Eine Chance für Fulda?
Als er im Oktober vergangenen Jahres seinen Haushaltsentwurf einbrachte, stellte Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld (CDU) erstmals seine Pläne vor: Er könne sich vorstellen, in Fulda eine Universität in kommunaler Trägerschaft aufzubauen, sagte er damals laut einem Bericht der Fuldaer Zeitung vor den Stadtverordneten. „Leider gibt es im Bereich der Zahnmedizin Probleme, die angepackt werden müssen."
Vorbild ist die MHB in Brandenburg
Da die Bundesländer derzeit keine Initiative zeigten, die Zahl der Studienplätze auszuweiten, gingen viele junge Menschen zum Studium ins Ausland. Bei allem Respekt für die Vorteile einer Studienerfahrung im Ausland sei er der Überzeugung, dass die Stadt aktiv werden sollte, um die Region als Bildungsstandort zu stärken, zitiert das Blatt ihn. „Wenn die Länder dies nicht leisten können oder wollen, liegt hier eine Chance für Fulda!“
Vorbild ist für den Politiker die Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB), die 2014 gegründet wurde. Aktuell verzeichnet die Hochschule rund 1.000 Studierende, die für Medizin, Psychologie oder – seit dem Sommersemester 2024 möglich – für Zahnmedizin eingeschrieben sind. Gleichzeitig kann die MHB mehr als 150 Absolventen vorweisen, von denen der Hochschule zufolge rund zwei Drittel nach ihrem Abschluss in der Region geblieben sind und die Versorgung unterstützen. Ein Klebeeffekt, mit dem Wingenfeld auch für Fulda kalkuliert.
240 Studienplätze bei Vollauslastung
Als der Oberbürgermeister die Stadtverordneten Ende 2024 um Unterstützung für die Prüfung des Projekts bat, stellte er auch gleich klar: „Der Aufbau eines neuen universitären Angebots in Fulda ist ein wahrhaftig ,dickes Brett‘ und sicher auch kein Sprint, sondern ein Marathonlauf.“ Die Stadtverordneten und auch die Fuldaer FDP sicherten ihre Unterstützung zu – auch in der Hoffnung, dass das Projekt Forschungsgelder in die kreisfreie Stadt bringt und das Angebot für Patienten erhöht. 48 Studienplätze sind in dem Konzept pro Jahr vorgesehen. Die maximale Kapazität beträgt demnach 240 Studienplätze bei Vollauslastung.
Auch die KZV Hessen begrüßt die Initiative der Stadt, da eine Aufstockung der Studienplätze über die aktuell 229 bestehenden an den hessischen Universitäten dem Vernehmen nach aufgrund räumlicher und struktureller Probleme absehbar nicht stattfinden werde. Die KZV weist aber auch darauf hin, dass der derzeitige hessische Bedarfsplan aktuell keine zahnärztlich unterversorgten Gebiete ausweist: Zum Stichtag am 31. Dezember 2024 betrug der Versorgungsgrad im Planungsbereich Fulda 91 Prozent, am Vorjahresstichtag waren es 97 Prozent.
Allerdings müsse eine zukunftsorientierte Bedarfsplanung zahlreiche Parameter berücksichtigen, heißt es weiter. Und auf Grundlage langjähriger Analysen sei für das Land Hessen eine weitere Polarisierung der zahnärztlichen Versorgung erwartbar. „Ein gutes zahnärztliches Versorgungsangebot wird auch in den nächsten zehn Jahren in den Groß- und Mittelstädten fortbestehen. Hingegen wird in vorwiegend ländlichen Planungsbereichen die Anzahl der Praxisstandorte kontinuierlich sinken“, prognostiziert die KZV, die bereits viele Maßnahmen ergriffen hat, um diesem Trend entgegenzuwirken – so etwa der 2023 gebildete Strukturfonds – um Praxisneugründungen und Praxisübernahmen sowie die Anstellung von Zahnärztinnen und Zahnärzten in bestimmten Planungsbereichen zu fördern.
Mehr Behandlungskapazitäten durch eine Zahnklinik
Wingenfeld schwebt vor, nach dem avisierten Start der Fuldaer Zahnmedizin-Universität 2027, in zwei Jahren auch eine Zahnklinik zu schaffen, in der bis zu 55 Zahnärzte in der Versorgung tätig sein sollen. Er rechnet damit, dass die Klinik so rund 15 Prozent zusätzliche Behandlungskapazität in der Region schaffen könnte. Ende 2024 waren im Landkreis und in der Stadt Fulda 89 Praxen gemeldet, davon acht mit Schwerpunkt KFO. Insgesamt 101 Zahnärztinnen und Zahnärzte waren zum Stichtag Inhaberinnen beziehungsweise Inhaber einer Praxis, 42 angestellt. Fünf Zahnarztpraxen in der Region suchten einen Nachfolger, meldet die KZV. Sie erwartet, dass der Versorgungsgrad in den kommenden Jahren sinken wird.
Gewerbeimmobilie in geschichtsträchtigem Areal
Im ersten Schritt werde nun ein Detailkonzept erarbeitet, damit die formelle Gründung und Akkreditierung als Universität noch 2025 auf den Weg gebracht werden kann, heißt es aus der Stadtverwaltung. Wingenfeld selbst bezeichnete seinen Zeitplan als „sportlich, aber nicht unrealistisch“. Er geht davon aus, dass es rund drei Jahre bis zum Beginn des tatsächlichen Studienbetriebs dauern wird. Neben einer Unterstützung der Versorgung sieht Wingenfeld in der Zahnklinik neben den Studiengebühren außerdem einen maßgeblichen Faktor zur Finanzierung der Universität. Man wolle keinesfalls „ein dauerhaft mit Steuergeldern finanziertes, defizitäres Angebot schaffen“, verspricht er.
Als möglicher Standort für Universität und Zahnklinik kommen Räume eines 2021 von der Stadt erworbenen Gewerbekomplexes in Betracht, heißt es in Medienberichten. Der Ort punkte nicht nur durch seine zentrale Lage, sondern auch durch seine Geschichtsträchtigkeit. In unmittelbarer Nähe befand sich demnach die vom damaligen Fuldaer Fürstabt Adolf von Dalberg gegründete Fuldaer Universität, an der zwischen 1734 und 1805 Humanmedizin, Theologie, Philosophie und Rechtswissenschaften gelehrt wurden. „Es war schon immer der Anspruch der Verantwortlichen der Stadt, an diese Tradition anzuknüpfen“, sagte Wingenfeld der Fuldaer Zeitung. Auch eine Namensgebung, die Bezug zur damaligen Hochschule herstellt („Dalberg-Universität“), sei denkbar.
Kann man die Absolventen zum Bleiben bewegen?
„Eine Hochschule, die das Studium der Zahnmedizin ermöglicht, nimmt nicht an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil“, stellt die KZV indes klar – auch wenn eine Universitätszahnklinik „wichtige Impulse für eine hochqualifizierte Versorgung setzen“ könne und „das nicht nur in komplexen individuellen Behandlungsfällen“.
Trotzdem gibt sie zu bedenken, dass die jungen Zahnärztinnen und Zahnärzte nach Abschluss der universitären Ausbildung und Erlangung der Approbation „keineswegs an die Stadt oder die Region Fulda gebunden“ sein werden. Vielmehr beruhe die Hoffnung, sie zum Bleiben zu bewegen, lediglich auf Erfahrungswerten aus anderen Universitätsstädten. Doch auch ohne diese Gewissheit bewertet die KZV das Projekt positiv. Denn eine Erhöhung der Zahl der jährlichen Studienabschlüsse sei „ein wichtiges Instrument zur mittel- und langfristigen Sicherstellung einer flächendeckenden zahnärztlichen Versorgung“.
In Kürze erscheint auf zm-online ein Interview mit Dr. Wingenfeld zum Thema.