Bundesrat plädiert für Widerspruchslösung
So steht es in der am Freitag angenommenen Entschließung des Bundesrats zur „Einführung einer Widerspruchslösung als Grundlage für die Zulässigkeit der Organentnahme im Transplantationsgesetz (TPG)“. Für die Entnahme wäre dann nicht mehr die Zustimmung des Betroffenen oder die eines näheren Angehörigen beziehungsweise eines Bevollmächtigten erforderlich. Denn jede Person gelte dann grundsätzlich als Spender, solang sie dem zu Lebzeiten nicht widersprochen hat oder dies nicht ein enger Angehöriger nach deren Tod macht.
Mit der Bundesratsinitiative wird die Bundesregierung aufgefordert, sich erneut mit Einführung einer Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz zu befassen. Die bisherige Regelung habe sich in der Praxis nicht bewährt, heißt es als Begründung darin. Denn trotz umfangreicher Informationskampagnen zeigten Umfragen, dass nur rund ein Drittel der deutschen Bevölkerung eine selbstbestimmte Entscheidung zur Organspende getroffen und in einem Ausweis festgehalten habe. In der Praxis ist bei weniger als 20 Prozent der potenziellen Spender deren Wille schriftlich dokumentiert.
Warteliste deutlich länger als mögliche Spendenliste
Ein erster Anlauf zur Widerspruchslösung war 2020 im Bundestag gescheitert. Beschlossen wurde damals eine moderatere Regelung, die vorsieht, dass Organspenden nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt bleiben. Eine intensivere Aufklärung sollte mehr Bürger dazu bewegen, über eine Spende nach dem Tod zu entscheiden. „In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle müssen die Angehörigen entscheiden, die häufig in der akuten Situation des Todes (...) eines nahen Angehörigen mit der Entscheidungslast überfordert sind und dann ablehnend oder gar nicht entscheiden“, legt nun noch einmal die Bundesrat-Entschließung dar. Zur Verdeutlichung des Problems verweist der Bundesrat noch einmal darauf, dass im Januar 2023 insgesamt 8.505 Patientinnen und Patienten auf der aktiven Warteliste standen. 2022 seien allerdings nur 2.662 Organe gespendet worden.
Die Bundesärztekammer (BÄK) unterstützt den vom Bundesrat beschlossenen Antrag zur Einführung einer Widerspruchslösung bei der Organspende. „Die Widerspruchslösung kann viele Menschenleben retten. Sie kann helfen, die große Lücke zwischen der hohen grundsätzlichen Spendebereitschaft in der Bevölkerung und den tatsächlichen niedrigen Spenderzahlen zu verringern. Gleichzeitig wird mit der Widerspruchslösung die individuelle Entscheidungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger über die Organspende respektiert“, sagte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Dafür sei es unbedingt erforderlich, dass Informationen zum Thema Organspende, zur Möglichkeit und auch zum Verfahren des Widerspruchs allgemein verständlich und niedrigschwellig zur Verfügung stehen.
Viele Nachbarländer nutzen die Widerspruchslösung
Die BÄK erinnert erneut, dass die Zahl der Organspender trotz langjähriger Aufklärungs- und Informationskampagnen auf vergleichsweise niedrigem Niveau stagniert. Oft könnten Spenden nicht realisiert werden, weil keine Willensäußerung des möglichen Spenders vorläge oder Angehörige eine Spende ablehnten, da der Willen des möglichen Spenders nicht bekannt ist. Die Ärzteschaft hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach für die Einführung einer Widerspruchslösung stark gemacht. Sie ist in vielen Ländern bereits implementiert, so etwa in Frankreich, Irland, Italien, Österreich und Spanien.