Frauen fühlen sich im Gesundheitssystem oft benachteiligt
Eine aktuelle, repräsentative YouGov-Umfrage im Auftrag des Unternehmens Doctolib zeigt: Frauen erleben systematische Benachteiligung. Das kann teils gravierenden gesundheitlichen Folgen haben. So berichten knapp ein Drittel der Frauen (31 Prozent) von negativer Erfahrung aufgrund des Geschlechts. Das sind mehr als dreimal so viele wie unter männlichen Patienten, von denen sich 10 Prozent benachteiligt fühlten. Besonders betroffen sind junge Frauen zwischen 18 und 34 Jahren. Sie erlebten Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Beschwerden, verspätete Diagnosen und das Abtun von Schmerzen.
Mit 39 Prozent meiden über ein Drittel der Frauen Arztbesuche aus Angst, nicht ernst genommen zu werden. Bei den Jüngeren zwischen 18 und 34 Jahren ist es sogar jede Zweite. Zum Vergleich: Bei Männern ist es mit 23 Prozent fast jeder Vierte. Im Jahr 2024 gaben bei einer ähnlichen Umfrage nur 17 Prozent der Frauen an, bei Krankheitssymptomen keinen Arzttermin zu buchen. Das Problem verschärft sich.
Umfrageergebnisse deuten auf ein strukturelles Problem
Ein Drittel der Frauen (33 Prozent) ist überzeugt, dass Schmerzen von Patientinnen seltener ernst genommen werden. Im Vergleich dazu sind es nur 16 Prozent bei Schmerzen männlicher Patienten. 27 Prozent der Frauen gaben zudem an, weibliche Schmerzen würden auch seltener behandelt. Auch dieser Aussage stimmten mit 46 Prozent wieder besonders viele junge Frauen zu. 44 Prozent berichten, dass ihre Beschwerden als psychosomatisch eingestuft wurden. Nur 28 Prozent der Männer machten ähnliche Erfahrungen.
Herzinfarkte etwa verlaufen bei Frauen oft anders. Viele Frauen sind sich dessen bewusst: 60 Prozent stimmen der Aussage zu, dass weibliche Patienten bei einem Herzinfarkt häufig andere Symptome zeigen und deshalb schlechter behandelt werden. Bei Männern liegt dieser Wert mit 35 Prozent deutlich niedriger. Die Umfrage zeigt, dass Frauen insgesamt stärker für geschlechtsspezifische Unterschiede in der medizinischen Versorgung sensibilisiert sind – auch, weil sie häufiger Erfahrungen mit Fehldiagnosen oder abgewerteten Beschwerden gemacht haben. So gelten etwa Endometriose, das Polyzystisches Ovar-Syndrom (PCOS), und Migräne als typische „Frauenkrankheiten“ und als schwer zu diagnostizieren.
Die Umfrage zeigt, dass dies auch mit mangelnder ärztlicher Wahrnehmung zu tun hat:
40 Prozent der Frauen sagen, solche Erkrankungen wurden bei ihnen oder anderen nicht ernst genommen.
35 Prozent der Frauen sagen, diese Erkrankungen wurden zu spät erkannt.
34 Prozent der Frauen sagen, sie wurden falsch behandelt.
Mehr als jede zweite Frau muss mehrere Ärzte aufsuchen, bevor sie eine korrekte Diagnose erhält (57 Prozent). Bei Männern liegt dieser Wert bei 45 Prozent. Bereits 2024 lag der Anteil bei 54 Prozent – die Situation hat sich verschlechtert. Trotz der Unterschiede in Erfahrung und Bedarf haben 45 Prozent der Befragten, sowohl Frauen als auch Männer, nie eine geschlechterspezifische Gesundheitsaufklärung erhalten. Gleichzeitig sagen 61 Prozent, geschlechtersensible Medizin sei wichtig: bei Frauen sind es 67 Prozent, bei Männern 53 Prozent.
„Wenn Frauen immer wieder erleben, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen werden, dann ist das kein individuelles Versagen – sondern ein strukturelles Problem. Das Vertrauen in die Gesundheitsversorgung schwindet und mit ihm die Bereitschaft, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen“, sagt Prof. Dr. Mandy Mangler, Chefärztin der Gynäkologie am Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum Berlin. „Geschlechtsspezifische Medizin ist kein Luxus – sie ist essenziell für gerechte Versorgung”, kommentiert Mangler die Umfrageergebnisse.
Zur Umfrage:
Die ausgewerteten Daten beruhen auf einer Online-Umfrage der YouGov Deutschland GmbH im Auftrag von Doctolib. Die Befragung fand zwischen dem 13. und 15.05.2025 statt. Es nahmen 1.037 Personen teil. Die Ergebnisse wurden gewichtet und sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.