Weltweit 72,3 Prozent aller OPs abgesagt oder verschoben

Ärzte befürchten Anstieg von Krebs-Neudiagnosen

silv/pm
Millionen von OPs wurden in den vergangenen Wochen aufgrund der Pandemie aufgeschoben, darunter viele Krebsoperationen. Ärzte befürchten nun einen Anstieg der Neudiagnosen im Sommer und Herbst.

Es ist eine Tendenz zu beobachten, dass die Zahl der in frühen Stadien diagnostizierten Tumore wie Darm- oder Brustkrebs zurückgeht. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. (DGHO) hin. „Bisher liegen noch keine vollständigen Auswertungen zur Anzahl von KrebspatientInnen in Kliniken und Praxen vor. Bei diesen Krankheitsbildern wie Darm- oder Brustkrebs wird die Erstdiagnose häufig im Rahmen der Früherkennung gestellt. Diese Screening-Untersuchungen haben nicht stattgefunden, entsprechend ist mit einer Welle von Neudiagnosen im Sommer und Herbst dieses Jahres zu rechnen“, so die DGHO in einer Pressemitteilung.

Krebspatienten haben kein erhöhtes Ansteckungsrisiko 

Prof. Dr. med. Hermann Einsele, Vorsitzender der DGHO und Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums Würzburg erklärt: „Wir sehen Leukämie- oder Myelompatientinnen und -patienten mit Komplikationen, die wir in den letzten Jahren eher nicht gesehen haben. Wir sehen auch Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenen soliden Tumoren, die in den letzten beiden Monaten nicht zur Frühdiagnostik oder zu Verlaufskontrollen vorstellig wurden. Dabei zeigen die bisher verfügbaren Daten bei onkologischen Patientinnen und Patienten kein erhöhtes Ansteckungsrisiko.“ 

Prof. Dr. med. Wolfgang Knauf, Vorsitzender des Berufsverbands der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO) sagt, dass sich auch die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen in ihren Praxen auf das neue Infektionsgeschehen eingestellt haben. „In den Zeiten von COVID-19 halten wir weiterhin alle Diagnostik- und Therapiekonzepte vor. An manchen Stellen haben wir aber unsere Strukturen und Abläufe angepasst. So kann – wenn medizinisch vertretbar – in bestimmten Fällen eine telefonische oder telemedizinische Besprechung anstatt der physischen Einbestellung einer Patientin oder eines Patienten sinnvoll sein. Klar ist: Trotz dieser Anpassung gewährleisten wir selbstverständlich alle notwendigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und können unsere Patientinnen und Patienten zu jeder Zeit entsprechend betreuen und behandeln.“

Studie: Weltweit 28.404.603 Operationen in zwölf Wochen abgesagt...

Eine neue Studie von Wissenschaftlern einer Abteilung des National Institute for Health Research (NIHR) der Universität Birmingham liefert Zahlen zu der Problematik. Die Studie wurde im British Journal of Surgery veröffentlicht . Die Wissenschaftler wollten herausfinden, wie viele operative Eingriffe bislang wegen der COVID-19-Pandemie aufgeschoben wurden. Es ist die erste Arbeit der „CovidSurg Collaborative“-Gruppe, einem internationalen Zusammenschluss von mehr als 5.000 Chirurgen aus mehr als 120 Ländern. Ausgewertet wurden Daten von 359 Kliniken aus 71 Ländern, die Ergebnisse wurden anschließend für 190 Länder hochgerechnet. Zugrunde gelegt wurde ein Zeitraum von zwölf Wochen.

...37,7 Prozent davon waren Krebs-OPs

Insgesamt wurden danach 28.404.603 Operationen abgesagt oder verschoben, das entsprach innerhalb des zwölfwöchigen Untersuchungszeitraums einer weltweiten Absagequote von 72,3 Prozent. 37,7 Prozent der abgesagten oder verschobenen OPs waren Krebs-OPs.

Eine weitere Erkenntnis der Studie: Je ärmer das Land, desto mehr Krebsoperationen wurden in den vergangenen Wochen aufgeschoben. So wurden in Norwegen ähnlich wie in Deutschland rund 23 Prozent der Krebs-OPs verschoben, in Brasilien waren es dagegen 44 Prozent, in Vietnam 56 Prozent und im Sudan 72 Prozent.

CovidSurg Collaborative, Dmitri Nepogodiev, Aneel Bhangu, "Elective surgery cancellations due to the COVID‐19 pandemic: global predictive modelling to inform surgical recovery plans", First published: 12 May 2020,veröffentlichtveröffentlicht

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