Drosten zur Infektionsentwicklung in Deutschland

Die große Kraft der Diagnostik

LL
Gesellschaft
Frühe Diagnostik und das schnelle Ergreifen von Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Lage in Deutschland vergleichsweise stabil ist. Entscheidend sei jetzt, die Richtigen zu testen, sagte der Virologe Prof. Christian Drosten.

Verglichen mit anderen Ländern wie Italien, Spanien und den USA, ist die Corona-Lage in Deutschland noch verhältnismäßig stabil. Eine Erklärung dafür ist nach Ansicht von Virologe Prof. Dr. Christian Drosten von der Charité Berlin Erkennung und Reaktion auf die ersten Fälle hierzulande. In der Montagsausgabe seines wochentäglichen Podcasts im Norddeutschen Rundfunk zieht er eine Zwischenbilanz.

"Wir haben extrem früh in der Breite eine ganz große Kraft in der Diagnostik ausgerollt. Wir haben deswegen ganz früh unsere Fälle bemerkt", sagt er und bezieht sich dabei auf die sogenannte "Münchener Kohorte", jene ersten SARS-CoV-2-Infizierten, die Anfang Februar im Klinikum München-Schwabing betreut wurden.

Der Erfolg basiert auf dem frühen Ergreifen von Maßnahmen

Drosten erklärt an diesem Fallbeispiel, dass durch das frühen Ergreifen von Maßnahmen und "mit großer Kraft" die Ausbreitung des Virus hier verhindert werden konnte. Diese Kontrolle führte hier zum Erfolg und initiierte eine "Habachtstellung", die für den weiteren Umgang mit der Epidemie wichtig war und ist.

Zudem waren auch die Labore zur der Zeit schon bereit, das Virus zu diagnostizieren. Diese verfügbare Diagnostik und die Feststellung der Infektionen ermöglichten eine bessere Einschätzung und Reaktion auf die Lage, als das in anderen Ländern der Fall war. Hier war die Diagnostik zum Teil deutlich langsamer, was die Virusausbreitung durch unentdeckte Infektionen begünstigte.

Die "Münchener Kohorte": Nur fünf Prozent der Hochrisiko-Kontakte infizierten sich

Zwei wichtige Aspekte lassen sich laut Drosten aus der Untersuchung der "Münchener Kohorte" feststellen. Zum einen sind das Erkenntnisse zur Übertragungsrate: Zur Kohorte zählten vor allem jüngere Personen, die entweder in engem Kontakt zu Familienangehörigen oder auch sogenannten Haushaltkontakten standen, zu denen private Treffen und das Leben in einer Wohngemeinschaft zählen. Hierbei hatten sich lediglich 10 Prozent der Kontaktpersonen infiziert.

Zum Zweiten ergab die Untersuchung Erkenntnisse zur Übertragungsgefahr von sogenannten Risikokontakten im Alltag, also im Arbeits- und Freizeitumfeld. Von 217 Kontakten hatten sich elf infiziert – davon zeigten zehn Symptome wie Fieber oder Husten. Nur ein Patient war asymptomatisch. Demnach haben sich fünf Prozent der Hochrisiko-Kontakte infiziert.

Per Definition zählen zu diesen Hochrisiko-Kontakten Menschen, die mehr als 15 Minuten mit einem Infizierten in Gesprächsnähe waren. Das sei eine wesentliche Erkenntnis zum Übertragungsrisiko im Alltag, sagte Drosten. Die Maßnahme des Abstandshaltens sei weiterhin die effektivste, um eine Infektion zu vermeiden.

Alle Infektionen der "Münchener Kohorte" verliefen harmlos, die Symptome waren nach einer Woche abgeklungen. Diese Beobachtungen stützen die Einschätzung von Wissenschaftlern, die derzeit davon ausgehen, dass vier von fünf Infektionen leicht verlaufen.

Entscheidend ist, die Richtigen zu testen

Ein hohes Risiko, sich zu infizieren, existiert vor allem in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, erklärte der Virologe weiter. Denn hier befinden sich ältere, vorerkrankte und immunschwache Menschen. Drostens Einschätzung: Bald wird auch in Deutschland die Testkapazität dem exponentiellen Wachstum nicht mehr nachkommen. Darum sei es entscheidend, die Richtigen zu testen und damit den Fokus und die Ressourcen auf die Problemlage auszurichten. Noch decke das Angebot der Industrie die Nachfrage der Testlabore, zum Beispiel bei Material für PCR-Tests. Aber in absehbarer Zeit werde das nicht mehr der Fall sein.

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