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Wie sich der Dentalmarkt in Großbritannien verändert

Wo 10.000 Zahnärzte für Private-Equity-Gesellschaften bohren

In Großbritannien bahnt sich ein großer Investorwechsel im Dentalmarkt an: Wenn die Behörden zustimmen, übernimmt die Private-Equity-Gesellschaft Bridgepoint Capital für umgerechnet 915 Millionen Euro von Palamon Capital Partner eine Mehrheitsbeteiligung an der IDH Group Limited. Letztere betreibt mit mydentist die größte Zahnarztkette des Landes mit mehr als 500 Praxen. Sie will durch den Deal weiter wachsen.

Während die Beteiligungen von nicht börsennotierten Private-Equity-Gesellschaften (PEG) im britischen Dentalmarkt im Jahr 2023 noch um 3,3 Prozent zurückgingen, beobachtete der Unternehmensmakler Christie & Co. im Folgejahr ein „Wiederaufleben des Interesses an strategischen Akquisitionen“. In der ersten Jahreshälfte 2025 kehrten Unternehmens- und Gruppenkäufer an den Markt zurück, wie aus seinem Report hervorgeht. Viele größere Konzerne hätten ­einen Großteil der Jahre 2023 und 2024 damit verbracht, ihre Portfolios und Betriebsmodelle zu optimieren. Nun würden sie voraussichtlich ihre Akquisitionsstrategien wiederbeleben – allerdings auf eine gezieltere, strategischere Weise.

Gestartet ist die gröẞte Praxiskette Groẞbritanniens mit drei Filialen

Integrated Dental Holdings Ltd. (IDH) wurde 1996 gegründet und betrieb anfangs nur drei Zahnarztpraxen, expandierte dann jedoch schnell. Bereits 1999 wuchs IDH durch Aufkäufe auf mehr als 100 Praxen an. In der Folge schluckte IDH auch die Praxisketten Whitecross Dental und Orthoworld.

Spätestens 2006 beteiligten sich Private-Equity-Gesellschaften an IDH, darunter LGV Capital. 2008 erwarb die Private-Equity-Sparte von ­Merrill Lynch (eine Tochtergesellschaft der Bank of America) die Zahnarztkette und verkaufte sie drei ­Jahre später weiter. Die Käufer waren The Carlyle Group (eine der größten PEG weltweit), Lloyds Development Capital (eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der britischen Lloyds Bank) und Palamon.

Zeitgleich kauften die drei Private-Equity-Gesellschaften noch die Zahnarztkette Associated Dental Practices (mit damals rund 200 ­Praxen) und vereinigten beide zur größten Zahnarztkette im Vereinigten Königreich mit zusammen mehr als 500 Praxen. Im Jahr 2015 führte IDH den Markennamen „mydentist” ein. 2021 übernahm Palamon die Anteile der übrigen ­Private-Equity-Gesellschaften. Vier Jahre später wurde der Deal mit Bridgepoint eingefädelt.

So gehörten im August dieses Jahres den zehn größten Zahnarztketten fast 16 Prozent aller Praxen. Insgesamt ­waren zu diesem Zeitpunkt 18 Prozent aller Praxen Teil ­einer großen Kette mit mehr als 30 Filialen, knapp 17 Prozent Teil einer kleineren Kette mit drei bis 30 Filialen und die übrigen zwei Drittel waren Einzel- oder Doppelpraxen.

Ketten beschäftigten mehr als 10.000 Zahnärzte

Wie viele der aktuell 46.362 in Großbritannien zugelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte für große Dentalketten im Besitz von Private-Equity-Unternehmen arbeiten, ist schwer zu sagen. In verschiedenen offiziellen Mitteilungen des Branchenverbands Association of Dental Groups (ADG) an das britische Parlament ist jedoch davon die Rede, dass allein die 28 Mitgliedsunternehmen des Verbands mehr als 10.000 Zahnärztinnen und Zahnärzte beschäftigen. Das entspräche einem Fünftel der Zahnärzteschaft.

Laut einer Umfrage des General Dental Council von Oktober 2024 sind 20 Prozent der Zahnärzte angestellt. Da es aber mal zu vollständigen, mal zu anteiligen Übernahmen durch PEG kommt, die Praxen auch Teil von Franchise-ähnlichen Modellen seien können und die Behandelnden in PEG-Ketten selbstständig arbeiten, sind die Eigentümerstrukturen ausgesprochen heterogen.

Spanische Zahnärzte sichern die Rente kanadischer Lehrer

Der britische Unternehmensmakler Christie & Co. sieht nicht nur in dem Brigdepoint-Deal ein Indiz für ein verstärktes Engagement von PEG und weitere Konzentrationsprozesse im europäischen Dentalmarkt. Mitte Juli wurde bekannt, dass der große kanadische Pensionsfonds Ontario Teachers’ Pension Plan Board (OTPP) die spanische Zahnarztkette Donte für umgerechnet eine Milliarde Euro von der US-PEG Advent International übernehmen will. Diese betreibt aktuell 426 Kliniken unter­ den vier Marken Vitaldent, Smysecret, Moonz und MAEX und beschäftigt nach eigenen Angaben mehr als 2.200 Zahnärztinnen und Zahnärzte. Laut Christie gibt es aber auch eine deutliche Tendenz, dass Ketten wieder vermehrt Einzelpraxen zukaufen. Besonders nachgefragt seien dabei Praxen mit vielen Behandlungszimmern und einem hohen Anteil an Privatumsätzen.

So auch bei mydentist. Nichtsdestotrotz profitierten Mitarbeitende von konzernähnlichen Strukturen, teilt das ­Unternehmen mit. Es gebe zum Beispiel eine eigene mydentist-Fortbildungsakademie in Manchester. Deren Programm reiche „von webbasiertem Lernen und Krankenschwesterntraining bis hin zu kosmetischer und komplexer Zahnmedizin an Orten im ganzen Land”.

747 Millionen Euro Gewinn – in drei Jahren

Alle Beschäftigten hätten Zugriff auf ein Schulungstool sowie ein Lernmanagementsystem, das für jede Rolle relevante Inhalte biete. Und die Breite dieses Angebots könnte sich durch den Verkauf noch steigern. Im Juli 2025 erklärte Bridgepoint, dass mydentist mit den zusätzlichen Mitteln sein klinisches Team sowie sein Netzwerk weiter ausbauen und in die digitale Transformation investieren werde. So sollen flächendeckend Intraoralscanner und andere Werkzeuge zur Verbesserung der Patientenversorgung eingeführt werden.

Im Zentrum steht aber sicherlich die Rendite. Bridgepoint hat Erfahrungen mit dem strategischen Ausbau einer ­Dentalkette: 2013 kaufte es von der PEG Duke Street Capital für umgerechnet 213 Millionen Euro das Unternehmen Oasis Dental. Innerhalb von nur drei Jahren verdoppelte es durch Zukäufe die Zahl der Praxen auf 380, erschloss den irischen Markt und verdoppelte so auch den Gewinn. 2016 stieß Bridgepoint Oasis Dental dann wieder ab – für umgerechnet mehr als 960 Millionen Euro.

Auch der bisherige Eigner Palamon teilte mit, dass er die Rendite für seine Investoren seit 2021 mit mydentist verdreifacht habe. Palamon hatte die damalige mydentist-Tochtergesellschaft DD Group, Großbritanniens und ­Irlands führenden Anbieter von zahnärztlichen und ästhetischen Medizinprodukten, direkt nach dem Kauf wiederverkauft und den Erlös in die Infrastruktur und das ­Wachstum der Praxiskette investiert.

Im Fokus steht der Privatumsatz

Beide PEG betonen, bei ihrem Deal die zahnmedizinische Versorgung des Nationalen Gesundheitsdienstes NHS im Blick zu haben und das Unternehmenswachstum zu beschleunigen, „um sicherzustellen, dass wir mehr Patienten als je zuvor eine qualitativ hochwertige, erschwingliche Mundpflege bieten können". Angesichts der zuletzt zu beobachtenden Verschiebung hin zu zunehmend privat abgerechneten Leistungen dürfte es ihnen jedoch eher um Profit gehen.

Als Kleinanleger in PEG investieren? Vorsicht!

Die Online-Bank Trade Republic bietet seit Kurzem auch Kleinanlegern die Möglichkeit, in Private-Equity-Fonds zu investieren. Die Stiftung Warentest warnt jedoch, dass die Risiken einer solchen Geldanlage nicht zu unterschätzen sind. Denn was bisher institutionellen Investoren und Anlegerinnen und Anlegern mit sehr großen Vermögen vorbehalten war, wird jetzt über eine spezielle Fondsart möglich. Sogenannte ELTIF (European Long-Term Investment Fund) „investieren per Definition in Projekte und Firmen, in denen das Geld länger gebunden ist”, schreiben die Verbraucherschützer. „Handelsbar sind ELTIF deshalb nur eingeschränkt oder eine Zeit lang gar nicht.“ Viele solcher Fonds hätten langjährige Mindesthaltepflichten oder beschränkten das Volumen, das zurückgegeben werden kann. Die Geldanlageexperten der Stiftung Warentest raten deshalb zur Vorsicht. Zudem seien Investitionen in Private Equity intransparenter und teurer als Investitionen in Aktien-ETFs. Dass die Renditen deutlich höher sind – Trade Republic wirbt mit 12 Prozent pro Jahr – sei „keinesfalls sicher, auch Verluste sind möglich“.

Denn übereinstimmenden Medienberichten zufolge stand bei der strategischen Neuausrichtung unter Palamon die Steigerung der Privatumsätze im Fokus. Dies wurde durch gezielte Neueröffnungen von Praxen mit Schwerpunkt auf Privatbehandlungen erreicht, insbesondere in Regionen mit begrenztem NHS-Zugang. Zudem wurden spezialisierte Angebote für Implantate, Kieferorthopädie und Aligner-Behandlungen eingeführt. Gleichzeitig erweiterte Palamon die Öffnungszeiten, um Patienten auch in Randzeiten bedienen zu können, und führte Online-Terminbuchungen, flexible Finanzierungsoptionen und ein Mitgliedschaftsmodell ein.

Kommt es zu Praxiskäufen in ganz Europa?

Für 12 bis 36 Euro pro Monat können sich Mitglieder ­Kontrollen und PZR, eine bevorzugte Terminauswahl, den Zugang zu Privatleistungen und einen weltweiten Notdienst sowie Rabatte auf Zahnpflegeprodukte sichern. All diese Maßnahmen führten zu steigenden Privatumsätzen: Lag der Anteil am Gesamtumsatz im Geschäftsjahr 2022 noch bei 32 Prozent, kletterte er im Jahr 2023 auf 41 Prozent und im Jahr 2024 auf 47,2 Prozent. Laut der Plattform Businessquarter werde Bridgepoint wohl versuchen, den privaten Umsatzanteil weiter zu erhöhen und die Marktmacht durch weitere Praxiszukäufe in ganz Europa zu vergrößern.

BDA: „Die Interessen der Patienten müssen Priorität haben“

Der durch Private Equity angetriebene Konzentrationsprozess der Dentalketten wird von der British Dental Association (BDA) nicht sonderlich stark kritisiert. Ihr Vorstandsvorsitzender Eddie Crouch mahnt lediglich, mit der Wechselhaftigkeit in der Finanzierung dieser großen Ketten sei es wichtiger denn je, dass die Interessen der Patienten die Priorität der Gesundheitsversorgung bleiben und nicht ein schneller finanzieller Gewinn.“ Und die Jahreskonferenz der Lokalen Zahnärztekomitees hatte im Juni 2025 in einem Antrag formuliert, sie glaube, dass die Interessen von Private-Equity-Providern selten im Einklang mit ihrer Profession stünden. Darum gebe es „eine dringende Notwendigkeit für eine Einschätzung der Risiken ihrer ansteigenden Dominanz“.

Im Sommer wurde der Fonds „Bridgepoint Europe VII“ mit einem Volumen von sieben Milliarden Euro aufgelegt. Mit dem Geld kauft die PEG dann Mehrheitsbeteiligungen an marktführenden europäischen Unternehmen, so wörtlich: „die typischerweise mehr als 300 Millionen Euro wert sind und in wachstumsstarken Nischen in ganz Europa operieren". Der Verkauf von mydentist wird gerade ­abgeschlossen.

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