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"Brüssel mischt immer mit"

mg/ck
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Welche Bedeutung haben die Kammern heute und morgen für den Berufsstand - gerade vor dem Hintergrund, dass die EU zunehmend versucht, regulierend einzuwirken? BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel benennt die Herausforderungen.

Welche Bedeutung haben die Kammern heute für den Berufsstand - insbesondere im Hinblick auf die Freiberuflichkeit?

Dr. Peter Engel: Die Zahnärztekammern haben die Aufgabe, unter den Bedingungen sich wandelnder Strukturen innerhalb der Zahnärzteschaft für eine gemeinsame Wertebasis zu sorgen. Diese muss Grundlage einerseits des fachlichen Zusammenhalts, andererseits eines hohen Qualitätsniveaus sein. Konkret bedeutet das, das Selbstbild des Berufsstandes aktiv zu gestalten und eine einheitliche Auffassung von der Profession zu vermitteln. Die Identifikation des einzelnen Zahnarztes mit dem Gesamtbild des Berufsstandes dient auch der positiven Wahrnehmung in unserer Gesellschaft.

Die Freiberuflichkeit in der Zahnmedizin ist die Basis einer transparenten, wohnortnahen und qualitativ hochwertigen Patientenversorgung. Dass unser Gesundheitssystem weltweit einen derart guten Ruf hat, liegt nicht zuletzt an den Versorgungsstrukturen. Die in besonderem Maße durch die Freiberuflichkeit geprägt sind.

Eine zentrale Aufgabe der Kammern ist die Qualitätsförderung. Qualitätsförderung innerhalb der Zahnärzteschaft bedeutet, effektiv und effizient Qualität in der Berufsausübung sowie in der Fort- und Weiterbildung zu sichern. Die Halbwertzeit von Wissen wird immer kürzer. Gerade hier müssen die Kammern Vorreiter bei der Zukunftsplanung sein, indem sie alle Möglichkeiten nutzen, eine von ökonomischen Interessen unabhängige Vermittlung neuesten Wissens für ihre Mitglieder zu organisieren.

Hat sich das Aufgabenspektrum der Kammern erweitert?

Natürlich. Das Leitbild der Kammer funktioniert nicht ohne zeitgemäße Strukturen. Deshalb bedarf es regelmäßiger Updates: Wir müssen effizienter, schneller, moderner werden. Wir dürfen uns nicht auf den Errungenschaften der Freiberuflichkeit ausruhen, sondern müssen unseren Beruf auch weiterhin attraktiv für Berufseinsteiger gestalten.

Das bedeutet auch, dass wir lernen müssen, noch mehr auf gesellschaftliche Trends einzugehen. Ein hervorstechendes Beispiel hier ist das Streben der heutigen jungen Generation nach einer besseren Work-Life-Balance das heißt, nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Auch wenn einigen diese Entwicklung irgendwie unerklärlich und unverständlich erscheint.

Die Fragen stellten Marius Giessmann und Claudia Kluckhuhn.

Wir haben zu anderen Zeiten anders agiert, andere Schwerpunkte gesetzt. Wir müssen aber anerkennen, dass dieser Trend hin zu familiärer Zuwendung auch positive gesellschaftliche Auswirkungen hat. Hier liegt es an den Standesvertretungen, unserem zahnmedizinischen Nachwuchs, den jungen Freiberuflern, attraktive Möglichkeiten der Berufsausübung auch in Selbstständigkeit aufzuzeigen.

Welche Gefahren drohen aus Europa?

Mit seiner Transparenzinitiative will Brüssel die Berufszugangsregeln gerade für regulierte Berufe überprüfen. Unter dem Deckmantel von Deregulierung und Liberalisierung wird staatlich-europäischer Regelwut Vorschub geleistet. Die Europäische Union opfert so die hochwertige Qualität zahnärztlicher Leistungen in Deutschland den vorgeblichen Zielen Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsangleichung und Liberalisierung.

So geraten Qualitätsstandards und Freiberuflichkeit unter Druck. Der Grund: In anderen EU-Mitgliedstaaten werden diese Berufe häufig als normale Unternehmer betrachtet. Die Kategorie Freiberufler ist oft unbekannt. In der Folge sind die Diskussionen um eine Gewerbesteuerfreiheit der europäischen Ebene fremd.

Auch vor der Verkammerung Freier Berufe macht die Kritik nicht halt. Wenn wir hier nicht aktiv und frühzeitig Hand in Hand mit der Politik agieren, könnte die uns vertraute Freiberuflichkeit mittelfristig Geschichte sein. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zu den Freien Berufen und für den Erhalt ihrer Selbstverwaltung. Das ist für den zahnärztlichen Berufsstand auf nationaler wie auch europäischer Ebene elementar.

Daher haben die europäischen Freien Berufe auf Initiative der Bundeszahnärztekammer im Vorfeld der Europawahl 2014 den europäischen Gesetzgeber zur Verabschiedung einer europäischen Charta der Freien Berufe aufgefordert. Darin haben die Freien Berufe erklärt, dass sie auch in Europa mitreden, mitgestalten und mitverantworten wollen, zum Wohle der Gemeinschaft, im Sinne des Gemeinwohl.

Als ob das aber noch nicht als Eingriff in unseren Beruf reicht, mischt Brüssel auch beim Thema Amalgam mit. Die Bestrebungen, die Nutzung von Amalgam als Füllungsmaterial aus Gründen des Umweltschutzes zu reduzieren oder gar zu verbieten, sind nach wie vor akut. In ihrem gesundheits- und binnenmarktpolitischen Positionspapier hat die BZÄK zu diesen und weiteren Themen wie der Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie ebenfalls im Vorfeld der Europawahl klar Stellung bezogen.

Die Fragen stellten Marius Giessmann und Claudia Kluckhuhn.

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