Block mit drei sehr unterschiedlichen augmentativen Patientenfällen ab. Besonders im Frontzahnbereich gehe die periimplantäre Destruktion häufig mit dem Verlust von Implantaten und dem umgebenden Knochen einher, sodass eine Reimplantation nahezu ausgeschlossen erscheint. Hanser konnte mit intraoperativen Videosequenzen zeigen, wie dennoch eine Augmentation periimplantär wie auch nach Explantation gelingen kann: Mithilfe von aus dem Kieferwinkel gewonnenen Knochensplittern wurde der Defekt in einer Schalentechnik aufgebaut.

Der letzte Schwerpunkt „Grenzfälle, Oralmedizin und Restaurationen“ widmete sich speziellen Erkrankungen in der Mundhöhle. Prof. Peter Eickholz (Frankfurt am Main) schilderte die Parodontitistherapie dreier Patienten mit Papillon-Lefèvre-Syndrom. Bei dieser sehr seltenen Erkrankung führt ein rapides Voranschreiten der Parodontitis zu frühzeitiger Zahnlosigkeit in beiden Dentitionen und einer Alveolarknochenatrophie. In allen drei Fällen sei das Auftreten von Aggregatibacter actinomycetemcomitans zu beobachten und eine Antibiose indiziert gewesen. Konnte die Entzündung eliminiert werden, sei sogar eine Implantation erfolgreich möglich gewesen. Je früher und konsequenter die Therapie erfolge, desto mehr Zahnerhalt könne gelingen, bilanzierte Eickholz.

Prof. Torsten Remmerbach (Leipzig) fokussierte sich auf die Schwierigkeiten der Diagnostik potenziell maligner Mundschleimhautveränderungen. Bereits 2005 habe die World Health Organisation (WHO) eine fünfstufige Nomenklatur etabliert, die sich am Grad der Dysplasie orientiert. Daneben sei aber auch die Klassifikation squamöser intra­epithelialer Läsionen (SIL) nach wie vor gebräuchlich. Unabdingbar bleibe für jeden Praktiker daher die konsequente und gründliche Untersuchung der oralen Gewebe bei jedem Patienten – gegebenenfalls unter Einbeziehung eines Spezialisten –, damit frühzeitig interveniert werden kann.

Im Vortrag von PD Gerd Göstemeyer (Berlin) ging es um nicht-invasive Therapiekonzepte für Wurzelkaries. Anhand epidemiologischer Daten zeigte er den starken Zuwachs der Prävalenz von Wurzelkaries im Verlauf der vergangenen Jahre auf und betonte, dass die dentale Plaque sowohl als ätiologischer Faktor für die Entstehung der Karies als auch für die Parodontitis von Bedeutung sei. In der Therapie der Wurzelkaries könne die eröffnende Präparation der Defekte zur Verbesserung der Zugänglichkeit kombiniert mit einer Fluoridierung die aktive kariöse Läsion in eine inaktive Läsion überführen. Nicht-invasive Therapiekonzepte eigneten sich insbesondere für die Therapie schwer zugänglicher Bereiche und bei Patienten, die nicht in der Lage sind, eine Zahnarztpraxis aufzusuchen.

Die Ätiologie und die damit verbundene Therapieentscheidung bei endodontal-parodontalen Läsionen (kurz: „Endo-Paro-Läsionen“) stellen den Praktiker oft vor Herausforderungen. Dr. Daniela Hoedke (Berlin) präsentierte in ihrem Beitrag diese besondere Form der intraossären, kombinierten Destruktion. Anhand eines Entscheidungsbaums konnte das Publikum die einzelnen Therapieoptionen, begleitet von treffenden Patientenfällen, nachvollziehen. Angesichts der schwierigen Ausgangssituationen machten die gezeigten Beispiele Mut zum Zahnerhalt.

Den abschließenden Vortrag übernahm Prof. Sebastian Hahnel (Regensburg). Er stellte die Grenzen der Perioprothetik und die verschiedenen Definitionen der Zahnbeweglichkeit vor und ergänzte diese durch einen Prognosekonsens der Pfeilerzähne aus prothetischer Sicht. Er zeigte sowohl an festsitzend als auch an herausnehmbar versorgten Beispielen, dass der Mobilitätsgrad II der Grenzfall des langfristig sinnvoll Versorgbaren ist.

Zum Abschluss der Jahrestagung dankte DG-PARO-Präsident Prof. Dommisch allen Gästen, Referenten sowie den zahlreichen Sponsoren und lud schon jetzt zur Jubiläumstagung am 21. September 2024 anlässlich des 100-jährigen Bestehens der DG PARO nach Bonn ein.

Wir danken DH Jessica Bönsch (Bonn), Dr. Denica Kuzmanova (Berlin), Dr. Sohar Flisfisch (Basel/Bonn), Dr. Daniela Hoedke (Berlin), Jakob Mischke (Bonn), Alja Larissa Müller (Bonn), Katharina Schildhauer (Berlin) und Ivet Tezer (Bonn), die die Inhalte der Vorträge zusammengefasst haben.

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