Bundessozialgericht Kassel

BSG legt schriftliches Urteil zu Pool(zahn)ärzten vor

Martin Wortmann
Praxis
Zu seinem Poolzahnarzt-Urteil vom Oktober 2023 hat das Bundessozialgericht (BSG) nun auch die schriftlichen Entscheidungsgründe vorgelegt. Darin konkretisieren die Kasseler Richter ihre bei der mündlichen Verkündigung vorgetragenen Argumente.

Deutlicher und ausführlicher weisen sie die Auffassung zurück, der Notdienst sei als „Ausfluss der allgemeinen Berufspflichten von Ärzten“ schon fast automatisch eine selbstständige Tätigkeit. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte angekündigt, er wolle erst nach Vorlage der schriftlichen Gründe weiter über mögliche Konsequenzen des Urteils beraten.

Der klagende Zahnarzt hatte 2017 seine Praxis verkauft und ist seitdem nicht mehr zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. 2018 und 2019 beteiligte er sich aber noch am von der KZV Baden-Württemberg organisierten Notdienst im Notdienstzentrum Heidelberg. Die Räume wurden durch die KZV angemietet und durch diese auch mit Geräten, Material und Personal ausgestattet. Dabei gab der Zahnarzt seine Bereitschaft zu bestimmten Schichten an, die KZV wies ihm dann einen Teil davon nach eigenem Ermessen zu. Die Vergütung lag je nach Schicht zwischen 34 und 50 Euro je Stunde.

Infolge eines Streits um bestimmte Behandlungen kam es zum Zerwürfnis, und der Zahnarzt wurde nicht mehr zu Notdiensten herangezogen. Seine Klage auf eine Festanstellung blieb vor den Arbeitsgerichten ohne Erfolg.

Das BSG betonte nun, dass der Begriff der sozialrechtlichen „Beschäftigung“ weiter gefasst sei. Ein arbeitsrechtliches Verhältnis sei daher nicht zwingende Voraussetzung für eine sozialrechtliche „Beschäftigung“. Ausschlaggebend sei hier, dass der Zahnarzt „in prägender Weise“ in die von der KZV gestellte Notdienst-Praxis „eingegliedert war, ohne hierauf nachhaltig unternehmerisch Einfluss nehmen zu können“. Neben dem Risiko, nicht mehr beschäftigt zu werden, habe er kein unternehmerisches Risiko getragen.

Deutlich wiesen die Kasseler Richter die Auffassung zurück, die Notdienste seien „Ausfluss der allgemeinen Berufspflichten von Ärzten, gerade auch und in erster Linie von selbstständig tätigen Ärzten“ und müssten daher ebenfalls als selbstständige Tätigkeit gelten. Dies beziehe sich auf niedergelassene Ärzte und Zahnärzte, die Notdienste in ihrer eigenen Praxis anbieten. „Ein solches Modell ist hier nicht zu beurteilen“, heißt es dazu in den schriftlichen Urteilsgründen. Generell schließe die Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht aus.

Die teils erhofften Hinweise, wie Notdienste ohne Sozialversicherungspflicht organisiert werden können, bleiben auch in den schriftlichen Urteilsgründen spärlich. So ließ das BSG es ausdrücklich offen, ob und unter welchen Voraussetzungen Notdienste in der eigenen Praxis von der Sozialversicherungspflicht befreit wären. Dabei wird aber deutlich, dass auch dann ein fester Stundenlohn insbesondere in Verbindung mit einer Abrechnung durch die KZV eher für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung spricht.

Bundessozialgericht
Az.: B 12 R 9/21 R
Urteil vom 24. Oktober 2023 (schriftlich veröffentlicht 5. Februar 2024)

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.