Große Herausforderungen
Unmittelbar zum Redaktionsschluss dieses Editorials ist der Koalitionsvertrag, der die Grundlage für die künftige Regierungsarbeit bilden soll, unterzeichnet worden. Kurz zuvor hat die SPD ihre sieben neuen Ministerinnen und Minister vorgestellt. Einzig Boris Pistorius gehört als Verteidigungsminister auch der neuen Regierung an. Ansonsten gibt es einige neue Gesichter, auch im Gesundheitsressort, wo wir mit Nina Warken nun eine CDU-Politikerin an der Spitze haben, die niemand so richtig auf der Liste hatte. Ihrem Vorgänger Karl Lauterbach werden wenige eine Träne nachweinen. Lauterbach hat es wie vielleicht nur Ulla Schmidt vor ihm geschafft, fast alle Akteure im Gesundheitswesen gegen sich aufzubringen. Deshalb vielleicht nicht die schlechteste Entscheidung der Union, mit Warken eine Ministerin aufzustellen, die unbelastet – und hoffentlich einigermaßen ideologiefrei – ins Amt geht. Ihre Herausforderungen sind jedenfalls erheblich. Aber das gilt ja nicht nur für den Bereich Gesundheit.
Koalitionen sind keine Liebesheirat, aber es wäre wünschenswert, wenn die neue Regierung zumindest nicht gegeneinander arbeitet, wie es die Ampelkoalition getan hat. Spannend wird der künftige Umgang mit der AfD, die vor wenigen Tagen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. Von einer Bewährungsprobe für unsere Demokratie zu sprechen, dürfte nicht zu hoch gegriffen sein. Daher kann man trotz dieser Rahmenbedingungen nur auf eine vernünftige Sachpolitik der neuen Regierung hoffen.
Das Gegenteil von rationaler Politik kann man derzeit in Brandenburg erleben. Dort sollen der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) die jährlichen staatlichen Zuschüsse gekürzt werden – von vereinbarten 6,6 auf 5 Millionen Euro. Sollte es dazu kommen, wäre das auch für das Zahnmedizinstudium in Brandenburg höchst problematisch. Studiegebührerhöhungen stehen im Raum. Vor dem Hintergrund des politisch propagierten Ziels, mit dem Zahnmedizinstudium auch dauerhaft junge Zahnärztinnen und Zahnärzte in das Flächenland zu locken, wäre das mehr als kontraproduktiv.
In unserer Titelgeschichte beschäftigen wir uns wieder einmal mit der Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH). Laut der sechsten Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS • 6) ist jedes siebte Kind im Alter von zwölf Jahren von MIH betroffen – im Durchschnitt mit 3,4 Zähnen. Also kein seltenes, aber ein vergleichsweise junges Phänomen, das erst vor 25 Jahren als eigenständige Krankheit definiert wurde. Die Ursachen sind nach wie vor unklar – auch wenn es heiße Spuren gibt. Präventiv lässt sich hier wenig machen, umso wichtiger ist die Früherkennung. Viele Zahnärztinnen und Zahnärzte wünschen sich deshalb mehr Informationen. Wir zeigen, was wir aktuell wissen – und was nicht.
Außerdem werfen wir in dieser Ausgabe einen Blick auf die iberische Halbinsel und schauen, wie es um die Mundgesundheit in Spanien und Portugal bestellt ist. Das Thema Karies spielt in Spanien eine große, negative Rolle. Und in Portugal können sich immer weniger Menschen den Besuch beim Zahnarzt leisten, mit entsprechenden Folgen. Mit Blick auf die kürzlich veröffentlichte DMS • 6 und ihren positiven Ergebnissen zeigt dies, wie groß die Unterschiede bei der Zahngesundheit allein innerhalb Europas sind.
Eine Familie mit vier Generationen Zahnärzten und demnächst einer Zahnärztin über ein Jahrhundert hinweg: Das ist an sich schon etwas Besonderes. Aber wenn wie im Fall der Familie Hilger die Praxis seit 1925 am selben Standort in Düsseldorf-Bilk besteht, dann ist das ein außergewöhnliches Stück zahnärztliche Zeitgeschichte, in das wir in diesem Heft eintauchen.
Viel Spaß bei der Lektüre
Sascha Rudat
Chefredakteur