"Die Beißkraft der Kiefer war enorm!"
Tristan wurde 2012 in Montana in den USA gefunden. Das Skelett gilt unter internationalen Experten als einmaliger Fund. Was ist das Besondere?
Dr. Oliver Hampe:Von besonderem Wert ist die Vollständigkeit des Fundes, insbesondere des Schädels, der nahezu komplett erhalten ist. Es fehlen hier nur drei Knochen. Insgesamt sind etwa 60 Prozent des Skeletts erhalten, es fehlen vor allem Teile der Wirbelsäule, die kurzen Vorderextremitäten und die Füße.
Tristans Skelett und seine Zähne sind schwarz. Warum?
Das liegt an dem Sediment, in dem das Skelett eingebettet wurde, das einen hohen Eisengehalt aufweist.
Welche krankhaften Veränderungen zeigt Tristans Skelett denn im Kieferbereich?
Tristan zeigt Schwellungen am linken Unterkiefer, die auf Infektionen oder einen Tumor hindeuten. Der rechte Oberkiefer weist dagegen Zahnanomalien auf, also Veränderungen an Zahnkronen und Wurzeln.
Ist er womöglich daran gestorben?
Das ist spekulativ. Möglich wäre es, wenn zum Beispiel im Falle einer Infektion die verursachenden Mikroben, Viren oder Bakterien über den gesamten Organismus verteilt worden wären. Aber wir können ja leider für unsere Diagnosen nur die lokalen Knochenveränderungen beschreiben und analysieren, und keine Körperflüssigkeiten untersuchen, wie bei lebenden Tieren.
Was verrät das Skelett über Tristans Leben? Wie alt ist er? Wie lang? Wie hoch? Wie lang ist der längste Zahn?
Am Skelett sind Knorpelverknöcherungen und Neogelenke zu finden. Zudem sind Verknöcherungen oberhalb der Augenregion zu erkennen, die sich erst in spätem Wachstumsstadium bilden. Alle diese Hinweise lassen auf ein höheres Alter schließen. Auf einigen Rippen sind Verdickungen zu sehen, die als Anzeichen von verheilten Knochenbrüchen zu deuten sind. Diese Verletzungen hat Tristan zumindest überlebt. Insgesamt hat das Skelett eine Länge von etwa 12 Metern - in normaler Körperhaltung bei langsamer Fortbewegung schwebte der Kopf in etwa 3,5 bis 4 Metern Höhe. Die Zähne erreichen mehr als 15 cm Länge.
Mit welchem Tiergebiss kann man Tristans Gebiss am ehesten vergleichen, was Anatomie, Physiologie und Schärfe der Zähne betrifft?
Mit der Schärfe können noch die Makrelenhaie, zu denen auch der Große Weiße Hai zählt, konkurrieren. Das liegt an den gezähnten, rasiermesserscharfen Seitenschneiden der Zähne, über die auch die Haie verfügen. Ansonsten finden wir diese Art von Zähnen natürlich auch bei anderen, dem Tyrannosaurus verwandten Raubsauriern. Die Beißkraft der Kiefer bei Tyrannosaurus war enorm und gilt als die höchste, die jemals für ein Landraubtier errechnet wurde. Jeder seiner Zähne wurde mit einem Druck von fünf Tonnen in die Beute getrieben. Zum Vergleich: ein Tiger schafft 1.500 Newton, ein Mensch gerade mal 1.000.
Ist Tristan das einzige T-Rex-Fossil oder wurde auch eine „Isolde“ entdeckt?
Es gibt selbstverständlich bereits eine ganze Reihe von T.rex-Funden. Grundsätzlich ist die Art schon sehr gut bekannt. Schwierigkeiten bereitet der Wissenschaft jedoch die Geschlechterzuordnung. Sie ist anatomisch am Skelett dieser Gruppe von Dinosauriern nicht eindeutig überprüfbar.
Die Fragen stellte Daniela Goldscheck.
Seit Dezember 2015 ist das Skelett des Dinosauriers im Berliner Museum für Naturkunde ausgestellt.