Wissenschaftsrat

Geschlechterforschung soll breiter verankert werden

pr
Fragen des Geschlechts sind für viele Bereiche relevant, sagt der Wissenschaftsrat. Und fordert eine breitere Verankerung von Gender in Forschung und Lehre, vor allem in der Technik und in der Medizin.

Die Geschlechterforschung sei ein wichtiges disziplinübergreifendes Forschungsfeld und decke ein breites thematisches Spektrum von der Grundlagen- bis zur anwendungsorientierten Forschung ab, erklärte der Wissenschaftsrat in einer neuen Stellungnahme. Fragen des Geschlechts und der Geschlechterverhältnisse seien für viele wissenschaftliche und gesellschaftliche Bereiche relevant, beispielsweise für die medizinische Vorsorge und Therapie sowie in Familie und Schule.

Die Geschlechterforschung sei ein auch international zukunftsträchtiges Forschungsfeld mit großer Transferrelevanz, heißt es in dem über 150-seitigen Papier weiter. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Wolfgang Wick, erklärte dazu: „Im internationalen Vergleich besteht Nachholbedarf, insbesondere in den technischen Disziplinen und der Medizin.“ Die Forschung sei zwar in vielen Fächern der Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften gut etabliert, in anderen Bereichen hingegen nur unzureichend verankert, so das Papier.

Einrichtungen sollen stärker Kooperationen nutzen

Außerdem sei eine konsequente Unterscheidung zwischen Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik notwendig, auch wenn inhaltliche Berührungspunkte und sinnvolle Kooperationen bestünden. „Die Forschung darf nicht auf eine Zuarbeit für Gleichstellungsziele verkürzt werden“, betont Wick.

Der Wissenschaftsrat spricht sich in seiner Stellungnahme für eine stärkere Integration von Geschlechterperspektiven in Forschung und Lehre aus, vor allem in jenen Bereichen, in denen sie bislang kaum verankert sind. Großes Entwicklungspotenzial sieht er in der außerhochschulischen Forschung, einschließlich der Ressortforschung. Der Wissenschaftsrat empfiehlt den außerhochschulischen Einrichtungen, die Geschlechterforschung strategisch für nationale wie internationale Kooperationen und für die Weiterentwicklung des eigenen Forschungsprogramms zu nutzen. Zudem sollte die Kooperation zwischen Universitäten, Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und außerhochschulischen Forschungseinrichtungen intensiviert werden, so die Empfehlung.

Deutsche Fachzeitschriften sollen sich um Internationalisierung bemühen

Um die Internationalisierung des Forschungsfeldes weiter zu unterstützen, empfiehlt der Wissenschaftsrat, über fremdsprachige Beiträge die Beteiligung an internationalen Debatten sowie generell internationale Forschungskooperationen zu stärken. Auch sollten sich die in Deutschland erscheinenden Zeitschriften der Geschlechterforschung um eine stärkere Internationalisierung bemühen.

Um die Geschlechterforschung voranzutreiben, sind aus Sicht des Wissenschaftsrats verlässliche institutionelle Strukturen notwendig. Dadurch könne Wissen langfristig gesichert, Kooperationen angebahnt und jüngeren Forschenden Karriereperspektiven eröffnet werden. So empfiehlt der Wissenschaftsrat, Professuren in der Geschlechterforschung gerade in Fächern auf- und auszubauen, in denen sie bislang wenig vertreten sind.

Vorbild in der Geschlechtersensibilisierung der Medizin ist Kanada

Die Stellungnahme geht auch auf Geschlechtersensibilisierung in der Medizin ein. Erste Institutionalisierungen in diesem Fach seien in den USA bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren vorangetrieben worden. Kanada nehme mit Bezug auf Empfehlungen, Handreichungen, Implementierungen in universitäre Curricula international eine Vorreiterrolle ein.

Eine vergleichbare Entwicklung habe in Europa erst mit einer Verzögerung von rund 20 Jahren eingesetzt. So sei 2004 mit dem „Centre for Gender Medicine“ am Karolinska-Institut in Stockholm das erste Zentrum für geschlechtersensible Medizin in Europa gegründet worden. 2007 sei dann in Deutschland das Zentrum „Gender in Medicine“ (GiM) an der Charité Berlin gefolgt. 2022 habe es in Deutschland zwei Professuren mit entsprechender Denomination (Charité Berlin, Universität Bielefeld) gegeben.

Melden Sie sich hier zum zm Online-Newsletter an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Online-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm starter-Newsletter und zm Heft-Newsletter.