Studie aus den USA

Gebissabdruck als Beweismittel ungeeignet

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Zahnmedizin
Forschende aus den USA erklären, warum Biss-Spuren auf der Haut in der Forensik als Beweismittel nicht verlässlich sind.

Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Bissspur-Analyse, die in Gerichtsverfahren in den USA in der Vergangenheit häufig als Beweismittel verwendet wurde, nicht verlässlich ist. Grund dafür sind unter anderem Verzerrungen bedingt durch die „biomechanischen Eigenschaften der Haut“ [Bush et al., 2023]. In den USA sind bereits 26 Fälle bekannt geworden, in denen Menschen aufgrund der Anwendung dieses Beweismittels zu Unrecht verurteilt wurden.

Die Forschenden führten verschiedene Versuche durch, in denen sie widerlegen konnten, dass sich die einzigartigen Merkmale des menschlichen Gebisses auf die Haut übertragen lassen. Sie simulierten zum Beispiel anhand eines Gebiss-Modells an 23 Leichen Biss-Spuren und stellten fest, dass keine der 23 Zahnspuren „messbar identisch mit einer anderen“ war – nicht einmal mit dem Gebiss-Modell selbst [Bush et al., 2023].

33 Jahre zu Unrecht hinter Gittern

Sie führen dies auf die Biomechanik der Haut zurück, die zu starken Verzerrungen führt, insbesondere dann, wenn sich ein Körperteil beim Biss in einer nicht reproduzierbaren Position befand. Die Forschenden bemerkten zudem, dass meist lediglich die Schneidekanten der Frontzähne eine sichtbare Biss-Spur erzeugen. "Wir haben herausgefunden, dass die Übertragung von Bissmarken auf die Haut nicht zuverlässig ist und dass innerhalb einer Population von 1.100 Menschen bei einer Verzerrung von nur 25 Prozent ein erheblicher Teil der Bevölkerung den Biss verursacht haben könnte“, erklärt die Hauptautorin Mary Bush (New York).

Die Autoren verweisen auf den Fall von Keith Allen Harward, der für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat, 33 Jahre im Gefängnis verbrachte. Der Hauptbeweis, der zur Verurteilung Harwards herangezogen wurde, war ein Bissabdruck auf der Haut des Opfers. Ein gerichtsmedizinischer Experte erläuterte den Geschworenen, wie Harwards Zähne den Biss so detailliert ausgeführt hatten, dass seine eigene Familie an seiner Unschuld zweifelte. DNA-Testergebnisse konnten später seine Unschuld beweisen und den wahren Täter überführen.

Biss-Spuren als Beweismittel wurden 1979 populär

Leider handelt es sich hier nicht um einen Einzelfall. Die Autoren stellen fest, dass von den 26 Personen, die aufgrund von Bisswunden fälschlicherweise verurteilt wurden, einige zum Tode verurteilt wurden. Einer von ihnen war Eddie Lee Howard, der 1994 wegen Mordes an einer weißen Frau die Todesstrafe erhalten sollte. Er wurde aufgrund von Biss-Spur-Beweisen verurteilt und verbrachte 26 Jahre im Todestrakt von Mississippi, bevor er im Jahr 2020 entlastet und freigelassen wurde. Nach Angaben des Innocence Project, das sich für die Freilassung zu Unrecht Verurteilter einsetzt, konnte Howards Unschuld durch neue forensische Gutachten zu Bisswunden, DNA Analysen und Alibizeugen schließlich bewiesen werden.

Bush sagte, dass der Rückgriff auf Biss-Spuren als Beweismittel zum Teil auf die Verurteilung des Serienmörders Ted Bundy zurückzuführen sei, der hauptsächlich aufgrund von Biss-Spuren verurteilt wurde. „In seinem Prozess von 1979 waren die eindeutigen Abdrücke seiner Zähne ein Schlüsselbeweis, und die nationale Aufmerksamkeit, die diesem Prozess zuteil wurde, machte den Biss-Spur-Beweis bekannt“, so Bush.

Der Glaube an Biss-Spur-Analysen hält sich bis heute

Die Feststellung der AutorInnen, dass Biss-Spur-Beweise unzuverlässig seien und nicht in Gerichtsverfahren verwendet werden sollten, stimmt mit früheren Studien überein, einschließlich einer Studie der National Academy of Sciences (NAS), die besagt, dass es keine wissenschaftlichen Daten gibt, die die Verwendung von Biss-Spur-Beweisen unterstützen.

Dennoch hält sich der Glaube an die Biss-Spur-Analyse bis heute. Die Ergebnisse stehen auch im Einklang mit einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung des U.S. National Institute of Standards and Technology (NIST), in der festgestellt wurde, dass drei Schlüsselprämissen in diesem Bereich nicht unterstützt werden: „dass das menschliche Gebiss auf individueller Ebene einzigartig ist, dass diese Einzigartigkeit genau auf die menschliche Haut übertragen werden kann und dass identifizierende Merkmale durch Analysetechniken genau erfasst und interpretiert werden können" [Sauerwein et al., 2022]. Bei der fehlenden, individuellen Einzigartigkeit des Gebisses wird Bezug darauf genommen, dass meist lediglich die Schneidekanten der Frontzähne in einer Biss-Spur sichtbar sind und diese aufgrund der Verzerrung nicht nur zu einem Gebiss passen.

Mary A. Bush, Raymond G. Miller & Peter J. Bush (2023) C.E. Credit. Bitemark Analysis: The Legal vs Scientific Battle for Justice, Journal of the California Dental Association, 51:1, DOI: 10.1080/19424396.2023.2191391

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