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Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG

Gesucht: Auswege aus der ­Kostenfalle

Medikamente sind inzwischen der zweitgrößte Ausgabenblock in der GKV. Um den Kostendruck im System zu verringern, wird auch immer wieder über eine Anpassung des AMNOG-Verfahrens diskutiert. Wie läuft das Verfahren zurzeit ab und was soll sich ändern?

Wofür steht AMNOG?

Für das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts“ oder auch Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz. Es ist am 1. Januar 2011 in Kraft getreten und führte das sogenannte AMNOG-Verfahren ein. In dessen Rahmen vereinbaren Pharmaunternehmen und der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) Erstattungsbeträge für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen.­

Insbesondere für Markteinführungen innovativer Arzneimittel werden immer höhere Preise beobachtet. Vor 15 Jahren lag er bei rund 1.000 Euro und schwankte zuletzt um einen Wert von 50.000 Euro.

aus dem Gutachten 2025 des Sachverständigenrats Gesundheit & Pflege

Warum gibt es das Gesetz?

Die damalige schwarz-gelbe Koalition wollte dem heftigen Anstieg bei den Arzneimittelausgaben in der GKV entgegenwirken. 2009 hatten die Krankenkassen in diesem Versorgungsbereich eine Mehrbelastung von rund 1,5 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Der Trend zur Verteuerung war jedoch schon einige Jahre zu beobachten.

Was war neu daran?

Bis 2011 durften Hersteller den Preis für ein neues Medikament weitgehend frei festlegen. Zum Zeitpunkt der Zulassung waren lediglich dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachzuweisen. Mit dem AMNOG änderte sich das: Pharmaunternehmen sind seitdem verpflichtet zu belegen, dass ihr Produkt im Vergleich zu anderen Medikamenten einen Mehrwert hat und den Erstattungspreis wert ist.

Wie läuft das Verfahren ab?

Zentrales Element ist die „frühe Nutzenbewertung“ unter Leitung des Gemeinsamen Bundesauschusses (G-BA). Der G-BA bewertet innerhalb von sechs Monaten nach Markteintritt eines neuen Arzneimittels, ob es gegenüber der bisherigen Standardtherapie – der sogenannten zweckmäßigen Vergleichstherapie – Vorteile hat, weil damit beispielsweise deutlich weniger Nebenwirkungen einhergehen. Zu diesem Zweck legen die Hersteller dem G-BA ein Dossier mit relevanten Studiendaten vor. Der G-BA kann das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) mit der Nutzenbewertung beauftragen. Wird dem Medikament ein Zusatznutzen attestiert, treten GKV-SV und Hersteller in Verhandlungen um einen Erstattungsbetrag ein. Ohne belegten Zusatznutzen erhält das ­Medikament ­einen Preis, der sich an vergleichbaren Produkten orientiert. Gelingt keine Einigung, können beide Seiten eine Schiedskommission anrufen.

AMNOG und GKV-FinStG

Das AMNOG wurde seit 2011 einige Male angepasst, unter anderem Ende 2022 mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG). Das Gesetz führte sogenannte Leitplanken für die Preisbildung im AMNOG-Verfahren ein. Ziel der Regierung war es, den Krankenkassen mehr Möglichkeiten für die Senkung der ­Arzneimittelkosten zu geben. Insbesondere erlaubten die Leitplanken nur noch bei Feststellung eines sehr großen Zusatznutzens die Verhandlung von höheren Erstattungsbeträgen. Arzneimittel mit einem zwar nachgewiesenen, aber geringen Zusatznutzen konnten oft keinen Preisaufschlag erzielen oder verzeichneten – bei gleichwertigem Nutzen – Preisabschläge.

Medizinforschungsgesetz – Rolle rückwärts?

Von der Pharmaindustrie wurden die Leitplanken als innovationsfeindlich kritisiert. Die Unternehmen argumentierten, dass das GKV-FinStG wirtschaftliche Anreize für neue Medikamente mindere. 2024 wurden die Leitplanken mit dem Medizinforschungsgesetz (MFG) teilweise „zurückgebaut“. Damit wollte die Bundesregierung den Forschungsstandort Deutschland stärken. Eine MFG-Regelung besagt in diesem Sinne, dass die Leitplanken nicht anzuwenden sind, wenn die Hersteller belegen können, dass fünf Prozent der Patientinnen und Patienten in den im Zulassungsdossier beschriebenen klinischen Studien in Deutschland behandelt wurden.

Warum wird erneut diskutiert?

Weiterhin belasten hohe Arzneimittelkosten die GKV. Laut dem AMNOG-Report 2025 der DAK gaben die Krankenkassen im Jahr 2024 nach Abzug vereinbarter Rabatte 55,3 Milliarden Euro für diesen Versorgungsposten aus. Das ­entsprach einem Plus von 5,1 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr und einer Zunahme von 17 Milliarden Euro ­innerhalb der letzten sechs Jahre (+43 Prozent).

Welche Rolle spielen Orphan Drugs?

Unter Orphan Drugs versteht man Arzneimittel zur ­Behandlung seltener Erkrankungen. Um deren Entwicklung in Deutschland zu fördern, sind sie vom AMNOG-Verfahren befreit. Sobald sie auf EU-Ebene zugelassen sind, gilt ihr ­Zusatznutzen als belegt. Erst wenn Orphan Drugs einen Jahresumsatz von 30 Millionen Euro überschreiten (bis zum GKV-FinStG waren es 50 Millionen Euro), erfolgt eine ­Nutzenbewertung durch den G-BA. Das wurde unter anderem vom IQWiG kritisiert. Das Institut evaluierte im Jahr 2022 insgesamt 41 Orphan Drugs und stellte fest: Bei 54 ­Prozent der Produkte konnte kein Zusatznutzen belegt ­werden. Das ist heikel, da Orphan Drugs ein deutlicher ­Kostenfaktor im Arzneimittelbereich sind: Nach Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) ­machten sie 2021 lediglich 0,07 Prozent aller verordneten Medikamente aus, stellten jedoch 12,8 Prozent der Arzneimittelausgaben. Kostenpunkt: rund 6,4 Milliarden Euro.

Das fordern die Kassen …

Um die Kosten für Arzneimittel in den Griff zu bekommen, fordern die gesetzlichen Krankenkassen unter anderem, dass die Erstattungsbeträge wieder stärker an nachgewiesene Behandlungserfolge gebunden werden. Ist die frühe Nutzenbewertung wegen fehlender Daten schwierig, soll ein Interimspreismodell gelten.

… und das die Hersteller

Die Pharmaunternehmen möchten, dass die Nutzenbewertung stärker den Versorgungsbeitrag eines Arzneimittels berücksichtigt, also zum Beispiel einbezieht, ob es die Gesundheitsversorgung im stationären Bereich entlastet. Zudem beklagen die Unternehmen, dass der G-BA auch in der laufenden Nutzenbewertung die zweckmäßige Vergleichstherapie ändern kann. Das beeinträchtige die Planungssicherheit aufseiten der Unternehmen.

Was empfiehlt der Sachverständigenrat?

In seinem aktuellen Gutachten präsentiert der Sachverständigenrat (SVR) Gesundheit und Pflege Maßnahmen, die gleichzeitig auf eine wirtschaftliche Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und eine Förderung des Pharmastandorts Deutschland abzielen sollen:

  • Das AMNOG-Verfahren soll bei neuen Arzneimitteln um eine Reevaluierung ergänzt werden. Beweisen die Therapien dabei nicht den angenommenen Zusatznutzen, soll der Erstattungsbetrag umgehend nachverhandelt werden.­

  • Der G-BA soll die zweckmäßige Vergleichstherapie frühzeitig festlegen und während des laufenden Verfahrens nicht mehr austauschen.

  • Die Sonderregeln für Orphan Drugs in der Nutzenbewertung sollen abgeschafft werden.

  • Bei Markteintritt sollen nicht mehr die Hersteller den Initialpreis für ein Produkt auswählen dürfen, sondern ­eine externe Stelle soll einen Interimspreis festlegen. Aus Sicht des SVR würde das die Hersteller motivieren, schnell aussagekräftige Daten zum Zusatznutzen vorzulegen.

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    So bewertete der G-BA im Zeitraum 2011 bis 2024 den Zusatznutzen der 464 untersuchten Arzneimittel

Wie geht es weiter?

Im Koalitionsvertrag hat die Große Koalition angekündigt, das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) weiterentwickeln zu wollen, um eine nachhaltig tragbare Finanzierung sicherzustellen. Konkrete Maßnahmen gibt es nicht.

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