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Studie prognostiziert Versorgungslücken

Bei diesen Medikamenten sind wir von China abhängig!

Antibiotika, Schmerzmittel, Antidiabetika: Bei einem Konflikt mit China drohen in Deutschland Versorgungslücken ­bei einer Reihe kritischer Medikamente, wie eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zeigt. Clindamycin ist demnach in den Top 5.

Deutschland ist bei vielen wichtigen Medikamenten von Importen aus China abhängig. Das zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die im Auftrag des Branchenverbands Pro ­Generika erstellt wurde. Die Forschenden haben untersucht, welche Folgen ein Ausfall chinesischer Hersteller für unsere Versorgung hätte.

Bei 20 der 56 untersuchten versorgungsrelevanten Wirkstoffe besteht demnach ein „hohes Kapazitätsrisiko“­ – das heißt, mindestens ein Drittel der gesamten Produktionskapazitäten würde bei einem chinesischen Lieferstopp potenziell wegfallen. Käme es so weit, könnten hierzulande jährlich bis zu 42 Millionen Packungseinheiten fehlen, prognostizieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Insgesamt 81 Prozent der gesamten Einfuhrmenge von Vitaminen, 76 Prozent der gesamten eingeführten Antibiotikamenge und 71 Prozent der ­Alkaloide werden laut der Studie aus China bezogen. Besonders groß ist die Abhängigkeit demnach bei ­diesen Schmerzmitteln, Antibiotika und Diabetes-­Medikamenten: 

  • Bei Metamizol, einem der meistverordneten Schmerzmittel in Deutschland, liegen über 80 Prozent der gesamten Produktionskapazitäten in China.

  • Auch bei den Antibiotika Amoxicillin oder Clindamycin, die in Deutschland – auch in der Zahnmedizin – besonders häufig verschrieben werden, ist der Anteil der chinesischen Produzenten hoch.

  • Bei dem weitverbreiteten Antidiabetikum Metformin zeigt sich unsere Abhängigkeit von China weniger bei dem Wirkstoff selbst, sondern bei dem für dessen Herstellung benötigten Vorprodukt Dicyandiamid – 80 Prozent dieses Vorprodukts stammen aus China.

Eine wachsende Rolle spielt China ­danach auch für die Produktion der in Deutschland ansässigen Pharmaindustrie, vor allem als Zulieferer chemischer Vorleistungen: „Ihr Importwert aus China hat sich seit 2010 fast versiebenfacht, auf mittlerweile 352 Millionen Euro“, heißt es in der Studie. „Damit ist das Land nach den Niederlanden der zweitwichtigste Lieferant in diesem Bereich.“

Immer mehr Patente kommen aus China

Dass China seine Rolle im globalen Pharmamarkt auch als Innovationsmotor sieht, zeigt dem Autorenteam zufolge ein Blick auf die Patentanmeldungen im Pharmabereich: „Im Jahr 2000 kam nur eine von 1.000 Patentanmeldungen aus China. 2021 war es schon knapp jede achte – Platz 2 hinter den USA.“ Der Anteil Deutschlands an den Patentanmeldungen der globalen Branche habe sich im gleichen Zeitraum dagegen nahezu halbiert. „In ­einem länger andauernden Konfliktfall mit China wäre unsere Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten aktuell gefährdet“, sagt IW-Studienautorin Jasmina Kirchhoff. Aus ihrer Sicht müssten die eigene Innovationskraft und die eigenen Produktionskapazitäten in Europa gezielt gestärkt sowie die Diversifizierung der Bezugsquellen für Wirkstoffe und Vorprodukte gefördert werden.

Wie die Apotheke der Welt verschwand

Noch in den 1980ern galt Deutschland – neben den USA und Japan – als Apotheke der Welt und Europa global als wichtigster Entwicklungs- und Produktionsstandort für Pharmazeutika. Doch dann begann die chinesische Regierung, gezielt in die Herstellung von Arzneimitteln und ihrer Wirkstoffe zu investieren, zunächst für den eigenen Bedarf. So entstanden große Produktionsanlagen für die Herstellung antibiotischer Erzeugnisse in China, die heute zu den wichtigsten Zulieferern weltweit zählen.

Parallel dazu beförderten auslaufende Patente bei Blockbustern bei gleichzeitig austrocknenden Innovationspipelines, der Übergang von der chemischen hin zur biotechnologischen Wirkstoff- und Arzneimittelproduktion und vor allem wachsende regulatorische Hürden sowie der steigende Kostendruck auf Generika in den westlichen Gesundheitssystemen die Abhängigkeit von Zulieferungen pharmazeutischer Erzeugnisse aus China. Zwar kommen aus China kaum Endprodukte in Form von Fertigarzneimitteln in die Versorgung, aber die Zulieferungen über die pharmazeutischen Wertschöpfungsstufen an Arzneimittelhersteller weltweit führen zu Abhängigkeiten.

Aktuell ist Deutschland besonders bei Fieber-, Schmerz- und Narkosemittel oder ihren Vorprodukten auf China angewiesen. Bereits seit Beginn der 2010er Jahre waren Arzneimittellieferengpässe in der Politik und Öffentlichkeit ein Thema. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen haben sie sich zu einem zentralen Problem in den Gesundheitssystemen Europas entwickelt, dem sich die Europäische Union (EU) zuletzt mit dem Critical Medicines Act in Form von Maßnahmen zur Stärkung der heimischen Arzneimittelproduktion annahm.

Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

„Solange wir kritische Medikamente strikt nach dem günstigsten Preis beschaffen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn am Ende nur chinesische Hersteller übrig bleiben“, bilanziert Kirchhoff.

Die Studie hat das Institut der deutschen Wirtschaft zusammen mit dem European Union Institute for Security Studies, dem Healthcare Supply Chain Institute und der Strategieberatung Sinolytics durchgeführt:

Catarata, Martin / Francas, David / Kirchhoff, Jasmina / Rühlig, Tim / Raison, Fearghal, 2025, Strategische Abhängigkeiten bei wichtigen Arzneimitteln von China. Wie verletzlich ist Europa?, Gutachten im Auftrag von Pro Generika e. V., Köln

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