Baden-Württemberg baut eigene Gesundheits-Cloud

Plant das Ländle den Alleingang?

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Die baden-württembergische Landesregierung will eine eigene cloudbasierte Gesundheitsplattform an den Start bringen. Über die digitale Infrastruktur mit dem Namen „Medicus“ sollen Krankenhäuser besser miteinander im Austausch stehen können. Die Planung sieht vor, zu einem späteren Zeitpunkt den ambulanten Bereich zu integrieren. Entsteht hier ein Konkurrenzprodukt zur Telematikinfrastruktur im Bund?

Die Idee ist ja bekannt: Röntgenbilder, Laborwerte, Befunde und andere medizinische Daten sollen jederzeit und immer genau dort abrufbar sein, wo sie benötigt werden. Dieses Ziel verfolgt nicht nur das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit seinen Digitalisierungsanstrengungen – Stichwort Elektronische Patientenakte (ePA) –, sondern auch die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg mit der Cloud-Plattform Medicus, kurz für Medizindaten-Infrastruktur: cloudbasiert, universell, sicher.

Die Gesundheits-Cloud soll neben technischen Basisdiensten, wie der Verwaltung von Benutzerdaten oder Sicherheits-Features, auch spezifische Fachdienste wie Datenaustausch-Messenger, krankenhausübergreifende Telekonsultationen des medizinischen Personals oder Aufklärungsgespräche sowie Vor- oder Nachbesprechungen mit Patientinnen und Patienten ermöglichen. Und perspektivisch soll Medicus Baden-Württemberg auch zu einem attraktiven Forschungsstandort – beispielsweise für Pharmaunternehmen – machen.

Medicus entsteht nicht losgelöst

Stellt sich die Frage: Greift Medicus der bundesweit geplanten Digitalisierung des Gesundheitswesens vor? Eine Sprecherin des federführenden Ministeriums des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen in Stuttgart winkt ab. „Medicus entsteht nicht losgelöst von der Telematik und anderen Lösungen, vielmehr soll die Plattform das Bestehende kompatibel ergänzen“, teilte sie auf Nachfrage mit. „Ein Projektziel ist daher ausdrücklich, Doppelstrukturen zu vermeiden und eine weitgehende Offenheit gegenüber existierenden Infrastrukturen und Services sicherzustellen.“ Im Vorprojekt seien Initiativen und Lösungen auf EU- sowie Bundes- und Landesebene betrachtet worden, bestehende Standards und Schnittstellen sollten grundsätzlich genutzt werden.

Für die Landesregierung sei ein vorrangiges Ziel, dass die klinischen Versorger auf Basis der standardisierten Fachdienste innerhalb der Cloud schneller und günstiger zu einheitlichen IT-Lösungen kommen, die die Datenverfügbarkeit harmonisieren. Dabei gehe es nicht darum, eine eigene ePA zu entwickeln: „Die Cloud-Plattform Medicus berücksichtigt die Elektronische Patientenakte und soll im Ergebnis auch keine 'Akte' mit Datensammlung werden. Der Fokus liegt vielmehr auf der erwähnten Standardisierung und Interoperabilität.“

Darüber hinaus soll Medicus mehr Schutz vor Cyber-Attacken bringen. Insbesondere für kleine klinische Versorger ist es laut Landesministerium eine personelle und finanzielle Herausforderung, eine dezentrale IT-Infrastruktur mit lokalen Hard- und Softwarelösungen zu unterhalten. Außerdem müssten bei über 200 Klinikstandorten in Baden-Württemberg sehr viele Lösungen unter einen Hut gebracht werden. „Je mehr Infrastrukturkomponenten, Daten und Services cloudbasiert als zentral gesteuerte Lösungen bezogen werden können, umso schneller und weitreichender kann im Fall cybersicherheitsrelevanter Vorfälle gehandelt, analysiert und das Gesamtgefüge im Anschluss verbessert werden“, erklärte die Sprecherin.

Gibt es auch einen Austausch mit dem BMG über Medicus? Hier bleibt die Antwort eher vage: „Überall dort, wo wir bereits bestehende Initiativen und Vorgaben identifizieren, die eine Wirkung auf das Projekt haben, suchen wir auch den Austausch mit den federführenden Stellen.“

Bei der Frage nach dem BMG bleibt man eher vage

Was die Integration der Niedergelassenen angeht, ist der Zeitrahmen noch völlig offen. Derzeit gebe es noch keinen Starttermin für die ambulante Versorgung, aber aufgrund der positiven Erfahrungen beim schrittweisen Anschluss des klinischen Bereichs an Medicus werde man auch mit Blick auf die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte „frühzeitig versuchen, entsprechende Beteiligung zu schaffen und ebenso adaptiv vorzugehen“.

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