Geistlich: Der Praktiker im Fokus

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Industrie
Mitte September luden Geistlich Biomaterials und die Osteology Foundation zum 5. Nationalen Symposium Osteology nach Baden-Baden. Unter dem Motto „Wissenschaftlich basierte Behandlungskonzepte für die Praxis“ konnten sich Praktiker und Kliniker in Hands-on-Workshops und Vorträgen über das Hart- und Weichgebwebsmanagement sowie Knochenersatzmaterialien austauschen.

Obwohl im Einzugsgebiet des Kongresses am gleichen Wochenende das Oktoberfest in München begann und die Sommerferien dort gerade erst zu Ende gingen, fanden mehr als 300 Interessierte den Weg in den kleinsten Stadtkreis Baden-Württembergs, um sich am Freitag im Kongress- und am Samstag im Kurhaus über die aktuellsten Studien und Therapieoptionen der Implantologie und PA-Chirurgie zu informieren.

„Wir haben das Programm mehr auf Praktiker fokussiert, daher gibt es dieses Jahr zahlreiche Workshops und das Praktikerforum“, sagte Dr. Thomas Braun, Geschäftsführer der Geistlich Biomaterials GmbH Deutschland im Gespräch mit DENTAL MAGAZIN online am Kongressfreitag.

Therapie und Prävention der Mukositis und Periimplantitis

Prof. Dr. Jürgen Becker aus Düsseldorf diskutierte in seinem Workshop am Freitagnachmittag Optionen der Therapie und Prävention der Mukositis und Periimplantitis. „Die Periimplantitis ist heutzutage in der Zahnmedizin die Nummer eins der verhandelten Fälle vor Gericht“, sagte Becker. Darum müsse sich die Deutsche Gesellschaft für Implantologie (DGI) selbstverständlich mit diesem Thema befassen. Als grundsätzliche Faustregel hielt Becker fest: „Wenn es an einem Implantat blutet, muss man etwas tun.“ Becker zeigte den Kursteilnehmern die Implantatplastik, an einem Kunststoffkiefer wurde die Biofilmentfernung geübt. Als aktuelle Alternative zeigte Becker das Arbeiten mit Titanbürsten, das die Implantatplastik teilweise abgelöst habe. „Die Titanbürstchen sind allerdings aus Reintitan und sehr weich, daher biegen die Bürsten sich schnell um“, sagte Becker.

Seinen Weg „aus parodontalen Niederungen zu ästhetischen Höhen“ beschrieb Dr. Gerd Körner (Bielefeld). Bei einer Ausgangssituation mit einer aggressiven Parodontitis müsse man zunächst die Grundsatzentscheidung treffen, ob eine Regeneration oder das Setzen von Implantaten sinnvoll sei, um eine Metamorphose der aktuellen Situation zu vollziehen. „Man darf in diesem Prozess nicht ad hoc handeln, sondern muss sich eine Road Map zurecht legen“, sagte Körner. Das mikrochirurgische Handling der Gewebe sei essenziell für das Gesamtergebnis. „Es ist erstaunlich, was Regeneration kann“, sagte Körner. Auf lange Sicht seien bei einer guten Therapie 96 Prozent kompromittierter Zähne erhaltbar – bei einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren entspreche dies ungefähr der Haltbarkeit von Implantaten. Körner sprach sich dafür aus, alles für die Zahnerhaltung zu tun, aber trotzdem beiden Seiten gerecht zu werden: Wenn eine Implantation unumgänglich sei, müsse der Zahnarzt das Implantat behandeln, als sei es ein natürlicher Zahn und die Gewebeintegration dessen erreichen. „Respektieren Sie die Natur – dann gelingen Ihnen Dinge, die Sie gar nicht für möglich gehalten hätten“, resümierte Körner.

Kein evidezbasiertes Therapieschema

Der Schnittestelle zwischen der Parodontologie und der Implantologie, der Periimplantitis, widmeten Dr. Christian Hammächer und PD Dr. Jamal M. Stein (beide Aachen) ihren Vortrag. Als Definition der Periimplantitis nannten die Referenten die Infizierung von mindestens drei Gewindegängen des Implantats bzw. eine infizierte Länge von 1,8 Millimetern. Es sei das Therapieziel, den Biofilm von der Titanoberfläche zu entfernen. Die Arbeit mit nicht-chirurgischen Maßnahmen wie Küretten, Schall- und Ultraschallinstrumenten sei frustrierend, da nicht effektiv. Bei komplettem Verlust der Osseointegration sei die Explantation die einzige Option, bei einer Mukositis (ST > 3mm, kein Knochenverlust) helfe die mechanische Reinigung und die Desinfektion, bei einer leichten Periimplantitis (ST > 5 mm und Knochenverlust < 2 mm) die mechanische Reinigung, Desinfektion sowie lokale oder systemische Antibiotika-Gabe und bei einer fortgeschrittenen Periimplantitis (ST > 6 mm und Knochenverlust > 2 mm) sei ein chirurgischer Zugang, die mechanische Reinigung, Desinfektion und systemische oder lokale Antibiotika-Gabe angezeigt. „Dies sind alles Handlungsempfehlungen, ein evidenzbasiertes Therapieschema gibt es bisher nicht“, betonte Hammächer.

Welche elementaren Regeln man beachten muss, um beim Setzen von Implantaten keine Überraschungen zu erleben, fasste Dr. Raoul Rendchen (Düsseldorf) zusammen. Er zeigte einige Fallbeispiele, bei denen Implantate in irrationalen Kieferregionen gesetzt wurden bzw. so nah beieinander, dass die Prothetik nicht mehr nebeneinander passte. „Man muss die Abstände beachten: zwischen den Implantaten, zwischen Implantaten und den gesunden Zähnen und auch die Schmelzzementgrenze muss berücksichtigt werden“, sagte Rendchen. Bei Missachtung der Abstände sei die Konsequenz die bereits beschriebene Problematik beim Einpassen der Prothetiken sowie die Sichtbarkeit der Implantatschulter zwischen Gingiva und Zahn. „Im schlimmsten Fall wird eine Explantation notwendig, was wiederum Knochenverlust und einen aufwendigen neuen Knochenaufbau nach sich zieht“, erklärte Rendchen. Der Düsseldorfer Zahnarzt empfahl eine umsichtige Planung mit einer entsprechenden Software, 3D-Plastiken und Bohrschablonen in schwierigen Situationen. „Halten Sie den Ball flach und übertreiben Sie es nicht mit der Anzahl an Implantaten, dann wird Ihnen eine adäquate Versorgung gelingen“, empfahl Rendchen.

Autologe Blöcke aus verschiedenen Spendearealen

Am Samstag diskutierte Prof. Dr. Katja Nelson (Freiburg), welche autologen Blöcke aus verschiedenen Entnahmeregionen in welchen Situationen verwendet werden können. Dabei seien die Richtung und die Menge der Augmentation zu beachten. „Bei kleinen Defektgrößen und horizontaler Augmentation kann man fast jedes Material benutzen, bei großem Defekt und vertikaler Ausrichtung ist allogenes Material die richtige Wahl“, erklärte Nelson. Die Transplantatkompetenz eines autologen Blocks sei abhängig von dessen Herkunft. Bei Experimenten mit Knochenblöcken aus der Fibula habe sich ergeben, dass diese überhaupt nicht resorbieren. „Wir haben eine sehr hohe Erfolgsrate verzeichnet, diese Option ist allerdings in der Klinik nicht anwendbar“, sagte Nelson. Da eine mittlere bis hohe Morbidität vorliege, sei man zurückgegangen zum Beckenkamm. Material vom oberen Rand der Beckenschaufel weise eine sehr geringe Morbidität auf. „Zudem handelt es sich um kortikalen, hoch potenten Knochen mit einer optimalen Formgebung“, nannte Nelson die Vorteile des Materials. „Mit kortikalem Material und einer Resorptionsprophylaxe ist der Beckenkamm das tollste Material, das Sie verwenden können.“ Das Knochenersatzmaterial müsse die Schwächen des jeweiligen Knochenmaterials ausgleichen, bei der Einschätzung der Situation sowie der Umsetzung sei auch die Erfahrung des Chirurgen essenziell.

Im Abschlussplenum „Grenzüberschreitende“ Augmentation stellte Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas (Mainz) die „Mainzer“ Risikoanalyse vor. Als Risikopatienten, bei denen eine Implantattherapie gründlich überdacht werden müsse, identifizierte Al-Nawas verschiedene Risikostufen in den Bereichen Blutgerinnung, Bestrahlung, Immunstörung und Knochenphysiologie. „Bei einer doppelten Koagulation sollte man größere Augmentationen vermeiden und gegebenenfalls mit durchmesserreduzierten Implantaten arbeiten“, sagte Al-Nawas. Ein besonders hohes Risiko bestehe bei Patienten mit frischem Stent, einer Bestrahlung die weniger als zwölf Monate her ist, medikamentöser Immunsuppression sowie bei Patienten, die Bisphosphonate oder Antiresorptiva bei Metastasen einnehmen. „Hier muss man extrem vorsichtig sein und abwägen, ob eine Augmentation tatsächlich die richtige Variante ist“, sagte Al-Nawas.

Schlüssel zum Erfolg: Compliance, gute Mundhygiene, perfekte Vorbehandlung

Prof. Dr. Dr. Torsten E. Reichert (Regensburg) betonte ebenfalls, dass die Risikoeinschätzung des Behandlers entscheidend sei. „Bei einer Strahlentherapie ist die Gewebebelastung sehr hoch“, sagte Reichert. Längere Einheilungszeiten müssten beachtet werden. Die Anamnese sei essenziell, alle Faktoren müssten erfasst und berücksichtigt werden, zudem empfahl Reichert die Unterteilung der Behandlung in wenige risikoreiche Einzelschritte.

Dass auch die Patientenauswahl sowie die richtige und lückenlose Aufklärung der Patienten von enormer Bedeutung ist, hielt PD Dr. Michael Stimmelmayr (Cham) fest. „50 Prozent des Erfolges bei der PA-Chirurgie macht aus, dass der Patienten aufpasst und auch nach der OP alles richtig macht“, sagte Stimmelmayr. Die Compliance in Verbindung mit einer guten Mundhygiene und eine perfekte Vorbehandlung seien die Schlüssel einer erfolgreichen Therapie.

Das International Osteology Symposium 2016 findet vom 21. Bis 23. April kommenden Jahres in Monaco statt. Alle Informationen unterhttp://www.osteology-monaco.org _blank external-link-new-window.

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