„Wir wissen heute, wie wichtig die Mitarbeit des Patienten ist“
Über 95 Prozent kumulative Überlebensrate nach fast vier Jahrzehnten. Wie konnte die Brånemark-Methode solche Überlebensraten erzielen?
Prof. Dr. Florian Beuer: Die noch unter Beobachtung stehenden Implantate aus der Studie wurden allesamt zum Ersatz von nicht angelegten oder durch Trauma verloren gegangenen Zähnen eingesetzt. Dies stellt die günstigste Voraussetzung für das Implantat dar.
Weiterhin waren die Patienten damals, als Implantate noch etwas sehr Exotisches waren, höchstwahrscheinlich maximal zu guter Mundhygiene motiviert und sich des Risikos für den Verlust ihrer Implantate bewusst. Heute sehen wir nicht selten eine Kunden-Mentalität, bei der „ein zahnmedizinischer Full-Service“ verlangt wird – inkludiert ist da die Vorstellung, für ein langes Überleben sei ausschließlich der Behandler zuständig.
<image seo-title="" alt-text="" xlink:href="https://hcms-cms.medtrix.group/zm/hcms/v3.1/entity/picture/135858" xlink:role="censhare:///service/masterdata/asset_rel_typedef;key=actual."/>
Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer MME ist Direktor der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, Funktionslehre und Alterszahnmedizin am Centrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Charité – Universitätsmedizin und wissenschaftlicher Beirat der zm.
Zur Nachsorge: Keine Periimplantitis über 40 Jahre hinweg? Hatten die Patienten eine regelmäßige Prophylaxe?
Davon steht nichts ausdrücklich im Paper. Vielmehr wird ein durchschnittlicher Plaqueindex von 16 Prozent angegeben, was auf eine gut kontrollierte Mundhygiene hinweist. Allerdings zeigten 67 Prozent der Patienten Blutung auf Sondierung. Hier erkennen wir aber auch, dass Blutung auf Sondierung kein sicherer Prädiktor für einen zukünftigen Implantatverlust ist.
Welche Entwicklungen hat die Implantologie seit den Anfängen genommen?
Heutige Implantatformen und -oberflächen sehen deutlich anders aus als vor 40 Jahren, trotzdem sind wir auch heute nicht wahnsinnig erfolgreicher als damals. Vielleicht ist die Hardware – also all die heute auf die verschiedensten Anwendungsfälle ausdifferenzierten Implantattypen, -formen, -oberflächen – doch nicht ganz so entscheidend, wie gemeinhin angenommen wird.
Heute wird auch bei Patientinnen und Patienten mit Risikofaktoren implantiert. Das Risiko gilt allgemein als gut kontrollierbar. Zu hinterfragen ist aber, ob sich die Ausweitung der Indikationen möglicherweise doch negativ auf die Überlebensraten ausgewirkt hat?
Ganz sicher. Durch die Erweiterung der Indikationen ist man bewusst ins höhere Risiko gegangen. Allerdings sind auch bei Patienten mit höherem Risiko die Erfolgsraten immer noch sehr vielversprechend. Dennoch steigt natürlich mit der Zahl der Implantationen – vor einigen Jahren war von jährlich rund einer Million neuer Implantate in Deutschland die Rede – auch die Zahl der Misserfolge, was dann zunehmend in den Praxen sichtbar wird.
Die in der Studie veröffentlichten Langfristdaten untermauern ja den ursprünglich als selbstverständlich gesetzten Anspruch, dass Implantate den natürlichen Zahn umfassend ersetzen und lebenslang in situ bleiben. Sollten wir das angesichts der guten Daten heute nicht wieder stärker kommunizieren?
Ja, es ist sicher richtig, hier den Maßstab hochzuhalten und den qualitativen Anspruch an die Therapie mit Implantaten zu betonen. Es ist aber vermutlich unvermeidbar, dass eine Therapie, die sich rasant in die Versorgungsrealität ausgebreitet hat, angesichts der vielen neuen Behandler, Techniken und Hardware nicht immer die ursprünglichen Ansprüche einlösen kann.
„Wenn wir unser Wissen mit der Zeit flächendeckend in die Versorgungsrealität bekommen, wird das lebenslang in situ bleibende Implantat der Normalfall werden – da bin ich sehr optimistisch.“
Prof. Dr. Florian Beuer
Aber wir haben in den letzten Dekaden auch viel dazugelernt und technisch aufgerüstet. Digitale Workflows, die OP-Planung und Bohrschablonen haben das Implantieren sicherer und vorhersagbarer gemacht. Und wir wissen heute, wie wichtig die Hygienefähigkeit und daran anknüpfend die Mitarbeit des Patienten für den langfristigen Erfolg der Therapie ist. Wenn wir dieses Wissen mit der Zeit flächendeckend in die Versorgungsrealität bekommen, wird das lebenslang in situ bleibende Implantat der Normalfall werden – da bin ich sehr optimistisch.
Das Gespräch führte Benn Roolf.





