Bundeshauptversammlung des Virchowbundes

„Der Arztberuf ist bedroht wie nie!“

pr
Der Virchowbund hat die Gesundheitspolitik als „destruktiv“ kritisiert. Praxisangebote sollten an neue politische und wirtschaftliche Realitäten angepasst werden, so der Verband auf seiner Hauptversammlung.

Der Virchowbund hat alle Praxen dazu aufgefordert, ihr Leistungsangebot an die neuen politischen und wirtschaftlichen Realitäten anzupassen. „Angesichts des wirtschaftlichen Drucks, der chronischen Unterfinanzierung des ambulanten Bereiches und des Fachkräftemangels stehen die Praxisärzte vor einer Zeitenwende. Unbegrenzte Leistungen bei budgetierten Mitteln kann es nicht weiter geben“, stellte ihr Bundesvorsitzender Dr. Dirk Heinrich fest.

Für die Patienten bedeute dies nichts Gutes: „Es wird Leistungskürzungen und Wartezeiten geben. Wir wollen dies nicht, aber die Politik von Gesundheitsminister Lauterbach zwingt uns dazu“, sagte Heinrich.

In einem Leitantrag heißt es: „Da auf Seite der Politik derzeit von keiner der Parteien Unterstützung zu erwarten ist, muss die niedergelassene Ärzteschaft sich selbst helfen.“ Gemeint ist damit nicht nur die 4-Tage-Woche in den Arztpraxen, die der Verband zu Jahresbeginn ins Spiel gebracht hatte. Der Verband will seine Mitglieder auch dabei unterstützen, Organisation und Leistungsangebot angesichts fehlender Mittel anzugleichen. Weiterhin soll der Einsatz von Telemedizin, Videosprechstunden und Angeboten sinnvoller Digitalisierung ausgebaut werden. Ebenfalls ausgebaut werden sollen Privateinnahmen und Selbstzahlerleistungen. Der Virchowbund fordert die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen zudem auf, ihre Honorarverteilungsmaßstäbe flächendeckend dem Budget anzupassen.

Die GOÄ wird weiter blockiert

Die längst überfällige GOÄ-Reform werde von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach weiter abgelehnt. Dazu spürten die Praxen den Fachkräftemangel und die Auswirkungen der insuffizienten Digitalisierungsstrategie. Die Folge sei ein Anstieg an vorzeitigen Praxisabgaben, Verkäufen an Praxisketten und Investoren sowie eine innere Emigration aus dem Beruf. Die Konsequenz: "Der Arztberuf, insbesondere der in freier Praxis, ist bedroht wie nie!“

Der Staat höhle die Selbstverwaltung aus, Niedergelassene gingen vorzeitig in den Ruhestand, der Nachwuchs entscheide sich gegen eine Niederlassung, sagte Heinrich. Außerdem würden Kliniken immer mehr ambulante Aufgaben übernehmen und Versorgungslücken durch „para-medizinische Angebote“ wie Gesundheitskioske, oder Primärversorgungszentren gestopft. Hinzu komme eine mangelnde Wertschätzung. Praxen würden bei der Krankenhausreform vergessen oder – wie bei der Telematik-Infrastruktur – sanktioniert. Für Heinrich zeigt sich eine „hidden agenda“ des Bundesgesundheitsministers hin zu einer Staatsmedizin. Praxen müssten reagieren, erklärte Heinrich und verwies auf die bundesweiten Protestaktionen „Praxis in Not“, die weitergeführt würden.

Grundlegende Herausforderungen der Krankenhausreform und der ambulanten Versorgung benannte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Dazu gehöre die Demografie, die Digitalisierung und die Deglobalisierung. Die ambulante Versorgung sei ein „Blinder Fleck“ in der Gesundheitspolitik. Doch ohne eine starke ambulante Versorgung gebe es keine erfolgreiche Krankenhausreform. Problematisch aus seiner Sicht sei auch die Abschaffung der Neupatientenregelung, die Entbudgetierung lasse auf sich warten, ebenso wie eine wirksame Unterstützung der Praxen.

Auch Reinhardt betonte: „Wir brauchen keine neuen Schnittstellen und Parallelstrukturen wie Kioske, Lotsen oder Community Health Nurses nach aktuellen politischen Vorgaben!" Stattdessen sei eine sinnvolle Weiterentwicklung der interprofessionellen und sektorenübergreifenden Zusammenarbeit erforderlich. Was Kapitalinvestoren in der ambulanten Versorgung betrifft, forderte Reinhardt, Fehlentwicklungen zu korrigieren, Transparenz herzustellen und die ärztliche Entscheidungsfreiheit zu sichern.

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