Politikern auf den Zahn gefühlt

Wer ist für Zahnärzte zuständig?

Welche Politikerinnen und Politiker im Gesundheitsausschuss des Bundestags kümmern sich eigentlich um die zahnärztliche Versorgung und die Themen, die Zahnärzte betreffen? Was haben sie sich für diese Legislaturperiode vorgenommen und wie wollen sie die zahnärztliche Versorgung auch künftig sicherstellen? Die zm hat bei den fünf zuständigen Bundestagsabgeordneten nachgefragt.

Die Herausforderungen im Gesundheitswesen sind riesig. Um Lösungen ringen seit der Bundestagswahl im Februar dieses Jahres 38 Abgeordnete im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags. Die Fraktionen sind dabei gemäß ihrer Stärke im Parlament vertreten: Der Unionsfraktion gehören 13 Abgeordnete an, der AfD-Fraktion neun, der SPD-Fraktion sieben, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf und der Fraktion Die Linke vier.

Die vergangene Wahl hat für Bewegung im Gesundheitsausschuss gesorgt. Einige bekannte Abgeordnete waren nicht erneut angetreten, andere verpassten die Wiederwahl. Dadurch haben sich auch die Zuständigkeiten zum Teil geändert.

Für Kontinuität steht Prof. Armin Grau von Bündnis 90/Die Grünen. Der Neurologe war bereits in der vergangenen Legislaturperiode Ansprechpartner für Themen und Anfragen rund um die Zahnmedizin. Ein bekanntes Gesicht ist auch Dr. Christos Pantazis von der SPD, der ebenfalls Neurologe ist. Der 49-Jährige gehört seit 2021 dem Bundestag und dem Gesundheitsausschuss an. Seit Kurzem ist er gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion und kümmert sich zudem um den Bereich „Zahnärztliche Versorgung und Vergütung“.

Neuer Berichterstatter für den Bereich „Zahnärzte“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist Axel Müller. Im Bundestag und im Gesundheitsausschuss engagiert sich der Richter bereits seit 2017. Ein neues Gesicht im Parlament ist hingegen die Fachkinderkrankenschwester Julia-Christina Stange von den Linken. Auch sie befasst sich mit zahnärztlichen Themen, genauso wie die Zahnärztin Dr. Christina Baum von der AfD-Fraktion.

Woran krankt das Gesundheitswesen am meisten?

Axel Müller: Aus den vielen Problembereichen will ich drei herausgreifen: Da ist zum einen die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern offensichtliche Diskrepanz zwischen den eingesetzten Mitteln und den erzielten Erfolgen (Ineffizienz). Zum anderen die massive Einflussnahme der unzähligen Anbieter der Gesundheitswirtschaft auf die politischen Entscheidungsträger (überbordende Lobbyarbeit) und zum dritten die mangelnde Eigenverantwortung der Nutzer (Patienten).

Dr. Christina Baum: Patienten dürfen nicht vorrangig ökonomisch, sondern müssen wieder ganzheitlich als ein Organismus von Körper und Geist betrachtet werden. Alternative Heilmethoden, die den gesamten Menschen im Blick haben, sind vollständig anzuerkennen. Eigenverantwortung/Prävention müssen gestärkt werden, jeder ist zunächst für seine Gesundheit selbst verantwortlich. Verwaltungskosten sind durch Bürokratieabbau zu reduzieren. Der leistungslose Zugang zur GKV ist zu beschränken.

Dr. Christos Pantazis: Unser Gesundheitswesen leidet an Defiziten bei der Digitalisierung, unzureichender Prävention sowie mangelnder Effizienz und Steuerung – insbesondere bei der Notfallversorgung und der fehlenden Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung. Ein modernes Primärarztsystem soll hier gezielt Abhilfe schaffen und Patientinnen und Patienten besser durchs System lotsen.

Prof. Armin Grau: Es krankt an mangelnder Prävention und Gesundheitsförderung, an zu vielen stationären Behandlungen und zu starker Sektorentrennung. Gewinninteressen stehen nicht selten im Konflikt mit dem Patientenwohl. Gerade im zahnärztlichen Bereich sehen wir durch Investoren-MVZ eine Entwicklung, die Qualität und Versorgungsgerechtigkeit gefährden kann.

Julia-Christina Stange: Das deutsche Gesundheitswesen krankt vor allem an seiner Zwei-Klassen-Struktur und der zunehmenden Ökonomisierung medizinischer Versorgung. Wenn der Geldbeutel entscheidet, wie schnell und gut jemand behandelt wird, dann ist das weder gerecht noch gesund. Auch in der Zahnmedizin spüren viele Menschen, dass notwendige Behandlungen nicht vollständig übernommen werden und Prävention zu kurz kommt.

Was wollen Sie in dieser Legislaturperiode erreichen?

Müller: Einen wesentlich effektiveren Einsatz der begrenzten finanziellen Ressourcen, um die für den internationalen Wettbewerb und die Leistungsmotivation der Beschäftigten trotz demografischen Wandels wichtige Beitragsstabilität zu erreichen.

Baum: Den flächendeckenden wohnortnahen Erhalt von Krankenhäusern und Hausarztpraxen. Aufarbeitung des Themas Corona und Verhinderung der Abgabe von Befugnissen an zentrale globale Strukturen wie die WHO.

Pantazis: Wir wollen die GKV finanziell stabilisieren und gleichzeitig zentrale Strukturreformen umsetzen. Mit der Krankenhausreform, dem Primärarztsystem und einer effizienteren Notfallversorgung wollen wir vorhandene Effizienzreserven heben – für eine bessere Versorgung ohne Mehrbelastung der Beitragszahlenden.

Grau: Wir wollen die Regierungsarbeit kritisch begleiten. Prävention und sektorübergreifende Versorgungsstrukturen vor allem im ländlichen Raum sollen gestärkt werden.

Stange: Unser zentrales Ziel ist die Einführung einer solidarischen Gesundheits- und Pflegevollversicherung – weg vom Flickenteppich aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Jeder Mensch soll Zugang zu allen medizinisch notwendigen Leistungen bekommen, ohne Zuzahlungshürden und ohne Angst vor den Kosten. Krankenhäuser gehören in die öffentliche Hand und müssen auskömmlich finanziert werden. Präventive und notwendige zahnmedizinische Leistungen müssen vollständig von den Kassen übernommen werden. Außerdem kämpfen wir für mehr Personal, bessere Löhne und mehr Mitbestimmung für Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Was muss seitens der Politik getan werden, um die Prävention und Früherkennung von Zahnerkrankungen zu fördern?

Müller: Es bedarf einer besseren Aufklärung der Bevölkerung, diese muss bereits im Schulalter erfolgen. Etwaige Bonussysteme sollten darauf überprüft werden, ob sie in ihrer Attraktivität noch gesteigert werden könnten.

Baum: Die Zahnmedizin hat gezeigt, dass regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen zu einer deutlich verbesserten Zahngesundheit geführt haben. Ein Anreizsystem für Patienten (Kosteneinsparung bei späteren Behandlungen – Bonusheft) und auskömmliche Vergütung der Zahnärzte sind dafür die Grundvoraussetzung.

Pantazis: Prävention braucht gezielte Aufklärung, niedrigschwellige Angebote und bessere Vernetzung mit anderen Versorgungsbereichen. Digitale Tools können helfen, Bürokratie zu senken und Behandlungen zu beschleunigen – zum Vorteil von Praxen und Patientinnen und Patienten.

Grau: Prävention muss integraler Bestandteil der Versorgung werden – etwa in Kitas und Schulen. Dafür brauchen wir verbindliche Strukturen und eine stärkere Einbindung der zahnärztlichen Expertise in Präventionsstrategien.

Stange: Es müssen mehr Menschen Zugang zu präventiven zahnmedizinischen Angeboten erhalten, um Zahnerkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Dazu gehört eine stärkere Aufklärung über Mundhygiene, eine verbesserte zahnärztliche Betreuung von Kindern und Jugendlichen sowie eine gezielte Förderung von Gruppen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko.

Wo sehen Sie die größten Probleme der zahnärztlichen Versorgung und der Zahnärzteschaft und wie sollte man sie lösen?

Müller: Wie bei sehr vielen anderen Berufsgruppen wird es immer schwieriger, Nachfolger zu finden. Die von der Zahnärzteschaft geforderte Entbudgetierung halte ich in Zeiten stetiger Beitragserhöhungen für ein gefährliches Unterfangen. Stattdessen würde ich bei Dingen anfangen, die nichts kosten, den beruflichen Alltag aber wesentlich erleichtern können. Damit meine ich beispielsweise eine deutliche Reduktion der Dokumentationspflichten bei der Verwendung von Medizinprodukten.

Baum: Ausufernde Kontrollen binden sinnlos Arbeitskräfte. Wir brauchen wieder mehr Freiheit in allen Belangen der Praxisführung. QM und Verpflichtungen zu Weiterbildungen frustrieren, anstatt zu motivieren. Erbrachte Leistungen müssen auch bezahlt werden. Die Budgetierungen sind aufzuheben.

Pantazis: Eine der größten Herausforderungen liegt in der Digitalisierung der zahnmedizinischen Versorgung. Sie kann Bürokratie abbauen und die Versorgungsqualität steigern. Diese Potenziale müssen wir konsequent nutzen – auch zur Entlastung der Zahnärzteschaft. Gleichzeitig bietet die Digitalisierung die Chance, die Versorgungsqualität und Erreichbarkeit für Patientinnen und Patienten spürbar zu verbessern.

Grau: Ein zentrales Problem ist der zunehmende Fachkräftemangel. Wir setzen uns dafür ein, die Ausbildung zu stärken, bürokratische Hürden abzubauen und die Arbeitsbedingungen in den Praxen zu verbessern.

Stange: Konzentration von Zahnärzten in Ballungsgebieten, fehlende staatliche Unterstützung bei ländlichen Praxen, mehr Leistungen seitens der Krankenkassen.

Wie kann die zahnärztliche Versorgung flächendeckend sichergestellt werden?

Müller: Eine Niederlassung würde attraktiver, wenn der enorme bürokratische Aufwand vereinfacht würde. Im Mittelpunkt sollten Diagnose und Behandlung stehen. Es müssen Rahmenbedingungen existieren, die die Berufsausübung erleichtern. Sonst wandern junge Zahnärztinnen und Zahnärzte in die MVZ ab.

Baum: Schwerpunkt inhabergeführte Praxen niedergelassener Ärzte. Minimierung des unternehmerischen Risikos durch finanzielle und organisatorische Niederlassungshilfen, zum Beispiel durch Bereitstellung vergünstigter Praxisräume. Erhöhung der Studienplätze und Arbeitsbedingungen, die die Absolventen im Land halten.

Pantazis: Für eine flächendeckende Versorgung brauchen wir Anreize für ländliche Räume, flexiblere Strukturen und eine moderne Ausbildung. Digitalisierte Praxen ermöglichen effizientere Abläufe. Digitale Kompetenzen gehören zudem stärker in die zahnmedizinischen Lehrpläne.

Grau: Attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sowie gezielte Förderprogramme für den ländlichen Raum sind essenziell. Wir müssen junge Zahnmedizinerinnen und Zahnmediziner gezielt unterstützen.

Stange: Schaffung von Anreizen für Zahnärzte, sich auch in unterversorgten Gebieten niederzulassen. Dies könnte beispielsweise durch finanzielle Förderungen oder eine gezielte Unterstützung bei der Praxisgründung geschehen.

Die Interviews führte Anne Orth.

Anmerkung der Redaktion: Die Reihenfolge der Interviewantworten orientiert sich an der Fraktionsstärke der jeweiligen Partei im Bundestag.

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