Diskussionsrunde der DG PARO

Das bringt die neue Parodontitistherapie

mth/pm
Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie e.V. (DG PARO) hat Gesundheitspolitiker, Wissenschaftler, Krankenkassenvertreter eingeladen, um eine neue internationale Klassifikation parodontaler Erkrankungen zu erörtern. Mit diskutiert haben auch der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Martin Hendges, und der Leiter des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ), Prof. Dr. A. Rainer Jordan.

Im Fokus standen Zahlen und Prognosen, die zentralen Eckpunkte der neuen Klassifikation und ökonomische Aspekte der Volkskrankheit Parodontitis. Insgesamt stimmte die Runde überein, dass frühzeitige Aufklärung und umfassende Präventionsarbeit der Schlüssel zu einem gesunden Mund sind.

Die Therapie muss in die GKV

Prof. Dr. Christof Dörfer, Präsident der DG PARO, betonte in seinem Eröffnungsvortrag, dass Parodontitis als komplexe Erkrankung in strukturierte und personalisierte Therapien überführt werden muss.

Die neue Klassifikation parodontaler Erkrankungen biete ein adäquates Fundament für die notwendige Differenzierung, sie sollte jedoch durch weitere Faktoren jenseits therapeutischer Maßnahmen ergänzt werden - etwa durch eine umfangreichere und gezieltere Forschungsförderung, aber auch eine stärkere Verankerung parodontologischer Inhalte in der studentischen Ausbildung. Gelegenheit dazu biete die neue Approbationsordnung für Zahnärzte. Anreize für eine frühzeitige und konsequente Parodontaltherapie könne man mit der Aufnahme der gesamten Therapiestrecke in den GKV-Leistungskatalog setzen.

Ein Blick nach Japan

"Warum haben manche Menschen mehr Parodontitis als andere?", fragte Prof. Dr. Thomas Kocher zu Beginn seines Vortrags und zeigte auf: Sozioökonomische Faktoren, Rauchen oder Diabetes sind wesentliche Risikofaktoren für Zahnfleischerkrankungen. Anhand mehrerer Langzeitstudien wies der Parodontologe der Universitätsmedizin Greifswald nach, wie sich die Mund- und Zahngesundheit in Deutschland, aber auch

international, in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat.

Der Trend - eindeutig: Deutschland wird mundgesünder, gerade bei Karies gab es insgesamt massive Verbesserungen, betonte Kocher. Allerdings finde speziell bei der Parodontitis eine deutliche Verschiebung hin zu älteren Bevölkerungsgruppen statt. Abschließend empfahl Kocher einen Blick nach Japan: Dort wurde trotz einer stark alternden Gesellschaft binnen relativ kurzer Zeit eine enorme Verbesserung bei der Behandlung der Parodontitis und somit beim Erhalt der eigenen Zähne bis ins hohe Alter erreicht.

Ab Sommer gibt es Schulungen für die Zahnärzteschaft

Anhand mehrerer Praxisfälle zeigte Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen vom Universitätsklinikum Bonn auf, wie die neue Klassifikation eine viel differenziertere Diagnose und damit auch personalisiertere Behandlungen ermöglicht. Die Parodontitis wird nach der neuen Systematik in einer Matrix anhand der beiden Faktoren "Staging" (Stadium) und "Grading" (Grad) individuell charakterisiert. Das Stadium zwischen 1 und 4 bezeichnet dabei den Schweregrad und das Ausmaß der Erkrankung sowie die Komplexität der Therapie. Die Grade von A bis C geben Aufschluss über die Progression der Erkrankung sowie weitere Risiken.

Um die wegweisende Neuerung nun auch in die Praxis zu tragen, gibt es Jepsen zufolge ab Sommer 2019 Schulungen für die Zahnärzteschaft. Ab Herbst werden Vertreter der DG PARO mit weiteren europäischen Experten evidenzbasierte Muster-Therapieleitlinien entwickeln, ausgerichtet an der neuen Klassifikation zur "personalisierten Parodontologie", die dann als Vorlagen für nationale Leitlinien genutzt werden könnten.

Gesundheitsförderung kostet – Ignoranz allerdings noch mehr

Wie der Ökonom und Zahnmediziner Prof. Dr. Dr. Stefan Listl erläuterte liegen europaweit die Behandlungskosten für Erkrankungen der Zähne auf Platz 3, noch vor Atemwegserkrankungen oder Krebs. Hinzu kommen mit der Volkskrankheit verbundene Produktivitätsverluste, etwa durch Ausfallzeiten bei der Arbeit, sowie weitere mögliche Einschränkungen der Patienten, beispielsweise bei der Teilhabe am sozialen Leben.

Bei der Frage "Welche Versorgung ist ihr Geld wert?" müsse man daher Interventionen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Zahnarztpraxis zu berücksichtigen. Im Bereich der Zahnarztpraxis sei etwa die individuelle Parodontal-Therapie kostengünstiger als der Zahnersatz. Sein Motto: "If you think education is expensive, try ignorance".

Auch Christine Aschenberg-Dugnus, Mitglied des Bundestags für die FDP, wies in ihrem Statement auf die herausragende Bedeutung der Prävention hin. Da die Auswirkungen der Parodontitis in der Bevölkerung nach wie vor zu wenig bekannt seien, kämen der Vorsorge, dem ärztlichen Aufklärungsgespräch wie auch der Motivation der Patienten besondere Bedeutung zu. 

Der Abgeordnete Dietrich Monstadt (CDU) bewertete die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland als gut, wies aber gleichzeitig auf aus seiner Sicht notwendige Verbesserungen hin. So fehle ihm bei der Debatte um Zuckerkonsum eine klare Positionierung der Zahnärzteschaft. 

Prävention ist das A und O

Das Thema Prävention stand auch im Fokus der abschließenden Diskussionsrunde. BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich betonte die Bedeutung individueller Strategien zur Verhaltensveränderung, um die Patienten mit den richtigen Botschaften auch wirklich erreichen zu können. Jenseits von bevölkerungsweiten Kampagnen sah er dabei auch die Zahnärzteschaft selbst in der Pflicht, entsprechende pädagogische und psychologische Ansätze in die Aus- und Fortbildung der Profession zu integrieren.

Der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Martin Hendges attestierte der Zahnheilkunde die Weltmeisterschaft in der Präventionsarbeit, wodurch der Wert der Vorsorge fest im Bewusstsein der Patienten verankert worden sei. Im Bereich der Therapie müsse die systematische Behandlung von Parodontopathien an die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden. Aktuell sei man im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit Unterstützung der Wissenschaft auf einem sehr guten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

Zwei Drittel glauben, heftiges Schrubben hilft

IDZ-Leiter Prof. Dr. A. Rainer Jordan gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass laut einer aktuellen IDZ-Befragung rund zwei Drittel der Bevölkerung glauben, Parodontitis lasse sich durch besonders heftiges Schrubben der Kauflächen verhindern – ein weiteres klares Argument für frühzeitige und umfassende Aufklärungs- und Präventionsarbeit zu Zahnfleischerkrankungen.

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