DGPZM-Praktikerpreis 2020

Ein Konzept für aufsuchende Zahnmedizin während der Pandemie

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Der jüngst verliehene Praktikerpreis der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizi (DGPZM) ging an eine Gruppe von Zahnärzten, die Konzepte für die Betreuung von vulnerablen Bevölkerungsgruppen - insbesondere während der Corona-Pandemie – erarbeitete.

Über den DGPZM-Praktikerpreis 2020 der Deutschen Gesellschaft für Präventivzahnmedizin (DGPZM) wurde zwar schon im Herbst 2020 im Rahmen einer Online-Veranstaltung entschieden, verliehen wurde er aber wegen der Pandemie erst jetzt.

Gewinner des Preisgeldes von 2500 Euro sind Dominic Jäger (Warstein), Gonzalo Baez (Lippstadt) und Dominik Niehues (Geseke). Ihr gemeinsam erarbeitetes Konzept zur aufsuchenden Betreuung von besonders vulnerablen Patientengruppen wurde von der Jury der Fachgesellschaft als bestes präventionsorientiertes Behandlungskonzept ausgezeichnet.

DGPZM-Präsident Prof. Dr. Stefan Zimmer lobte bei der Preisübergabe in der Universität Witten-Herdecke das vorbildhafte Engagement des Praxisteams für die Mundgesundheit von an COVID-19 erkrankten Wohnheim-Bewohner. „Dieses Konzept mit einer Mischung aus Videosprechstunde und Vor-Ort-Betreuung hat echten Modellcharakter, nicht nur für die Dauer der Corona-Pandemie, sondern auch darüber hinaus. Denn die grundsätzliche Frage der aufsuchenden Betreuung von Pflegebedürftigen stellt sich für die Zahnärzteschaft immer mehr.“

Ein Rendezvous-System soll Pflegebedürftige schützen

Allein in Deutschland gibt es rund 4,1 Millionen Pflegebedürftige, die aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität überwiegend aufsuchend betreut werden müssen. Hinzu kommt, dass das Corona-Virus für ältere und multimorbide Patienten ein besonderes Risiko birgt. Deshalb erarbeiteten die Preisträger ein Konzept, mit dem Ziel, die Versorgung dieser vulnerablen Gruppen auch während der Pandemie weiter aufrechtzuerhalten.

Zum Einsatz kommt auch die Videosprechstunde

Das Konzept fußt zunächst auf einer ersten Sondierung des Problems und Festlegung der Behandlungsnotwendigkeit. Dies erfolgt unter anderem anhand eines Fragebogens zu aktuellen Beschwerden, Corona-Symptomen und dem Allgemeinzustand der Patienten. Videosprechstunden wurden zur Vermeidung eines direkten Kontakts etabliert. Diese Maßnahmen sollen bei der Beurteilung helfen, ob eine persönliche Konsultation dringend notwendig ist.

manche Behandlungen sind an der Bettkante nicht machbar

Bei zahntechnischen Problemen sollte man versuchen, diese auch ohne direkten Patientenkontakt zu lösen. Muss ein direkter Patientenkontakt erfolgen, wird er mit maximalen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt. Im Wohnheim in Form eines sogenanntes Rendezvous-Systems: aufsuchende Behandlung in einem gesonderten Raum, Schutzkleidung und maximale Hygienevorkehrungen. Der Transport in die Praxis sollte nur in Notfällen erfolgen, denn manche Behandlungen sind „an der Bettkante“ schier nicht durchführbar. Eine präventive Zimmerquarantäne des Heimbewohners nach dem Praxisbesuch erscheint hier sinnvoll.

Behandlungen müssen auch unter Beatmung gehen

Weiterhin erarbeiteten die Preisträger ein Konzept zur zahnärztlichen Betreuung von beatmeten Patienten unter palliativen Gesichtspunkten. Es gibt aktuell rund 86.000 beatmete Personen in Deutschland, die überwiegend in häuslicher Umgebung oder Wohngemeinschaften leben.

Eine zahnärztliche Behandlung von beatmeten Personen ist grundsätzlich mit einem aufwendigen Krankentransport sowie einem stationären Klinikaufenthalt verbunden, um eine eigentlich banale zahnärztliche Behandlungen durchzuführen. Diese Versorgungslücke könne durch einen aufsuchenden Zahnarzt oder Zahnärztin geschlossen werden, so die Preisträger.

Primäres Ziel sei, eine adäquate, konsequente Versorgung der beatmeten Personen aufrechtzuerhalten, um so Transporte für zahnärztliche Behandlungen weitestgehend zu vermeiden. Die Versorgung sei allerdings im höchsten Maße komplex, insbesondere, weil es sich um eine multimorbide und polypharmazeutisch versorgte Klientel handelt. So gebe es keine Empfehlungen oder Leitlinien und nur sehr wenige Studiendaten.

Pflegepersonal sollte patientenindividuell geschult werden

Das von Baez, Jäger und Niehus entwickelte Konzept fußt vor allem auf einer suffizienten Mundhygiene als Basismaßnahme, um präventiv statt kurativ handeln und Komplikationen wie beispielsweise durch Plaque begünstigte, ventilatorassoziierte Pneumonien verhindern zu können. Auch die patientenspezifische Schulung des Pflegepersonals ist ein zentraler Punkt der Betreuung.

Ethische Fragestellungen spielen eine große Rolle

Die Preisträger haben mit ihrem Konzept eine Schnittstelle zwischen Intensivmedizin und Zahnmedizin geschaffen. Neben höchsten Hygieneanforderungen und erschwerten Bedingungen durch die Behandlung am Krankenbett werden die drei Zahnärzte dabei auch regelmäßig mit ethischen Fragestellungen konfrontiert. Was ist eine angemessene Versorgung für einen palliativ behandelten Patienten? Diese Fragen können nur patientenindividuell beantwortet werden und stellen die Preisträger auch weiterhin vor Herausforderungen. Das Preisgeld wurde von dem Dentalhersteller VOCO GmbH aus Cuxhaven gestiftet.

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