Studie untersucht ärztliche Kompetenz

Wie gut war Dr. House?

Ab 2006 sahen auch die Deutschen gespannt dabei zu, wie Hugh Laurie als Dr. House lebensgefährlich erkrankte Patientinnen und Patienten verarztete. Der TV-Doc hatte – wir erinnern uns – großen Unterhaltungswert, aber war er auch kompetent?

Von 2004 bis 2012 wurden 177 Episoden der US-Serie über acht Staffeln hinweg ausgestrahlt. Schätzungsweise 81,8 Millionen Zuschauer in 66 Ländern verfolgten Dr. House bei seiner Arbeit als Leiter eines medizinischen Teams am fiktiven Krankenhaus Princeton Plainsboro in New Jersey, USA. Die Sendung wurde auch von Fachleuten anerkannt und mit fünf Primetime Emmys, zwei Golden Globes und neun People’s Choice Awards ausgezeichnet. Neurologen der Universitäten in Zagreb und Dubrovnik um Denis Čerimagić haben nun untersucht, wie professionell die TV-Mediziner gearbeitet haben.

Für ihre Studie analysierten die Wissenschaftler alle 177 Episoden der Fernsehserie, wobei der Fokus auf den Falldiagnosen, der realitätsgetreuen Darstellung medizinischer Praxis und dem Vorliegen medizinischer Fehler lag. Die identifizierten Fehler wurden in folgende Kategorien eingeteilt: a) Fehler bei der Durchführung standardisierter medizinischer Verfahren, b) Fehler bei der Behandlung, c) Fehler beim Gebrauch medizinischer Terminologie, d) falsche Informationen und e) Absurditäten. Insgesamt wurden 24 Fehler aus Kategorie a, 17 aus b, 10 aus c, 23 aus d und 3 aus Kategorie e registriert. Die meisten Fehler wurden in Staffel 7 festgestellt (15), die wenigsten in der letzten (6).

Die Diagnosen der Haupterkrankungen jeder Episode wurden den entsprechenden medizinischen Fachbereichen zugeordnet. Am häufigsten vertreten waren Infektiologie (44 Fälle), Neurologie (19 Fälle) und Toxikologie (17 Fälle). In allen acht Staffeln wurden ausschließlich Fälle aus den Bereichen Infektiologie, Neurologie und Immunologie dargestellt. Was die realistische Darstellung betrifft, stellten die Forschenden folgende Abweichungen von der üblichen Praxis fest:

  • Die Ärzte – darunter ein Neurologe, ein Intensivmediziner und ein Immunologe – führten Prozeduren durch, die in Wirklichkeit Spezialisten anderer Fachrichtungen vorbehalten sind, zum Beispiel Obduktionen, Herzkatheter-Untersuchungen und Bronchoskopien.

  • Komplexe Laboranalysen wie molekulargenetische Tests oder mikrobiologische Untersuchungen wurden innerhalb weniger Stunden abgeschlossen – obwohl sie in Wirklichkeit Tage oder Wochen dauern.

  • Das Team verfügte über unbegrenzte Ressourcen.

  • Die Diagnosestellung beruhte auf dem Prinzip „Versuch und Irrtum“.

  • Das nichtärztliche medizinische Personal (Pflegekräfte, Radiologietechniker, Laboranten, Hilfspersonal) kam kaum oder gar nicht vor.

  • Ärzte durchsuchten wie Detektive eigenmächtig die Wohnungen von Patienten auf der Suche nach umweltbedingten (toxikologischen, mikrobiologischen) Ursachen.

  • Dr. House’ unethisches Verhalten und seine Opiatabhängigkeit wurden institutionell nicht geahndet.


„Dr. House ist ein medizinisches Detektivdrama, in dem die Krankheit die Rolle des 'Täters' einnimmt, der Gesundheit und Leben des Patienten bedroht – und die Ärzte fungieren quasi als Ermittler, die den 'Kriminellen' aufspüren und behandeln“, schreiben die Autoren. „Ziel ist jeweils die Identifikation der Ursache – wie bei einem Verbrechen.“

So ließen sich klare Parallelen zwischen dem berühmten Detektiv Sherlock Holmes und der Hauptfigur der Serie erkennen. „House ist ein Gegenentwurf zum modernen Arzt: ein heroischer, kontroverser, mürrischer, unethischer, zynischer, paternalistischer, brillanter medizinischer Kopf – ein Misanthrop und Vicodinabhängiger, der niemandem traut, am wenigsten seinen Patienten.“

 „I don’t ask why patients lie, I just assume they all do.“

Dr. Gregory House

„Brain tumor, she’s gonna die, boring!“

Seine endgültigen Diagnosen betreffen demnach fast ausschließlich seltene, vergessene Krankheiten, über die es in Lehrbüchern bestenfalls Fußnoten gibt – alltägliche Erkrankungen interessierten ihn kaum: „Brain tumor, she’s gonna die, boring.“ Sein Antrieb sei nicht das Wohl des Patienten, sondern die intellektuelle Herausforderung der Diagnose, heißt es in der Studie: „Für ihn ist Medizin ein Rätsel, keine Pflicht – ein Ruf, kein Beruf.“

„Is it lupus?“ –„It’s never lupus!"

Die Antwort auf George Costanzas gleichnamige Frage aus Seinfeld war der Running Gag der Serie.

Dabei geht den Autoren zufolge verloren, was den ärztlichen Beruf eigentlich ausmachen sollte: das ethische Fundament des Hippokratischen Eides aus dem 5. Jahrhundert vor Christus. Also Vertrauenswürdigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Altruismus. „Man kann mit Sicherheit sagen, dass Hippokrates das Verhalten von Dr. House nicht befürwortet hätte – so brillant dieser auch sein mag“, stellen sie fest. „Vielleicht braucht jeder Arzt gelegentlich eine Erinnerung an den Idealismus, den er oder sie beim Schwur zu Beginn der Karriere verspürt hat.“

In der Serie wird erzählt, dass House aufgrund einer ischämischen Nekrose des Musculus quadriceps femoris unter neuropathischen Schmerzen leidet und deshalb einen Gehstock benutzt. Die Wissenschaftler bemerken dazu süffisant, es sei bemerkenswert, dass ein so brillanter Diagnostiker die Ursache seiner eigenen Schmerzen nicht korrekt ermittelt habe. Zudem wird angedeutet, dass der Gehstock möglicherweise eine symbolische Bedeutung hat – etwa als Anspielung auf den Asklepios-Stab oder als „Bettelstock“ eines Trickbetrügers. Dabei hinke House beim Gehen, trage den Stock jedoch auf der falschen Seite. Laut Čerimagić tat er das offenbar, damit „das ausgeprägte Hinken so besser auf dem Bildschirm zu sehen“ sei.

Hippokrates wäre kein Fan von Dr. House

Čerimagić und sein Team verweisen auf weitere Arbeiten, wonach mehr als drei Viertel der Medizinstudierenden regelmäßig medizinische Dramen schauen, und Uni-Seminare zu den besagten Serien zu einer Verbesserung der Lerneffizienz (69,9 Prozent), Konzentration (89,7 Prozent) und Motivation (88,7 Prozent) führten. Die Studierenden zeigten sich demzufolge fasziniert von House’ außergewöhnlicher Diagnostik – sehen ihn jedoch nicht als medizinisches Vorbild. Besonders sein Umgang mit Kollegen und Patienten werde kritisch betrachtet.

House sucht „Zebras“

„Sein differenzialdiagnostischer Zugang zu Patientinnen ist unkonventionell. Ein bekanntes Prinzip in der medizinischen Ausbildung in den USA lautet: „When you hear hoofbeats behind you, don’t expect to see a zebra“ („Wenn du Hufschläge hörst, rechne mit Pferden, nicht mit Zebras“). In unseren Breiten ist dieses Sprichwort geläufiger: „Wenn etwas aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es vermutlich auch eine Ente.“

Beide Formulierungen beruhen auf Ockhams Rasiermesser, ein heuristisches Forschungsprinzip aus der Scholastik, begründet von dem englischen Franziskaner William of Ockham: „Von mehreren gleichermaßen plausiblen Erklärungen ist meist die einfachste die richtige.“

Die Serie Dr. House ist dagegen eine Show über „Zebras“ – seltene, außergewöhnliche Erkrankungen. Natürlich hängt vieles vom medizinischen Wissen des Betrachters ab: Wer nur zwei mögliche Diagnosen kennt, schläft in seinem Unwissen beruhigt, weil er glaubt, zumindest eine 50-prozentige Trefferquote zu haben. Wer hingegen zehn oder mehr Differenzialdiagnosen in Betracht zieht, wird sich niemals sicher sein, ob er eine „Zebra“-Diagnose übersehen hat."

zitiert aus Čerimagić et al., 2025

Die Studie zeige, dass die Serie nicht nur eine wahre Fundgrube für medizinische Ungereimtheiten sei, sondern sich auch hervorragend als Basis für klinische Seminare eigne, halten die Forschenden fest. Dabei sollte der Fokus auf der Erkennung medizinischer Fehler und Unlogiken in den einzelnen Episoden liegen, ebenso wie auf der Vermittlung des Konzepts der Teamarbeit unter Ärztinnen und Ärzten sowie auf einem multidisziplinären Ansatz bei Diagnostik und Behandlung. Schließlich lernt man manchmal am meisten, wenn man sieht, wie man es besser nicht macht.

Denis Čerimagić et al., Doktor House: Između stvarnosti i fikcije House M.D.: Between reality and fiction, in: Liječnički vjesnik 2025; Jahrgang 147; S. 149–161, DOI: 10.26800/LV-147-3-4-8.

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