Lipom des Mundbodens – eine seltene Entität
Eine 59-jährige Patientin stellte sich mit einer seit etwa einem Jahr progredient zunehmenden, schmerzlosen Schwellung im Bereich des anterioren Mundbodens in unserer mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen Praxis vor. Sie war vom behandelnden Zahnarzt zur weiteren Abklärung und Therapie überwiesen worden. Allgemeinanamnestisch ergaben sich keine relevanten Vorerkrankungen.
Klinisch zeigte sich eine weiche, gut verschiebliche, nicht druckdolente Raumforderung ventral der Ausführungsgänge der Glandulae sublinguales (Abbildung 1). Die überliegende Schleimhaut war unauffällig, ohne Ulzerationen oder Farbveränderungen. Es bestanden keine Hinweise auf eine Speicheldrüsenfunktionsstörung oder eine Einschränkung der Zungenbeweglichkeit. Palpatorisch ließ sich die Läsion klar gegenüber der umgebenden Muskulatur abgrenzen.
Es erfolgte keine weitere Diagnostik, da die Läsion gut abgrenzbar und palpabel war. Weiterhin konnte keinerlei Gefäßinjektion oder Hinweis auf einen gefäßreichen Tumor gefunden werden. Aufgrund des klinischen Erscheinungsbildes erhärtete sich der Verdacht auf ein Lipom. Nach entsprechender Aufklärung wurde die Raumforderung in Lokalanästhesie vollständig entfernt.
Die Schnittführung erfolgte in mesio-lateraler Richtung über das punctum maximum des Tumors. Wir entfernten den Fetttumor mittels stumpfer Präparation mit der Schleimhautpräparierschere (Abbildung 2). Der Tumor zeigte sich mit einer Größe von circa 13 mm x 10 mm (Abbildung 3). Die Wunde ließ sich problemlos adaptieren und mit einer resorbierbaren Naht (4-0) versorgen. Die postoperative Situation nach einer Woche war vollkommen reizlos (Abbildung 4). Die Patientin gab keinerlei Schmerzen oder Beschwerden an.
Diskussion
Lipome gehören zu den häufigsten benignen mesenchymalen Tumoren und bestehen aus reifem, differenziertem Fettgewebe. Innerhalb der Mundhöhle treten sie jedoch vergleichsweise selten auf und machen weniger als fünf Prozent aller benignen oralen Neoplasien aus [Raj et al., 2014]. Die bevorzugten Lokalisationen sind die Wangenmukosa sowie die Lippen und die Zunge, während der Mundboden nur in Ausnahmefällen betroffen ist.
Klinisch manifestieren sich intraorale Lipome meist als langsam wachsende, weiche, schmerzlose Raumforderungen, die aufgrund ihrer Seltenheit und unspezifischen Symptomatik häufig mit anderen Läsionen (wie Ranulae, oder Speichelsteinen) verwechselt werden [Gibson et al., 2021]. Die ätiopathogenetischen Mechanismen sind bislang nicht vollständig geklärt, diskutiert werden sowohl traumatische als auch metaplastische Prozesse.
Lipome im Bereich des anterioren Mundbodens stellen eine ausgesprochen seltene Entität dar – der vordere Mundboden ist dabei eine besonders ungewöhnliche Manifestationsstelle. Die genaue Ätiologie bleibt unklar; diskutiert werden lokale Traumata, chronische Irritationen sowie metaplastische Prozesse des Fettgewebes [De Vasconcellos et al., 2022].
Klinisch können Lipome des Mundbodens zunächst unspezifisch imponieren. Die wichtigsten Differenzialdiagnosen umfassen Ranula, Aphthen, Speichelsteine (Sialolithiasis) sowie – insbesondere bei ulzerierten oder indurierten Läsionen – ein Plattenepithelkarzinom. Eine sorgfältige klinische Untersuchung, ergänzt durch bildgebende Verfahren (zum Beispiel Sonografie oder MRT), ist daher meist indiziert, um die weiche, meist verschiebliche Konsistenz des Lipoms von anderen Läsionen abzugrenzen.
Die definitive Diagnose erfolgt histopathologisch nach Exzision. Im vorliegenden Fall konnte auf eine zusätzliche Bildgebung verzichtet werden. Der Tumor lag eindeutig vor dem Drüsenausführungsgang, war sehr gut verschieblich und konnte palpatorisch vom Mundboden abgegrenzt werden. Die histopathologische Untersuchung zeigte ein Lipom.
Obwohl Lipome in der Regel benigne verlaufen, sind in seltenen Fällen maligne Entartungen zu Liposarkomen beschrieben worden. Daher stets ist eine vollständige chirurgische Entfernung mit histologischer Sicherung indiziert.
Fazit für die Praxis
Lipome des anterioren Mundbodens sind selten, sollten jedoch in der Differenzialdiagnose submuköser Raumforderungen berücksichtigt werden.
Eine vollständige Exzision ist sowohl diagnostisch als auch therapeutisch erforderlich.
Besonders bei funktionellen Einschränkungen oder prothetischen Problemen sollte frühzeitig eine Resektion erwogen werden.
Funktionell kann ein Lipom im anterioren Mundboden erhebliche Probleme bei der Phonation verursachen, insbesondere durch eine Einschränkung der Zungenbeweglichkeit [McDonald & Cunning, 2023]. Bei zahnlosen Patientinnen und Patienten kann die Raumforderung zudem die Prothesenlagerung im Unterkiefer erheblich behindern und zu Druckstellen oder zur Instabilität der Prothese führen. Die operative Entfernung führt in der Regel zu einer raschen funktionellen Besserung und zu guten ästhetischen Resultaten.
Literaturliste
De Vasconcellos, Mariana Dell Isola et al. Lipoma of the floor of the mouth: a case report. Oral Surgery, Oral Medicine, Oral Pathology and Oral Radiology, 2022, Volume 134, Issue 3, e178.
Gibson K, Swaid MB, Metz C. Large Lipoma of the Mouth Floor. Cureus. 2021 Oct 1;13(10):e18420.
McDonald MG, Cunning DM. Large Sublingual Lipoma: A Case Report. Ear Nose Throat J. 2023 Nov 16:1455613231212058.
Raj AA, Shetty PM, Yadav SK. Lipoma of the floor of the mouth: report of an unusually large lesion. J Maxillofac Oral Surg. 2014 Sep;13(3):328-31. doi: 10.1007/s12663-011-0204-2. Epub 2011 Apr 7.








