Bessere Bezahlung lockt Ärzte nicht aufs Land
Deutschland verfüge im internationalen Vergleich zufolge über viele ambulant tätige Ärzte. Doch ihre regionale Verteilung entspreche vor allem bei hausarztnahen Fachärzten nach wie vor nicht dem Versorgungsbedarf der Menschen - eine wesentliche Verbesserung sei nicht in Sicht. Das zeigt die IGES-Studie, in der Experten eine erste Bewertung der seit 2013 geltenden neuen Bedarfsplanung der Arztsitze vorgenommen haben.
Zu viele oder zu wenig Ärzte in Deutschland?
Ziel der Studie war nicht, zu untersuchen, ob es zu viele oder zu wenig Ärzte in Deutschland gibt. Vielmehr wurde überprüft, ob die regionale Verteilung der Arztsitze beziehungsweise die Ärztedichte angemessen ist. Dafür einwickelten die IGES-Experten einen Bedarfsindex, der stärker als in der bisherigen Bedarfsplanung das Krankheitsrisiko der Menschen widerspiegelt.
Einbezogen wurden morbiditätsbezogene Faktoren wie Sterblichkeit oder Pflegebedarf, aber auch sozioökonomische Faktoren wie Einkommen oder Arbeitslosigkeit. Die damit ermittelte regionale Verteilung des medizinischen Versorgungsbedarfs verglichen sie anschließend mit der aktuellen sowie der nach der Bedarfsplanung vorgesehenen Arztverteilung. Dabei gingen die IGES-Wissenschaftler von der derzeitigen sowie der geplanten Gesamtzahl niedergelassener Ärzte aus.
Neue Bedarfsplanung: noch am Versorgungsbedarf vorbei
Vor allem Unterschiede zwischen Land und Stadt und zwischen neuen und alten Bundesländern blieben unter der neuen Planung bestehen oder verschärften sich, wie die Analyse im Auftrag des Faktenchecks Gesundheit der Bertelsmann Stiftung zeigt. So sei auch nach der neuen Planung weiterhin jeder dritte Kinderarzt in einer Großstadt tätig, obwohl dort nur jedes vierte Kind lebt. Ganz ähnlich verhalte es sich mit der geplanten Verteilung der Frauen- und Augenärzte.
Im Wesentlichen drei Ursachen sehen die IGES-Autoren dafür. Zum einen würden das Krankheitsrisiko der Menschen sowie sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit oder die Einkommenssituation bei der Planung zu wenig berücksichtigt. Zum anderen sei die neue Bedarfsplanung teilweise zu grobmaschig. Die Planungsbereiche, denen Arztsitze zugeteilt werden, seien für hausarztnahe Fachärzte weiterhin relativ großräumig angelegt, was einer gleichmäßigeren Verteilung in der Fläche entgegenwirke.
Regionale Ungleichheiten werden fortgeschrieben
Und schließlich werde die Zahl der Einwohner pro Arzt weiterhin nach Regionstypen wie Land oder Stadt unterschieden: "Regionale Ungleichheiten werden daher fortgeschrieben. Anders bei den Hausärzten: Hier gibt es inzwischen eine bundeseinheitliche Verhältniszahl".
Dadurch und aufgrund von verkleinerten Planungsbereichen werde nur für Hausärzte eine bessere Bedarfsorientierung erreicht. Entspricht derzeit die Hausärztedichte bei weniger als einem Fünftel der Planungsregionen (18,7 Prozent) dem relativen Versorgungsbedarf der Bewohner, werde das nach der neuen Planung zumindest bei fast der Hälfte der Regionen der Fall sein (46,4 Prozent).
Bedarfsplanung zeigt Handlungsbedarf auf
Dies setze jedoch voraus, dass junge Mediziner die geplanten Arztsitze tatsächlich besetzen: "Die Bedarfsplanung zeigt hier lediglich den Handlungsbedarf auf", schreiben die Studienautoren. "Sie ist daher durch Instrumente zu flankieren, mit denen die Planvorgaben auch umgesetzt werden können."
Beispielsweise lägen die Umsätze von Hausärzten in Sachsen-Anhalt um 14 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, die von Fachärzten sogar um 20 Prozent, zitiert die "Rheinische Post" (Montag) aus der Studie. Dennoch herrsche dort Unterversorgung.
Honorar ist nicht das einzige Kriterium
In Berlin zeige sich ein umgekehrtes Bild: Der Umsatz von Hausärzten liege um 11 Prozent unter dem Bundesschnitt, der von Fachärzten sogar um 26 Prozent. Dennoch gelte die Hauptstadt als überversorgt. "Dies zeigt, dass Vergütungsanreize nicht ausreichen, um das Problem der mangelnden Niederlassungsbereitschaft in ländlichen und strukturschwachen Regionen zu beheben", heißt es dem Bericht zufolge in dem Gutachten.