KBV-Vertreterversammlung zum TSVG

Gassen: "Übergriffige und blödsinnige Regelung"

pr/pm
Sprechstundenzeiten, Steuerung der Versorgung, elektronische Patientenakte - am Tag nach Verabschiedung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) berieten die Delegierten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) über die neuen Regeln - und was auf die Vertragsärzte zukommt.

Dr. Andreas Gassen, Vorsitzender des Vorstands der KBV, brachte es vor den Delegierten der KBV-Vertreterversammlung am 15. März in Berlin auf den Punkt: "Der größte Aufreger des Gesetzes aus Sicht der niedergelassenen Ärzte sind die 25 Stunden verbindliche Sprechstundenzeit statt bisher 20. Das ist eine ebenso übergriffige wie blödsinnige Regelung - würden die Kollegen wirklich nur 20 oder 25 Stunden Sprechstunden anbieten, dann gäbe es ein echtes Terminproblem und nicht nur ein gefühltes. Immerhin: Minister Spahn hat mit dem Gesetz dafür gesorgt, dass mehr Leistungen auch mehr Geld für die Ärzte bringen müssen."

Leider wurde Gassen zufolge der nächste sachlogische Schritt nicht gegangen: "Es hätte mit der Entbudgetierung begonnen werden können - nein, ich glaube, begonnen werden müssen." Und weiter: "Wenn man sich politisch von Leistungsbegrenzung verabschiedet, weil man den Patientenwünschen nach mehr und schnelleren Terminen nachkommen will - über den medizinischen Sinn solcher Geschenke möchte ich mich hier gar nicht auslassen -, dann ist die Entbudgetierung, zumindest in Teilen, die logische Konsequenz."

Gassen betonte jedoch, dass die geplante Koordinierung der Rufnummer 116117 mit den Terminservicestellen und einem softwaregestützten System zur medizinischen Ersteinschätzung die Chance biete, in einem ersten Bereich eine medizinisch sachgerechte Patientensteuerung zu etablieren.

"Mit dem TSVG haben wir ein Gesetz bekommen, das sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu einer beispiellosen Komplexität aufgebläht hat," sagte der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister. Die wesentlichste Forderung, die die KBV in den vergangenen Jahren zur Versorgung aufgestellt hatte, lautete: Wir brauchen eine Patientensteuerung nach medizinischen Kriterien unter sozialer Mitverantwortung der Versicherten und wir brauchen eine konstruktive Gestaltung der Notfallversorgung mit bundesweit einheitlicher Triage beziehungsweise Ersteinschätzung. Eine Kernforderung der KBV, nämlich ein einheitlicher freiwilliger "Steuerungstarif" für alle gesetzlich Versicherten, sei leider nicht von der Politik berücksichtigt worden.

Hofmeister: "Das große Thema der Versorgung, die unabdingbar notwendige Steuerung unter verantwortlicher Beteiligung der Patientinnen und Patienten, wird ignoriert! Eine Bankrotterklärung!" Die Devise "schneller, mehr und immer" sei auf Dauer nicht durchzuhalten, auch nicht mit mehr Geld, betonte Hofmeister weiter. Das Verhältnis von angestellten zu selbständigen Ärzten - und damit die zur Verfügung stehende Arbeitszeit - verschiebe sich täglich. "Ein dramatischer Strukturwandel steht uns bevor. Darauf müssen wir reagieren - und zwar als Gesellschaft insgesamt."

KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel hob in seiner Rede die Bedeutung der elektronischen Patientenakte hervor, welche die Krankenkassen bis 2021 ihren Versicherten zur Verfügung stellen müssen. Wesentlich dafür sei die Standardisierung der medizinischen Inhalte (der sogennanten medizinischen Informationsobjekte, kurz MIOs). "Mit den MIOs setzen wir einen Standard für den strukturierten Datentransfer unserer Mitglieder untereinander sowie zu Kliniken, zu Apotheken oder zu anderen medizinischen Fachberufen. Allein diese Aufzählung gibt einen Eindruck vom Umfang der Aufgabe. Das ist Grundlagenarbeit für das gesamte Gesundheitswesen. Und ja - die KBV stellt sich dieser Aufgabe!"

Kriedel ergänzte, die KBV werde dieses Vorhaben nicht als Closed Shop betreiben: "Es wäre widersinnig, wenn wir die vorhandene Kompetenz nicht einbinden wollten. Aber irgendwann muss einer die Entscheidung treffen. Dafür hat die KBV jetzt das Mandat."

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