Bei missbrauchsanfälliger Praxiskonstruktion ist Vorsicht geboten
Laut Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen können auch vom Betrag her kleinere nachweisbare Verstöße Anlass geben, das Honorar wegen „Formenmissbrauchs“ auf den Gruppendurchschnitt zu kürzen.
Der Zahnarzt im Streitfall führt zwei Praxen. Für einen Sitz ist die Beschäftigung eines angestellten Zahnarztes genehmigt, für beide jeweils halbtags die eines Vorbereitungsassistenten. Es stellte sich heraus, dass der angestellte Zahnarzt an beiden Standorten tätig war, zudem gab es Doppelabrechnungen und einzelne Abrechnungsfehler. So habe der Anteil der konservierend-chirurgischen Mehrfachbehandlungen für die Abrechnungsnummer N01 im Quartal 1/2019 6,70 Prozent gegenüber einer durchschnittlichen Mehrfachbehandlungsquote aller Praxisgemeinschaften von lediglich 3,85 Prozent betragen.
Die KZV warf dem Zahnarzt vor, er habe „die ihm genehmigte Tätigkeitsform missbraucht“. Sie kürzte daher das Honorar um gut 10.000 Euro auf den Gruppendurchschnitt. Der Zahnarzt klagte und beantragte zudem einstweiligen Rechtsschutz. Das LSG wies nun zunächst den Eilantrag ab und stellte fest, dass die Honorarkürzung wegen des festgestellten „Formenmissbrauchs“ voraussichtlich rechtmäßig war.
Gewählte Rechtsform muss den Gegebenheiten entsprechen
Danach liegt ein Gestaltungsmissbrauch „immer dann vor, wenn die formal gewählte Rechtsform nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht“. Hier habe der Zahnarzt selbst eingeräumt, dass der angestellte Kollege an beiden Standorten tätig ist. Zudem ergebe sich aus seinen eigenen Angaben, dass er „sehenden Auges keine Vorkehrungen getroffen hat, Mehrfachbehandlungen selbst oder jedenfalls deren Abrechnung zu verhindern“. Dazu sei er aber verpflichtet. Hierzu habe die KZV dargelegt, „dass sich die durch die genehmigte Gestaltungsform eröffnete Möglichkeit zu missbräuchlicher Abrechnung auch realisiert hat“.
Hierzu müssten im Hauptverfahren zwar noch abschließende und ergänzende Feststellungen getroffen werden. Dennoch bestünden „keine überwiegenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides“, heißt es in dem LSG-Beschluss.
Auch hinsichtlich des Umfangs der Kürzung auf den Fachgruppendurchschnitt bestünden „keine durchgreifenden Bedenken“. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berechtige „schon ein einziger Fall des mindestens grob fahrlässigen Falschansatzes einer nicht erbrachten Leistung“ zu einer umfassenden Richtigstellung und Schätzung des Honorars.
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Az.: L 11 KA 9/21 B ER
Beschluss vom 12.01.2024
(schriftlich veröffentlicht erst am 14.08.2024)