Gemeinsamer Appell

Fachzeitschriften fordern mehr Klimaschutz auch im Gesundheitsbereich

mg
Gesellschaft
Im Vorfeld der 76. UN-Generalversammlung haben 220 Herausgeber von Gesundheitszeitschriften weltweit in einem gemeinsamen Appell dringende Klimaschutz-Maßnahmen gefordert – auch im Gesundheitswesen.

Die UN-Generalversammlung im September 2021 wird Länder zu einem kritischen Zeitpunkt zusammenbringen, um kollektive Maßnahmen zur Bewältigung der globalen Umweltkrise zu ergreifen, schreiben die Autoren. „Sie treffen sich erneut auf dem Biodiversitätsgipfel in Kunming, China, und der UN-Klimakonferenz der Vertragsparteien (COP26) in Glasgow, Großbritannien. Im Vorfeld dieser entscheidenden Treffen fordern wir – die Herausgeber von Gesundheitszeitschriften weltweit – dringende Maßnahmen, um den durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg unter 1,5 ° C zu halten, die Zerstörung der Natur zu stoppen und die Gesundheit zu schützen.”

Dass die Gesundheit bereits heute durch globale Temperaturerhöhungen und die Zerstörung der natürlichen Welt geschädigt wird, sei ein Zustand, auf den Gesundheitsexperten „seit Jahrzehnten aufmerksam machen”. Die Wissenschaft sei sich einig, dass ein globaler Temperaturanstieg von 1,5 °C über dem vorindustriellen Durchschnitt und der daraus zwingend folgende, anhaltende Verlust der biologischen Vielfalt katastrophale Gesundheitsschäden berge, die nicht rückgängig gemacht werden können, führen die Autoren aus – und nennen Beispiele. Bereits in den vergangenen 20 Jahren hätten höhere Temperaturen die hitzebedingte Sterblichkeit bei Menschen über 65 Jahren um mehr als 50 Prozent steigen lassen und zu einem Anstieg folgenden Komplikationen geführt:

  • erhöhter Dehydrierung und Nierenfunktionsverlust

  • dermatologischer Malignomen

  • tropischer Infektionen

  • nachteiliger psychischer Gesundheitsergebnisse

  • Schwangerschaftskomplikationen

  • Allergien

  • kardiovaskulärer und pulmonaler Morbidität und Mortalität

Zudem werden die absehbaren Folgen zu mehr Konflikten, Ernährungsunsicherheit, Vertreibung und Zoonosen führen – mit schwerwiegenden Auswirkungen auf alle Länder weltweit, heißt es weiter. „Wie bei der COVID-19-Pandemie sind wir weltweit so stark wie unser schwächstes Mitglied. Anstiege über 1,5°C erhöhen die Wahrscheinlichkeit, Kipppunkte in natürlichen Systemen zu erreichen, die die Welt in einen akut instabilen Zustand versetzen könnten.”

Um das zu verhindern, reichten die bisherigen Maßnahmen nicht aus, lautet der Befund des Papiers. „Ziele sind einfach zu setzen und schwer zu erreichen. Sie müssen noch mit glaubwürdigen kurz- und längerfristigen Plänen zur Beschleunigung sauberer Technologien und zur Transformation von Gesellschaften kombiniert werden.” Stattdessen wachse die Besorgnis darüber, „dass Temperaturanstiege über 1,5 °C für mächtige Mitglieder der Weltgemeinschaft als unvermeidlich oder sogar akzeptabel angesehen werden.”

Gerechtigkeit müsse im Mittelpunkt der globalen Reaktion stehen. Einen fairen Anteil an den globalen Anstrengungen zu leisten, bedeute, dass die Reduktionsverpflichtungen den kumulativen, historischen Beitrag jedes Landes zu den Emissionen sowie seine aktuellen Emissionen und seine Reaktionsfähigkeit berücksichtigen müssten. Wohlhabendere Länder müssten die Emissionen schneller senken und bis 2030 Reduktionen über die derzeit vorgeschlagenen hinaus erreichen. Ähnliche Ziele und Sofortmaßnahmen seien für den Verlust der biologischen Vielfalt und die weitere Zerstörung der natürlichen Welt erforderlich.

„Nötig ist die Neugestaltung ... auch der Gesundheitssysteme”

Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Regierungen nach Ansicht der Unterzeichnenden grundlegende Veränderungen in der Organisation unserer Gesellschaften, Volkswirtschaften und unseres Lebens vornehmen. Die derzeitige Strategie, die Märkte zu ermutigen, schmutzige gegen sauberere Technologien einzutauschen, reiche nicht aus. Regierungen müssen eingreifen, „um die Neugestaltung von Verkehrssystemen, Städten, Produktion und Verteilung von Lebensmitteln, Märkten für Finanzinvestitionen, Gesundheitssystemen und vielem mehr zu unterstützen”.

Eine globale Koordinierung sei dabei erforderlich, um sicherzustellen, dass der Ansturm auf sauberere Technologien nicht auf Kosten von mehr Umweltzerstörung und menschlicher Ausbeutung geht. Viele Regierungen begegneten der Bedrohung durch die COVID-19-Pandemie mit beispiellosen Finanzmitteln. Die Umweltkrise erfordere eine ähnliche Notfallreaktion. Die Botschaft der Autoren: Riesige Investitionen werden erforderlich sein, die über das hinausgehen, was überall auf der Welt bislang in Betracht gezogen oder umgesetzt wird. Aber solche Investitionen werden enorme positive gesundheitliche und wirtschaftliche Ergebnisse bringen. Dazu gehören hochwertige Arbeitsplätze, reduzierte Luftverschmutzung, erhöhte körperliche Aktivität und verbessertes Wohnen und Ernährung.

Allein eine bessere Luftqualität würde gesundheitliche Vorteile bringen, die die globalen Kosten der Emissionsreduktion leicht ausgleichen, sind sich die Autoren sicher.

Und: „Diese Maßnahmen werden auch die sozialen und wirtschaftlichen Determinanten von Gesundheit verbessern, deren schlechter Zustand die Bevölkerung möglicherweise anfälliger für die COVID-19-Pandemie gemacht hat.”

Erklärtes Ziel sind umweltverträgliche Gesundheitssyteme vor 2040

Erklärtes Ziel sind umweltverträgliche Gesundheitssyteme vor 2040

Lukoye Atwoli et al.

Die größte Bedrohung für die globale öffentliche Gesundheit sei „das anhaltende Versagen der Staats- und Regierungschefs der Welt, den globalen Temperaturanstieg unter 1,5 ° C zu halten und die Natur wiederherzustellen”. Dringende, gesellschaftsweite Veränderungen müssten vorgenommen werden. „Wir, als Herausgeber von Gesundheitszeitschriften, fordern Regierungen und andere Führungskräfte zum Handeln auf und markieren 2021 als das Jahr, in dem die Welt endlich ihren Kurs ändert.”

Lukoye Atwoli et al. "Call for emergency action to limit global temperature increases, restore biodiversity, and protect health", The Lancet, Published: September 04, 2021, DOI: <link url="https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)01915-2/fulltext" import_url="https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)01915-2/fulltext _blank external-link-new-window" follow="follow" seo-title="" target="new-window">doi.org/10.1016/S0140-6736(21)01915-2

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.