Europa: Große Bedeutung auch für die Zahnärzteschaft

Konstantin von Laffert

Im Juni dieses Jahres wird in den 27 EU-Mitgliedsstaaten das Europäische Parlament für fünf Jahre neu gewählt. Diese Wahl fällt in schwierige Zeiten: Der anhaltende Ukraine-Krieg und der Nahost-Konflikt, die schwächelnde Wirtschaft … die Liste ließe sich beliebig lang fortsetzen. Die EU steht jedenfalls vor vielfältigen Herausforderungen, so dass man sicher ohne Übertreibung von einer Richtungswahl sprechen kann. Anlässlich der Europawahl hat die Bundeszahnärztekammer kürzlich ein Positionspapier mit zwölf Kernforderungen veröffentlicht. Aber warum sollte sich die deutsche Zahnärzteschaft eigentlich mit der EU und der Europawahl beschäftigen?

Wir beobachten seit Jahren den Trend, dass europäische Vorgaben eine wachsende Bedeutung erhalten – zum einen für den nationalen Gesetzgeber, zum anderen für die Bürgerinnen und Bürger, und in unserem Falle für die Zahnarztpraxen. Aktuelles Beispiel ist das gerade auf europäischer Ebene verabschiedete Amalgamverbot ab dem 1. Januar 2025. Das Verbot wird gravierende Auswirkungen auf die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland haben und die Versorgung insbesondere vulnerabler Patientengruppen deutlich erschweren. Bereits heute werden viele für die Zahnärzteschaft wichtige Fragen nicht mehr auf nationaler Ebene, sondern in Brüssel und Straßburg entschieden.

Wichtig ist, dass sich die BZÄK bei solchen Prozessen rechtzeitig – und zwar schon auf europäischer Ebene – einklinkt. Wenn wir uns erst bei der Umsetzung der Gesetze auf nationaler Ebene einsetzen würden, hätten wir keine Chance mehr zur Einflussnahme. Aus diesem Grund unterhält die BZÄK seit 2001 ein Büro in Brüssel. Nur vor Ort und im direkten Kontakt zu den Entscheidungsträgern ist es möglich, unsere Positionen darzulegen und Einfluss zu üben.

Wir stellen auch fest, dass die EU zunehmend auf das Rechtsinstrument der sogenannten Verordnung zurückgreift. Die Verordnung ist ein verbindlicher Rechtsakt, den alle EU-Länder in vollem Umfang umsetzen müssen. Demgegenüber legen Richtlinien ein von den EU-Ländern zu erreichendes Ziel fest. Es bleibt jedoch Sache der einzelnen Länder, diese Ziele in eigener Kompetenz umzusetzen. Umso wichtiger ist es, sich vor Ort in Brüssel so früh wie möglich einzubringen.

Aktuell sind wir mit zahlreichen Vorhaben der europäischen Ebene konfrontiert, die für uns und die Praxen unmittelbare Bedeutung haben, etwa die Revision der Medizinprodukterichtlinie oder die Planungen zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS). Daneben beobachten wir mit Sorge, dass viele europäische Vorhaben mit hohen Bürokratielasten für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Praxen verbunden sind. Ein Thema, bei dem es dringend erforderlich ist, ist die Medical Device Regulation (MDR), sprich die Neuregulierung des Medizinprodukterechts. Die Folgen sind bereits jetzt spürbar, weshalb wir alles tun müssen, um auf eine Neuausrichtung hinzuwirken.

Derzeit diskutieren die Parteien außerdem sehr heiß über eine Grundsatzfrage: Wollen wir eine EU-Gesundheitsunion, und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Hier sind wir alle gefragt, die sich daraus ergebenen Vor- und Nachteile gut gegeneinander abzuwägen.

An dieser Stelle nur so viel: Ein solcher Schritt darf weder zu einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung für unsere Patientinnen und Patienten sorgen, noch darf er uns das Arbeiten in den Praxen erschweren. Hier empfehle ich eine genaue Lektüre der Parteiprogramme zur Wahl des Europäischen Parlaments, um nachher keine bösen Überraschungen zu erleben, die das Thema durchaus bereit hält. Denn Europa ist nicht so weit weg wie mancher immer noch glauben mag. Nehmen Sie ihr Wahlrecht aktiv und bewusst wahr. Auch um Ihnen die Entscheidung zu erleichtern, haben wir als BZÄK unsere Forderungen an die EU-Gesundheitspolitik in dem neuen BZÄK-Positionspapier zur EU-Wahl zusammengefasst. Wir tragen diese Forderungen aktiv nach Europa. Denn dort ist man ziemlich weit weg von Ihrer Praxis …

Konstantin von Laffert
Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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Konstantin von Laffert

Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer

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