Erkennt KI bald Kehlkopfkrebs an der Stimme?
Forscher der Oregon Health & Science University in Portland, USA, haben jetzt belegt, dass sich Anomalien der Stimmbänder anhand des Stimmklangs erkennen lassen. Solche „Stimmbandläsionen“ können gutartig sein, wie Knötchen oder Polypen, aber auch ein Frühstadium von Kehlkopfkrebs darstellen.
Hintergrund
Im Jahr 2021 gab es weltweit schätzungsweise 1,1 Millionen Fälle von Kehlkopfkrebs, etwa 100.000 Menschen starben daran. Laut Weltgesundheitsorganisation treten jährlich etwa 600.000 Neuerkrankungen auf. Dabei ist das orale Plattenepithelkarzinom besonders besorgniserregend, da es sich häufig aggressiv von Zellen in Zunge, Lippen und Zahnfleisch in den umliegenden Knochen ausbreitet und so die Behandlung erschwert. Zu den Risikofaktoren zählen Rauchen, Alkoholmissbrauch und eine Infektion mit dem humanen Papillomavirus. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate liegt bei behandelten Patienten zwischen 35 und 78 Prozent, abhängig vom Stadium des Tumors und seiner Lage im Kehlkopf.
„Hier zeigen wir, dass wir mit diesem Datensatz Stimmbiomarker verwenden könnten, um die Stimmen von Patienten mit Stimmbandverletzungen von denen ohne solche Verletzungen zu unterscheiden“, erläutert Studienautor Dr. Phillip Jenkins.
Die Stimme als Biomarker
Jenkins und seine Kollegen sind Mitglieder des Projekts „Bridge2AI-Voice“ innerhalb des Konsortiums „Bridge to Artificial Intelligence“ (Bridge2AI) des US-amerikanischen National Institute of Health, einem landesweiten Projekt zur Anwendung künstlicher Intelligenz bei komplexen biomedizinischen Problemen. Für ihre Studie analysierten sie Variationen in Ton, Tonhöhe, Lautstärke und Klarheit bei 12.523 Sprachaufnahmen von 306 Probanden aus ganz Nordamerika.
Bei einem kleinen Teil der Fälle handelte es sich um Patienten mit bekanntem Kehlkopfkrebs, gutartigen Stimmlippenläsionen, spasmodischer Dysphonie oder einseitiger Stimmlippenlähmung.
Die Forscher konzentrierten sich auf Unterschiede bei einer Reihe akustischer Merkmale der Stimme: die mittlere Grundfrequenz (Pitch, Tonhöhe), Jitter (Taktzittern: Schwankungen, die sich als Rauheit, Heiserkeit oder Atemlosigkeit in der Stimme bemerkbar machen), Tonhöhenschwankungen, Shimmer (Maß für unregelmäßige Vibrationen der Stimmlippen), Amplitudenschwankungen und das Signal-Rausch-Verhältnis (Maß für die Klarheit einer Stimme).
Stimmlippenverletzungen verändern die Stimme
Dabei stellten sie statistisch signifikante Unterschiede im Signal-Rausch-Verhältnis und in der Grundfrequenz zwischen Männern ohne Stimmstörung, Männern mit gutartigen Stimmlippenläsionen und Männern mit Kehlkopfkrebs fest. Bei Frauen fanden sie keine aufschlussreichen akustischen Merkmale, die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass ein größerer Datensatz solche Unterschiede aufdeckt.
Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass insbesondere Variationen im Signal-Rausch-Verhältnis dazu geeignet sein können, um die klinische Entwicklung von Stimmlippenläsionen zu überwachen und Kehlkopfkrebs zumindest bei Männern in einem frühen Stadium zu erkennen.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass große, multiinstitutionelle Datensätze bald dazu beitragen könnten, unsere Stimme zu einem praktischen Biomarker für das Krebsrisiko in der klinischen Versorgung zu machen“, sagt Jenkins.
„Um von dieser Studie zu einem KI-Tool zu gelangen, das Stimmlippenverletzungen erkennt, würden wir jetzt Modelle mit einem noch größeren Datensätzen von Stimmaufnahmen trainieren und dann das System in klinischen Umgebungen testen, um sicherzustellen, dass es bei Frauen und Männern gleichermaßen gut funktioniert“, führt Jenkins aus. Tools zur Erkennung von Stimmlippenverletzungen könnten schon in den nächsten Jahren in die Pilotphase gehen.
Voice as a Biomarker: Exploratory Analysis for Benign and Malignant Vocal Fold Lesions, Frontiers in Digital Health (2025). DOI: 10.3389/fdgth.2025.1609811. www.frontiersin.org/journals/d … th.2025.1609811/full