"Die Impfkampagne ist übererfüllt!"
Das BMG legt in einem neuen Bericht zum Stand der COVID-19-Impfkampagne aktuelle Zahlen vor. Mit Stand vom 23. Juli 2021 wurden demnach über 50 Millionen Deutsche (60,6 Prozent) mindestens einmal geimpft, 40,4 Millionen (48,5 Prozent) sind bereits vollständig geimpft.
Unterstellt man eine Impfbereitschaft von 75 Prozent bei Erwachsenen, wurden laut Bericht 95 Prozent der impfbereiten Erwachsenen in Deutschland bereits mindestens einmal geimpft. Mit Blick auf das Infektionsgeschehen im Herbst sollten möglichst hohe Impfquoten das Ziel sein. 85 Prozent der besonderen Risikogruppe der über 60-Jährigen sind laut Bericht bereits mindestens einmal geimpft, über 75 Prozent voll geschützt.
Alle Impfwillige können jetzt auch geimpft werden
Damit sieht das BMG die Impfkampagne – auch mit Blick auf die nun vorherrschende Delta-Variante von COVID-19 – in der nächsten wichtigen Phase: Jetzt stünden ausreichend Impfstoffe zur Verfügung, um allen Impfwilligen ein Angebot machen zu können.
„Das zu Beginn der Impfkampagne ausgegebene Ziel, jeder impfwilligen Person bis Ende des Sommers ein Angebot einer Erstimpfung zu machen, wurde also bereits zu Anfang des Sommers und damit deutlich früher erreicht – und somit übererfüllt,“ so der Bericht.
Kein Mangel an Information, aber ein Mangel an Gelegenheit
Jetzt gelte es, denjenigen ein Angebot zu machen, die sich bisher noch nicht für eine Impfung entschieden hätten. Informationen, konkrete Ansprache und niedrigschwellige Angebote vor Ort seien dazu wichtig. Es bestehe nicht so sehr ein Mangel an Information, wohl aber ein Mangel an Gelegenheit, bilanziert das BMG.
ERste Länder wollen weniger Impfstoff
Laut BMG war zwischen Bund und Ländern vereinbart worden, dass die Länder mindestens 2,25 Millionen Dosen pro Woche für den Betrieb der Impfzentren und ihre eigenen Kampagnen erhalten. In den vergangenen Wochen sei diese Menge in jeder Kalenderwoche deutlich übertroffen worden. Erste Länder hätten das BMG bereits um eine Reduzierung der Liefermengen gebeten. Ferner weist das BMG darauf hin, dass die Gesundheitsministerkonferenz am 28. Juni Vereinbarungen zur Vorhaltung eines staatlichen Impfangebots über den 30. September hinaus getroffen haben.
Mehr Impfen to go
Besonders wichtig sei, dass mit den Kommunen die Konzepte niedrigschwelliger Impfangebote durch mobile Impfteams weiter ausbaut werden, um möglichst viele Menschen in ihrem direkten Lebensumfeld (zum Beispiel Marktplätze, Kirchen, Moscheen, Supermärkte, Einkaufshäuser, Kultur-, Sport- und Freizeitaktivitäten) mit einem Impfangebot („Impfen to go“) zu erreichen.
Für den Herbst und Winter rechnet das BMG damit, dass rechtzeitig für pflegebedürftige und immungeschwächte Personen eine Auffrischungsimpfung empfohlen wird. Das BMG werde diesen Prozess mit den Ländern so vorbereiten, dass diese Impfungen für die genannten Personengruppen im September beginnen könnten, heißt es in dem Papier. Auch für die Jahre 2022 und 2023 werde Vorsorge getroffen, dazu werde die gemeinsame Beschaffung über die Europäische Union fortgesetzt.
Einschränkungen für Nicht-Geimpfte? Verfassungsrechtler diskutieren
Sollen Ungeimpfte mehr Einschränkungen im öffentlichen Leben erfahren und soll mehr Druck auf sie ausgeübt werden, sich impfen zu lassen? Die Debatte vom Wochenende, die Kanzleramtsminister Helge Braun ins Gespräch gebracht hatte, hat weiter an Fahrt aufgenommen. Jetzt haben sich auch Verfassungsrechtler zu Wort gemeldet.
Prof. Dr. Stephan Rixen, Universität Bayreuth und Mitglied des Deutschen Ethikrats, betonte im Interview mit Radio eins rbb: „Der Rechtsstaat muss immer rechtlich begründen, warum eine Maßnahme wirklich notwendig ist." Es sei verfassungsrechtlich zu prüfen, ob es nicht grundrechtsschonendere Mittel gebe, um hier Druck aufzubauen. Zur Frage, ob es – wie in Frankreich – eine Impfpflicht für Gesundheitsberufe geben sollte, brauche es in Deutschland eine parlamentsgesetzliche Regelung, eine Rechtsverordnung reiche nicht aus.
Je genereller die Vorschriften, umso schwieriger werde es, sie verfassungsrechtlich zu begründen, sagte Rixen. Das gelte vor allem für Rechtseinschränkungen für unter 18-Jährige, bei denen eine Impfangebot nicht generell vorliege: „Pauschale Lösungen sind nicht wirkliche Lösungen“, so Rixen.
Der Jenaer Verfassungsrechtler Michael Brenner hält hingegen schärfere Regeln für Ungeimpfte für vertretbar, für ihn sei eine Differenzierung zu Gesenenen und Geimpften verfassungsrechtlich zulässig, erklärte er dem MDR Thüringen.
Wenn von einer Person keine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgehe, gebe es keinen Grund, ihr die Freiheitsrechte vorzuenthalten. Aus Sicht des Verfassungsrechts müsse es immer einen guten Grund geben, um Grundrechte einschränken zu können. Seiner Ansicht nach sei das bei Corona der Fall. Ausnahmen für Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen dürfen, müssten aber möglich sein, so Brenner.