Neuorganisation der UPD

Ab jetzt unter der Regie der Krankenkassen

pr
Bei der Neuausrichtung der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) hat sich der GKV-Spitzenverband vom Bundesgesundheitsministerium Durchgriffsrechte zugesichert. Die Patientenorganisationen fühlen sich düpiert.

Der GKV-Spitzenverband hat seine Blockade in Sachen UPD aufgegeben. Der Verband werde sich nun doch an der Errichtung der UPD-Stiftung beteiligen, beschloss gestern der Verwaltungsrat des Verbandes.

Zum Hintergrund

Das UPD-Gesetz sieht vor dass für die künftige UPD eine Stiftung errichtet wird. Da dafür keine Steuer­mittel zur Verfügung standen, soll der GKV-Spitzenverband die Arbeit dieser Stiftung finanzieren, was bei den Kassen zu großem Protest und am Ende zur Blockade des Gesetzes führte: Ende Juni entschied der Verwaltungsrat, die Arbeit an der Satzung zu boykottieren.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte keine Handhabe, den GKV-Spitzenverband zu zwin­gen, dem Willen des Gesetzgebers zu folgen. Um die Blockade aufzulösen, machte das BMG den Krankenkassen weitgehende Zugeständnisse, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtete, dem die Sitzungsunter­lagen des GKV-Verwaltungsrates vorliegen.

Vorangegangen waren "konstruktive Gesprächen" mit dem Ministerium, auf dren Basis "eine Neubewertung des Sachverhalts zur Errichtung der UPD-Stiftung" erfolgt sei, erklärte der GKV-Spitzenverband: "Hierbei konnten offene Fragen geklärt und zu den wesentlichen Kritikpunkten eine übereinstimmende Sichtweise gefunden werden. Im Ergebnis besteht nun ein gemeinsames Grundverständnis zur Umsetzung des vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetzes zur Unabhängigen Patientenberatung (UPD)." Dies gelte insbesondere für die Punkte Qualität und Evidenz des Beratungsauftrags.

So solle der Zweck der Stiftung in der Satzung auf die Leistungen des Leistungskatalogs nach dem SGB V und die gesetzlich Versicherten konkretisiert werden. Außerdem habe das BMG eine Unterstützung in Finanzfragen zugesagt. Des Weiteren wollten das BMG und der GKV-Spitzenverband frühzeitig eine eigene Evaluation durchführen, um die Stiftungstätigkeit stets am Bedarf auszurichten, heißt es weiter. Einen entsprechenden Brief des BMG haben demnach die parlamentarische Staatssekretärin Sabine Dittmar (SPD) sowie der be­amtete Staatssekretär Thomas Steffen unterzeichnet. Denzufolge soll sich der künftige Arbeitsschwerpunkt der Stiftung vor allem gesetzlich Krankenversicherte beziehen.

Wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet, sicherte das BMG den Kassen schriftlich weitreichende Befugnisse zu, die diese in die Satzung schreiben können, wie etwa Widerspruchsrechte bei den künftigen Haushaltsberatungen, Einfluss auf die Be­setzung der künftigen Geschäftsführung sowie die Beratungsthemen, die sich künftig auf das Sozialgesetzbuch V und GKV-Versicherte beziehen sollen. Die Pflegeberatung würde dann etwa nicht mehr zum Beratungsumfang gehören.

Mitte Juni hatte der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes beschlossen, sich vorerst nicht an der Satzung zur Errichtung der UPD-Stiftung zu beteiligen. Er verwies dabei auf seine schon früh geäußerte Kritik, hierbei weder auf die inhaltliche Ausrichtung noch auf haushalterische Entscheidungen Einfluss nehmen zu können. Eine Finanzierung aus Beitragsmitteln sei daher nicht angebracht. Nach wie vor sei die beste Lösung eine Finanzierung aus Steuermitteln. Im UPD-Gesetz ist vorgesehen, dass der GKV-Spitzenverband die UPD-Arbeit finanziert.

"Fest in den Händen der gesetzlichen Krankenkassen"

Auch die maßgeblichen Patientenorganisationen – die BAG Selbsthilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, der Sozialverband Deutschland (SoVD), die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen, die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland, der Sozialverband VdK Deutschland und die Verbraucherzentrale Bundesverband – erklärten in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie nicht an einer UPD mitwirken werden, die so vollständig unter der Regie des GKV-Spitzenverbandes stehe: "Damit liefert Minister Lauterbach die Unabhängige Patientenberatung Deutschland vollständig den Krankenkassen aus. Ausgerechnet der Teil der Selbstverwaltung, der seit mehr als 15 Jahren am häufigsten Anlass zur Kritik der Patient:innen bietet, soll nun das absolute Sagen haben", heißt es darin.

Wie SoVD ausführt, wäre die UPD nach diesen Plänen fest in den Händen der gesetzlichen Krankenkassen und die Patientenorganisationen würden gesetzeswidrig übergangen. Demnach dürfe der Spitzenverband zukünftig die Finanzen, den Vorstand, die Themen und Zielgruppen der Beratung, die Qualifikation der Berater und die wissenschaftliche Begleitung der UPD bestimmen. Dies sei beschlossen worden, ohne die maßgeblichen Patientenorganisationen zu konsultieren. Dabei sei nach dem Willen des Gesetzgebers eine intensive Beteiligung der Patientenorganisationen an der Neuaufstellung vorgesehen.

Die jetzt getroffenen Zusagen des BMG an die gesetzlichen Krankenkassen bedeuten aus Sicht des SoVD ein bisher ungeahntes Maß an Einflussnahme, so dass von Unabhängigkeit endgültig nicht mehr die Rede sein könne. Auseinandersetzungen der Ratsuchenden mit ihren Krankenkassen bildeten schließlich einen Hauptberatungsanteil der UPD. Damit wäre eine Rote Linie überschritten.

"Eine Rote Linie ist überschritten!"

Harsche Kritik kommt auch von Stefan Schwartze, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten: „Die Einigung mit dem GKV-Spitzenverband gefährdet die Unabhängigkeit der UPD. Unter diesen Voraussetzungen habe ich große Zweifel, ob so die beste Beratung für die Patientinnen und Patienten erreicht werden kann. Außerdem sehe ich die Gefahr, dass die Patientenorganisationen unter diesen Umständen nicht mehr an der Stiftung mitwirken werden. Dies widerspricht dem ausdrücklichen Willen des Parlaments.“

Erst vor Kurzem hatten die Mitarbeitenden der UPD vor dem BMG protestiert, um auf die drohenden Konsequenzen bei einem möglichen Bruch des Beratungsangebots hingewiesen. Die UPD habe schon im Gesetzgebungsprozess auf die Problematik einer Finanzierung der geplanten Stiftung aus GKV-Mitteln hingewiesen. Eine Finanzierung aus GKV-Mitteln könne den Anschein einer fehlenden Unabhängigkeit der Stiftung von den Krankenkassen erwecken.

Die UPD-Stiftung soll 2024 ihre Arbeit aufnehmen und wird mit 15 Millionen Euro von den gesetzlichen Kassen finanziert. Für die private Krankenversicherung ist nur eine freiwillige Beteiligung vorgesehen.

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