Revision der EU-Quecksilberverordnung

Amalgam wird ab 2025 in der EU verboten

pr
Dentalamalgam wird ab 2025 aus Umweltschutzgründen in der EU verboten. Ausnahmen soll es geben, wenn ein Zahnarzt eine solche Füllung aus medizinischen Gründen des Patienten für unbedingt erforderlich hält.

Wie von der EU-Kommission im vergangenen Sommer vorgeschlagen, soll Dentalamalgam ab dem 1. Januar 2025 aus Umweltschutzgründen in der EU verboten werden. Darauf haben sich die Unterhändler des Europäischen Parlaments, der Europäischen Kommission und der in den Rat versammelten EU-Mitgliedstaaten in Straßburg geeinigt.

Noch ist offen, ob Deutschland später aussteigen kann

Allerdings können die EU-Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen zur Versorgung sozial schwacher Gesellschaftsgruppen bei der EU-Kommission eine Verlängerung der allgemeinen Nutzung von Dentalamalgam bis zum 30. Juni 2026 beantragen. Der finale Kompromiss sowie die daraus resultierende rechtliche Regelung sind derzeit noch nicht öffentlich verfügbar. Daher ist noch offen, ob und inwieweit die Möglichkeit eines späteren Amalgam-Ausstiegs zum 30. Juni 2026 in Deutschland besteht.

Amalgam – time to say goodbye!

Amalgam ist ein Füllungswerkstoff, der über viele Jahrzehnte gute klinische Ergebnisse ermöglichte – und dies auch unter eingeschränkten Verarbeitungsbedingungen: Feuchtigkeit, Blutung, große Kavitäten und ein-zeitige Behandlungen in Narkose. Obwohl immer wieder gesundheitliche Gefahren diskutiert wurden, konnte die große fachübergreifende Studie an 4.787 Patienten 1998 keinen Zusammenhang zwischen empfundenen Beschwerden und der Amalgambelastung feststellen. Nach dem Aus für Amalgam gilt es nun, die vorhandene klinische Evidenz für geeignete Nachfolgematerialien zu präsentieren. Dennoch gibt es ganz spezielle Indikationen, in denen uns Amalgam fehlen wird.

Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Bundeszahnärztekammer hatten im politischen Prozess mehrfach gefordert, Dentalamalgam als für die Versorgung nach wie vor relevantes und bewährtes Material bis mindestens 2030 zu erhalten. Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen werde ein Material allein Amalgam nicht ersetzen können, sondern der Einsatz von Alternativmaterialien wird indikationsbezogen erfolgen müssen.

„Der Wegfall von Dentalamalgam wird die Versorgung erschweren.“

Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung kritisiert die EU-Entscheidung scharf. Ein allgemeines Verbot von Dentalamalgam sowie das Verbot von dessen Herstellung haben gravierende Auswirkungen auf die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland. Ein Wegfall von Dentalamalgam wird die Versorgung insbesondere von vulnerablen Patientengruppen deutlich erschweren. KZBV und BZÄK haben über die vergangenen Jahre gegenüber der Politik immer wieder klargemacht, dass anstelle einer Verbotsentscheidung ein natürlicher „phase down“ der richtige Weg wäre, um gemeinsam mit der Wissenschaft alternative Füllungsmaterialien zu beforschen. Dieser Weg ist nun versperrt. Klar ist: Ein einziges Ersatzmaterial im Sinne eines one fits all wird es über kurz oder lang nicht geben. Den schwarzen Peter, jetzt zeitnah eine Lösung zu finden, hat die Politik (mal wieder) dem zahnärztlichen Berufsstand und der Wissenschaft zugeschoben.

Martin Hendges, Vorsitzender des Vorstands der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

Die medizinisch notwendige Verwendung bleibt erlaubt

Weiterhin erlaubt sein wird die Verwendung von Dentalamalgam in medizinisch notwendigen und zu begründenden Fällen. Allerdings soll die EU-Kommission bis Ende 2029 eine Überprüfung dieser Ausnahmeregelungen vornehmen und dabei die Verfügbarkeit quecksilberfreier Alternativen berücksichtigen. Entsprechende Regelungen wurden zudem für die Produktion und den Import von Dentalamalgam verabschiedet.

Die Überarbeitung der Quecksilberverordnung ziele darauf ab, ein quecksilberfreies Europa zu schaffen, um EU-Bürger und Umwelt vor giftigem Quecksilber zu schützen, heißt es in der Mitteilung des Europäischen Parlaments. Einigen Mitgliedstaaten sei eine Ausnahme gewährt, worden, um die sozioökonomischen Folgen des Amalgamausstiegs zu mildern, erklärte die Berichterstatterin Marlene Mortler (EVP, Deutschland). Denn das Verbot von Zahnamalgam dürfe nicht bedeuten, dass sich einkommensschwache EU-Bürger in diesen Ländern keine angemessene zahnärztliche Behandlung mehr leisten können.

Ausnahmeregelungen werden noch verhandelt

Während die geltenden Vorschriften bereits die Verwendung von Zahnamalgam zur Behandlung von Zähnen bei Kindern unter 15 Jahren und schwangeren oder stillenden Frauen verbieten, erweitern die Änderungen jetzt das Verbot auf alle in der EU, teilt der Europäische Rat mit. Die Mitgesetzgeber hätten an dem von der Kommission vorgeschlagenen Termin für den vollständigen Ausstieg in der EU am 1. Januar 2025 festgehalten. Ausnahme sei, wenn Amalgam vom Zahnarzt als unbedingt notwendig erachtet werde, um spezifische medizinische Bedürfnisse des Patienten zu erfüllen. Die achtzehnmonatige Ausnahmeregelung für die Mitgliedstaaten sei eingeführt worden, weil einkommensschwache Personen sonst sozioökonomisch überproportional betroffen wären.

Zum Hintergrund

Die EU-Quecksilberverordnung ist zurückzuführen auf die Umsetzung des Minamata-Übereinkommens, eines 2013 unterzeichneten internationalen Abkommens. Dort hatten rund 90 Länder Maßnahmen vereinbart, die die Umwelt vor Emissionen und Freisetzungen von Quecksilber und Quecksilberverbindungen schützen sollen. Diese Maßnahmen betreffen unter anderem auch die Verwendung von Dentalamalgam. Das seit August 2017 in Kraft getretene Übereinkommen ist ein völkerrechtlicher Vertrag. Bis Ende September 2021 waren 134 Staaten dem Übereinkommen beigetreten.

Deutschland und die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union setzen das Minamata-Abkommen seit dem 1. Januar 2018 durch die in allen EU-Ländern unmittelbar geltende EU-Quecksilberverordnung 2017/852 um. Große Teile des Maßnahmenkatalogs zu Dentalamalgam werden in Deutschland schon seit Jahren erfüllt. Im Juli 2023 hatte die EU-Kommission eine gezielte Überarbeitung der Verordnung vorgeschlagen, um den Zielen Folge zu leisten. Von den Regelungen betroffen sind auch die Verwendung, Herstellung und der Export von Quecksilber und Quecksilberprodukten. Laut der jetzt erfolgten Einigung soll Dentalamalgam ab dem 1. Januar 2025 aus Umweltschutzgründen in der EU verboten werden. Nach Angaben des EU-Parlaments werden in der EU immer noch 40 Tonnen Quecksilber jährlich für Zahnamalgam verwendet.

Seit dem 1. Januar 2019 darf Dentalamalgam nur noch in vordosierter, verkapselter Form verwendet werden. Ebenfalls seit dem 1. Januar 2019 müssen in der EU Betreiber zahnmedizinischer Einrichtungen, in denen Dentalamalgam verwendet wird oder Zähne mit solchen Füllungen entfernt werden, sicherstellen, dass sie mit Amalgamabscheidern zur Rückhaltung und Sammlung von Amalgampartikeln, auch von im Abwasser enthaltenen Partikeln, ausgestattet sind. Die Situation in Deutschland kann laut Bundeszahnärztekammer in dieser Hinsicht als Vorbild gelten.

Der Einigung im Trilog war am 30. Januar 2024 eine gemeinsame Positionierung der EU-Mitgliedstaaten auf Ebene des Rates vorausgegangen. Der Rat hatte dabei ebenfalls einen allgemeinen Ausstieg aus dem Werkstoff bis zum 1. Januar 2025 beschlossen. Die Verordnung muss formal noch vom Plenum des Europäischen Parlaments und durch den Rat verabschiedet werden.

Die deutsche Zahnärzteschaft hatte den schnellen Ausstieg kritisiert. Aus zahnmedizinischer Sicht sprächen zahlreiche Gründe für die Beibehaltung von Amalgam als Füllungsmaterial, unter anderem dessen gute Materialeigenschaften. Außerdem habe ein generelles Amalgamverbot auch soziale Folgen, da alle verfügbaren Alternativmaterialien deutlich teurer sind. Zusammen mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) hatte sie sich im Council of European Dentists (CED) für den Erhalt des Werkstoffs eingesetzt.

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