Amalgamverbot ab 2025 – der falsche Weg

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Martin Hendges

Die EU hat entschieden: Ab 2025 wird Amalgam als Zahnfüllungsmaterial EU-weit verboten. Ausnahmen soll es nur in zahnmedizinisch zwingenden Fällen geben. Dazu bekommen Länder, in denen Amalgam das einzige überwiegend erstattete Füllungsmaterial ist, eine verlängerte Frist zum Ausstieg bis Mitte 2026. Die EU-Kommission freut sich, werden ihrer Aussage nach EU-Bürgerinnen und -Bürger und Umwelt doch vor giftigem Quecksilber geschützt.

Doch diese Bewertung ist irreführend. Sie ignoriert, dass der zahnmedizinischen Versorgung und damit insbesondere den Patientinnen und Patienten ein Bärendienst erwiesen wird. Die Genese des Verbots zeigt zudem, dass Sachargumente keine Rolle gespielt haben. Noch 2016 hatte die EU-Kommission verkündet, dass ein Verbot unverhältnismäßig wäre, da von Dentalamalgam ausgehende Gesundheitsrisiken nicht nachweisbar wären. An dieser wissenschaftlichen Tatsache hat sich bis heute nichts geändert. Amalgam ist einer der best­erforschten dentalen Werkstoffe. Das Quecksilber ist chemisch gebunden. Die obligatorische Verwendung von verkapseltem Amalgam und Abscheidesysteme schützen Zahnärzte und Patienten zuverlässig.

Die Lesart „Amalgam=giftig“, mit der die EU-Kommission ihre Entscheidung in der Presse flankiert hat, ist fahrlässig und verunsichert Patienten. Das wirkliche gesundheitliche Risiko kann jetzt erst entstehen, wenn ohne zahnmedizinische Notwendigkeit intakte Amalgamfüllungen entfernt werden. Hier wird die Zahnärzteschaft gefordert sein, entsprechend Aufklärung zu leisten.

KZBV und BZÄK haben über die letzten Jahre gegenüber der Politik immer wieder klargemacht, dass anstelle einer Verbotsentscheidung ein natürlicher „phase down“ der richtige Weg wäre, um gemeinsam mit der Wissenschaft alternative Füllungsmaterialien zu beforschen. Dieser Weg ist nun versperrt. Klar ist: Ein einziges Ersatzmaterial im Sinne eines one fits all wird es über kurz oder lang nicht geben. Den schwarzen Peter, jetzt zeitnah eine Lösung zu finden, hat die Politik (mal wieder) dem zahnärztlichen Berufsstand und der Wissenschaft zugeschoben.

Wie wenig durchdacht die nun getroffene Entscheidung ist, zeigen auch die Ausnahmeregelungen, die seitens der EU quasi als Beruhigung mitbeschlossen wurden: Dentalamalgam soll auch weiterhin Verwendung finden dürfen, wenn dies zahnmedizinisch zwingend notwendig ist. Gleichzeitig wird jedoch die Herstellung, sowie der Im- und Export von Amalgam EU-weit verboten. Benötigen Zahnärztinnen und Zahnärzte nun zukünftig für jeden einzelnen Fall, in dem sie Amalgam für notwendig erachten, eine Ausnahmegenehmigung für den Import und die Verwendung? Eine wirtschaftliche Versorgung insbesondere von vulnerablen Patientengruppen wie in der Alters- und Behindertenzahnheilkunde, für die Amalgam aufgrund der leichten Verarbeitbarkeit immer noch eine bedeutende Rolle spielt, wird so deutlich erschwert bis verunmöglicht. Es droht hier ein bürokratisches Monstrum auf dem Rücken der schwächsten Patientinnen und Patienten. Eine Situation, die letztendlich auch zulasten der Qualität der zahnmedizinischen Versorgung geht. Gerade bei größeren Füllungen droht, in Ermangelung von Materialalternativen, eine Verschiebung in Richtung Zahnersatz. All diese Effekte sind seitens der EU im besten Fall nicht mitbedacht, im schlimmsten Fall ignoriert worden. Sicher ist nur eins: Die nun getroffene Entscheidung konterkariert all unsere Bemühungen einer zielgruppengerechten zahnschonenden Medizin. Das ist mehr als ein Kollateralschaden einer Politik, die allein vorgeblich Umweltaspekte in den Vordergrund stellt, faktisch aber EU-weit massiv in die Strukturen der Gesundheitssysteme der Mitgliedsstaaten eingreift.

Es gilt wie so oft der ernüchternde Satz, dass Jammern nichts hilft. Wir werden uns daher in den nun anstehenden Verhandlungen zur Umsetzung der EU-Regelungen dafür einsetzen, den Schaden für unsere Patientinnen und Patienten zu begrenzen und uns schützend vor unseren Berufsstand stellen. Ziel ist es, die Versorgung unter den neuen Umständen praxisnah und insbesondere rechtssicher auszugestalten, damit das Risiko dieser fragwürdigen politischen Entscheidung nicht bei den Zahnarztpraxen hängen bleibt.

Martin Hendges
Vorsitzender des Vorstandes der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung

Lesen Sie mehr zum Thema Amalgam-Verbot auf S. 22.

Martin Hendges

Vorstandsvorsitzender der KZBV
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung

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