"Ausgangssperre ist nicht verhältnismäßig"

FDP legt Verfassungsbeschwerde gegen Corona-Notbremse ein

pr
Die FDP hat schwere Bedenken gegen die vom Bund verabschiedete Corona-Notbremse – vor allem gegen die Verhältnismäßigkeit von Ausgangssperren. Sie hat jetzt in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Insgesamt 80 FDP-Abgeordnete haben deshalb gestern eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

Auch die alleinige Orientierung am Inzidenzwert hält die FDP für kritisch, da sie das reale Pandemiegeschehen nur ungenau abbilde. Ferner ignoriere es das Gesetz, dass nach dem Stand der Wissenschaft von vollständig Geimpften und Genesenen nur eine sehr geringe Infektionsgefahr ausgehe.

Geimpfte Heimbewohner dürfen keine normalen Kontakte haben?!?

Bei der Vorstellung der Beschwerde vor der Bundespressekonferenz betonte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Dr. Marco Buschmann, dass die Ausgangssperren einen tiefen Grundrechtseingriff darstellten, der allein auf den nackten Inzidenzzahlen beruhe. Völlig außer Acht gelassen werde dabei, ob die Inzidenzen auf diffuse Ausbrüche oder auf bestimmte Cluster mit hohen Ansteckungsraten zurückgehen. Das bezeichnete Buschmann als unverhältnismäßig.

Für verfassungswidrig hält die FDP außerdem, dass der Bundesrat dem Gesetz nicht zugestimmt habe. Die Länder würden wegen der im Gesetz festgehaltenen Notbremse nicht mehr über Schulschließungen entscheiden, müssten aber den Erwerbsausfall entschädigen. Damit sei es formell zustimmungspflichtig. Auch sei nach Meinung der Partei nicht einzusehen, warum etwa Bewohner von Altenheimen, die zweimal geimpft seien, keine normalen Kontakte haben dürften.

Den Obersten Richtern liegen 111 Beschwerden vor

Die Beschwerde der FDP ist nur eine von zahlreichen weiteren Verfassungsbeschwerden zum Infektionsschutzgesetz, die inzwischen in Karlsruhe eingetroffen sind. Medienberichten zufolge liegen dort inzwischen (bis gestern Nachmittag) 111 Beschwerden vor.

So stellt etwa der SPD-Abgeordnete Florian Post unter anderem den Nutzen der Ausgangssperre und der Inzidenzwerte infrage. Auch einige Berliner Koalitionspolitiker von SPD und Linken legten Beschwerde gegen die Ausgangssperre ein. Und die Freien Wähler haben bereits angekündigt, ihrerseits eine Verfassungsbeschwerde einzureichen. Sie warnen vor einer Übergriffigkeit des Bundes - wenn nötig, könnten Länder und Kommunen die Notbremse auch selbst ziehen.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) geht mit ihrer Verfassungsbeschwerde gezielt gegen die nächtlichen Ausgangssperren vor. Zu diesem Thema hatte sie bereits ein rechtliches Gutachten erstellt. Ergebnis: Die im Infektionsschutzgesetz geregelte Ausgangssperre sei unverhältnismäßig, da sie nicht auf einem schlüssigen Gesamtkonzept beruhe.

„Wir verstehen dieses Verfahren als konstruktive Verfassungsbeschwerde, und streiten damit für ein schlüssiges und wirksames Gesamtkonzept zur Pandemiebekämpfung“, teilte die GFF dazu mit.

Zu den zwölf Antragstellern zählen unter anderem Abgeordnete im Bundestag oder dem Abgeordnetenhaus Berlin, sie gehören verschiedener Parteien an, BÜNDNIS 90/Die Grünen, FDP, Die Linke und SPD.

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