Ärzte sollten "Dr. Google" empfehlen
Wenn Patienten "Dr. Google" um Rat fragen, geht es keineswegs nur um rationale Bedürfnisse. Das belegt laut der Bertelsmann-Stiftung eine Studie, die das Marktforschungsinstitut Rheingold im Auftrag der Stiftung durchgeführt hat. Ergänzt wurde die qualitative Studie zu der Frage, wie Patienten nach Informationen im Netz suchen und diese nutzen, durch eine repräsentative Bevölkerungsbefragung von Kantar Emnid: Sie offenbart im Ergebnis eine große Zufriedenheit der Patienten mit den Antworten aus dem Netz.
Die Interviews zeigen, dass die Motive für die Online-Suche sind sehr vielfältig sind. Patienten gehen demnach ins Internet, um ärztliche Empfehlungen zu überprüfen, sich über Behandlungsalternativen zu informieren, sich mit anderen auszutauschen und emotionale Unterstützung zu erhalten. Die Recherche gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit, Beruhigung oder auch Zerstreuung.
Neben Fakten geht es um emotionale Unterstützung
Obwohl die Suchmotive äußerst verschieden sind, sind die Patienten laut Studie mit den Treffern: sehr zufrieden: Insgesamt 52 Prozent der Befragten sind "immer zufrieden" oder "meistens zufrieden", 44 Prozent sind "teils, teils zufrieden", und nur zwei Prozent "selten zufrieden". Niemand ist mit den eigenen Suchergebnissen "immer unzufrieden".
"Anders als vielfach behauptet, ist das Internet ein geschätzter Ratgeber. Patienten finden, wonach sie suchen", erklärt Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. "Dr. Google" sei einfach zu kontaktieren, immer und überall erreichbar, habe unbegrenzt Zeit und biete Expertenwissen für Laien.
Zitiert wird auch die Universität Frankfurt am Main, die 2017 für das Magazin Ökotest zu dem Ergebnis kam, dass Patienten in vielen reichweitenstarken Portalen Informationen von solider bis sehr guter Qualität vorfinden. Dabei sei unbestritten, dass Patienten bei ihrer Suche auch auf Fehlinformationen treffen und unseriösen Websites vertrauen. "Um Patienten vor gezielten Falschinformationen zu schützen, muss im Sinne einer Marktwächterfunktion konsequent dagegen vorgegangen werden", forderte Mohn. "Bislang gibt es dafür wenig Konzepte und Verantwortlichkeiten. Die Entwicklung erfolgversprechender Strategien ist daher eine Aufgabe, die dringend angegangen werden muss."
Das Internet zählt demzufolge nach Gesprächen mit Ärzten und Angehörigen oder Freunden zu den drei am häufigsten herangezogenen Informationsquellen in Gesundheitsfragen. Gut 60 Prozent der Ärzte gehen aus Sicht der Patienten bereits auf die selbst recherchierten Informationen ein.
Bislang verweisen allerdings nur 40 Prozent der Ärzte auf gute Informationsquellen und nur ein Fünftel ermutigt ihre Patienten, sich selbst zu informieren. 14 Prozent raten sogar davon ab.
"In den Praxen wird das Potenzial von Dr. Google häufig noch verschenkt. Patienten sollten offen über selbst gefundene Informationen sprechen, Ärzte und Therapeuten verlässliche Websites oder Apps empfehlen können", rät Marion Grote-Westrick, Gesundheitsexpertin der Bertelsmann Stiftung.
Dr. Google berät mit
Aktuell verschweigen laut Studie 30 Prozent der Patienten ihrem Arzt die Recherche im Internet.
Um die Potenziale von Gesundheitsinformationen im Netz besser für gute Behandlungsergebnisse zu nutzen, empfehlen die Studienautoren:
Alle Akteure im Gesundheitssystem sollten die Vielfalt von Gesundheitsinformationen anerkennen, weil sie die unterschiedlichen Bedürfnisse der Patienten abbildet. Außerdem sollten elektronischen Patientenakten künftig als Plattform in Betracht gezogen werden, um Gesundheitsinformationen für Patienten bereitzustellen.
Ärzte sollten Patienten bestärken, sich selbst zu informieren. Sie sollten außerdem gute Infoquellen kennen und empfehlen, um Praxisbesuche und Krankenhausaufenthalte gezielt vor- oder nachzubereiten.
Patienten sollten offen mit ihrem Arzt über eigene Rechercheergebnisse sprechen.
Für die qualitative Studie der Bertelsmann-Stiftung haben Psychologen des Rheingold-Instituts 36 Tiefeninterviews geführt. Die Studie wird ergänzt durch eine repräsentative Bevölkerungsbefragung und einen Literaturüberblick über die Nutzung und Verbreitung von Gesundheitsinformationen. Die Untersuchungen entstanden im Rahmen des neuen Projekts "Patient mit Wirkung", mit dem das Konzept der gemeinsamen Entscheidungsfindung von Arzt und Patient im Versorgungsalltag integriert werden soll.