Diskussion um Gesetz gegen Korruption
Die beabsichtigte Strafvorschrift im Sozialrecht werde "kaum zur Anwendung kommen und niemanden wirklich abschrecken", prophezeite ihr Fraktionsexperte Karl Lauterbach gegenüber dem "Tagesspiegel", während Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion dem Blatt ankündigte, schärfere Strafregelungen mit dem Minister noch vor der Wahl anzugehen.
Wie berichtet will Bahr auch die Vorteilsannahme durch niedergelassene Kassenärzte unter Strafe stellen. Bisher haben Praxismediziner, die sich etwa von der Industrie das Verschreiben bestimmter Arznei honorieren lassen, wenig zu fürchten. Die Korruptionsparagrafen des Strafgesetzbuchs gelten, wie der Bundesgerichtshof 2012 bestätigt hat, nur für angestellte Ärzte in Kliniken oder Behörden.
Künftig soll das Korruptionsverbot in allen Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung und für alle Berufsgruppen gelten, "die an der Versorgung der Versicherten beteiligt sind". Allerdings plant Bahr keine Strafrechtsänderung. Die Strafvorschrift soll "nur" ins Sozialgesetzbuch V - wo es eigentlich ums Vertrags- und Leistungsrecht geht.
SPD: Strafrahmen ist reine Theorie
Aus Lauterbachs Sicht bedeutet dies, dass sich die Verfolgung von Korruption auch künftig nicht an der Gefährdung von Patienten, sondern nur am Schaden für die Kassen bemesse. Und auch dafür bedürfe es eines Nachweises, der oft schwer zu erbringen sei. Der Strafrahmen von bis zu drei Jahren Haft sei insofern "reine Theorie", sagte er der Zeitung.
Für korrupte Mediziner dürfe es "keine Ausnahmeregelung geben", forderte der SPD- Experte weiter. Ärztekorruption müsse "ganz normal übers Strafrecht geahndet werden können". Bahr betonte hingegen, entscheidend sei, dass die Staatsanwaltschaften ermitteln könnten. Im Strafgesetzbuch gehe es um Grundsätzliches, nicht um Regelungen für einzelne Berufsgruppen. Und einen Strafantrag stellen könne auch bei einer Vorschrift im Sozialrecht jeder von Korruption betroffene Versicherte.#
Gernot Kiefer: "Ein bisschen korrupt gibt es nicht!"
Der Spitzenverband der Kassen zeigte sich erleichtert, dass die Sonderstellung von Praxisärzten "endlich beendet" werde. Sorge bereite ihm aber die Formulierung, nur "besonders schwere Verstöße" sanktionieren zu wollen, sagte Verbandsvorstand Gernot Kiefer dem "Tagesspiegel". "Ein bisschen korrupt gibt es eben so wenig wie ein bisschen schwanger." Wichtig sei, dass "unmissverständliche Grenzen" gesetzt würden.
Selbst von Ärzten und Pharmaindustrie kam verhaltene Zustimmung. Kassenärztliche Bundesvereinigung und Bundesärztekammer sehen einen "Schritt in die richtige Richtung". Mit der Neuregelung könnten "nun endlich auch die Geldgeber der Korruption zur Verantwortung gezogen werden", freute sich Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery. Und Birgit Fischer vom Verband forschender Arzneimittelhersteller sagte dem Blatt, Korruption sei "nie ein Weg, um gute Produkte zu fördern". Nach eigenen Transparenzbemühungen sei eine gesetzliche Regelung nun "der nächste konsequente Schritt für ein Gesundheitswesen des fairen Wettbewerbs".