Resilienz de luxe

Bakterien können Desinfektionsmittel fressen

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Medizin
Bakterien in Mikrobiomen können je nach Umgebung erstaunliche Anpassungsleistungen vollbringen. Eine multinationale Arbeitsgruppe hat in Hongkong Bakterien gefunden, die Desinfektionsmittel verstoffwechseln.

Wenn natürlich vorkommende Bakterien in Umgebungen kommen, die stark vom Menschen beeinflusst sind, wie beispielsweise städtische und dicht besiedelte Areale, müssen sie sich an die dort herrschenden Bedingungen anpassen, um zu überleben. Unter diesem Anpassungsdruck entwickeln sich ganz neue genetische Varianten der Mikroorganismen mit neuen, genetisch angelegten metabolischen Fähigkeiten. Eine multinationale Arbeitsgruppe von Wissenschaftlern hat im südchinesischen Hongkong Proben „urbaner“ Mikrobiome gesammelt und dabei neue Bakterienstämme mit erstaunlichen, im Genom angelegten Fähigkeiten entdeckt.

Unter anderem stießen die Wissenschaftler auf „vielseitige Mikroben wie Candidatus Xenobia-Stämme, die begrenzte Ressourcen wie anthropogene Restbestandteile auf Oberflächen als Nährstoffe und Kohlenstoffe zum Überleben“ nutzen können. Das Genom eines Eremiobacterota-Stammes ist etwa in der Lage, Ammoniumionen aus Reinigungsprodukten zu verstoffwechseln. Der Stamm besitzt auch Gene für Alkohol- und Aldehyddehydrogenasen, mit dem Alkohole aus Rückständen von Desinfektionsmitteln als Energiequelle und Nahrung genutzt werden können.

Metagenomanalysen zeigen bakterielle Potenziale

Ziel der von den Wissenschaftlern durchgeführten Studie war es, die funktionellen Potenziale der durch ein urbanes Umfeld veränderten mikrobiellen Lebensgemeinschaften zu erforschen. Dazu sammelten die Forscher insgesamt 738 Proben aus U-Bahn-Stationen (Luftproben und Oberflächenproben von Fahrkartenautomaten), aus Wohnungen (Türklinken, Betten, von den Bewohnern) und öffentlichen Einrichtungen (unter anderem von Handläufen und Fußböden) ein. Aus den Proben wurde die Genome extrahiert und sequenziert. Dabei wurde nicht das Genom einzelner Bakterien, sondern das Metagenom der Probe analysiert.

Vielfalt und Zusammensetzung der Mikrobiome wurden vorwiegend durch die Probenart geprägt, wobei Micrococcus luteus und Cutibacterium acnes vorherrschend waren. Die Stoffwechselfunktionen der Metagenome variierten erheblich, sogar auf Stammebene. Die neuen Stämme der Klasse Xenobia besaßen Gene für den Transport von Nitrat und Nitrit als Stickstoffquellen und zur Linderung von nitrosativem Stress, der durch Stickoxid während der Denitrifikation induziert wird. Zwei neue Patescibacteria-Stämme besaßen beide eine breite Palette an Genen für den Transport von Aminosäuren und Spurenelementen, während einer von ihnen Gene für die Biosynthese von Carotinoiden und Ubichinon trug.

Insgesamt zeigte die umfangreiche Studie eine Vielzahl interessanter Anpassungen urbaner Mikrobiome an ihre für das Überleben teils sehr herausfordernden Umgebungen. Die Mikroben sind in der Lage, unterschiedliche biotische und abiotische Bedingungen zu tolerieren und ihnen entgegenzuwirken.

Gesundheitsgefahren

Prinzipiell sind die veränderten mikrobiellen Fähigkeiten nicht zwangsläufig mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Gefährdungen bestehen erst dann, wenn die „urbanen“ Mikrobiome auch Antibiotikaresistenzen entwickeln und sich insbesondere in Krankenhäusern verbreiten.

Die Studie ist im Fachjournal Microbiome erschienen und ohne Bezahlschranke lesbar.

Tong, X., Luo, D., Leung, MHY et al. Vielfältige und spezialisierte Stoffwechselfähigkeiten von Mikroben in oligotrophen gebauten Umgebungen. Microbiome 12 , 198 (2024). https://doi.org/10.1186/s40168-024-01926-6

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