Gleichberechtigt andersherum
Der Mongole Amarsaikhan Gantulga schaltet einen Gang runter. Im matschigen Boden um die mongolische Hauptstadt Ulan Bator kommt sein Auto nur langsam vorwärts. Immer wieder muss der 34-Jährige von der kaputten Straße auf die Wiese ausweichen. Während seine Frau viel Geld als Finanzleiterin in einem Hotel verdient, schlägt er sich mit Gelegenheitsjobs als Fahrer oder Wachmann durch. "Das ist auf jeden Fall unfair", klagt er. Emanzipation der Frauen sei wichtig, aber für Männer sei es mittlerweile sehr schwer geworden, einen Job zu finden. Ein Wandel sei nötig - eine Art Gleichberechtigung andersherum.
Umgedrehte Kluft zwischen den Geschlechtern
Seine Situation ist typisch für junge Männer in der Mongolei. In dem flächenmäßig viereinhalb Mal so großen Land wie Deutschland dominieren Frauen die Universitäten, verschiedene Statistiken beziffern ihren Anteil auf 60 bis 80 Prozent der Absolventen. Zwischenzeitig soll er noch höher gelegen haben. Wissenschaftler wie die US-Forscherin Linda Benson beschreiben das Phänomen in der Mongolei als "umgedrehte Kluft zwischen den Geschlechtern".
Uyanga Tsogtsaikhan von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ulan Bator sagt: "Viele Eltern fanden die Bildung ihrer Töchter lange Zeit sehr wichtig. Bei ihren Jungen denken sie, dass sie auch ohne Universitätsabschluss eine Arbeit finden können." Zwar ändere sich die Einstellung mittlerweile, aber aus der Generation hätten viele Männer nun große Probleme, adäquate Jobs zu finden.
"Die Kommunisten zerstörten ein Stück weit das Selbstbewusstsein der Männer"
Bis 1990 war die Mongolei sozialistisch und stark von der damaligen Sowjetunion beeinflusst. Das prägt das Land bis heute. Die Kommunisten hätten Gleichberechtigung glorifiziert und ein Stück weit das Selbstbewusstsein der Männer zerstört, schreibt der Mongoleiautor Carl Robinson. "In der heutigen Zeit haben sich Frauen noch weiter durchgesetzt. Jungen sollten sich zu Hause um die Tiere kümmern, während Frauen höhere Bildung bekamen."
Amarsaikhan parkt sein Auto am Straßenrand und steigt aus. Er streckt seinen Rücken und atmet tief durch. "Ich finde das alles nicht so gut", sagt er. Dass seine Frau mehr verdiene, sei zwar im Moment ok, aber es müsse sich bald ändern. An der Universität hat er kürzlich seinen Abschluss in Maschinenbau gemacht. Aber die Jobsuche läuft schlecht. "Frauen sind bei Chefs beliebter. Sie gelten auch als anpassungsfähiger", sagt er. Männer würden sich wohl nicht so leicht unterordnen.
"Frauen sind bei den Chefs beliebter"
Die mongolische Gesundheitsministerin Natsag Udval sieht das anders. Zwar dominierten Frauen die Hochschulen, aber noch immer seien viele Männer in Führungspositionen. "Ich habe mich meine ganze Karriere hindurch gegen Männer durchsetzen müssen", sagt sie. "Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ein Vorbild für mich." Im Juni trat sie als erste Frau für das Präsidentenamt an, verlor letztlich jedoch gegen einen Mann, Tsakhia Elbegdorj.
Aber die Männer dominieren in der Politik
Die Dominanz der Männer in der mongolischen Politik hat sich laut Mongolei-Experten Julian Dierkes von der University of British Columbia trotz Quote nicht wesentlich geändert: "Die Kandidatinnenquote in der Parlamentswahl hat den Anteil von Frauen im Ikh Khural von 3 auf 11 angehoben, das ist aber offensichtlich weiter eine klare Unterzahl." Dierkes sieht auch bei den Männern eine Verantwortung für die schlechteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt: "Es gibt viele Arbeiten, die mongolische Männer schlicht und einfach nicht in Erwägung ziehen. Auf Englisch sind das die drei Ds: dangerous, dirty, dreary (gefährlich, dreckig, langweilig)."
Amarsaikhan Gantulga steht auch vor seinen Freunden dazu, dass seine Frau das Geld nach Hause bringt. "Ich koche auch. Das mache ich sehr gerne", sagt er. Die Durststrecke bis zum lukrativen Job könne er noch durchstehen. Er könne schließlich jetzt auch für einen Sohn da sein. Aber eines ist für ihn von entscheidender Bedeutung: "Mein Sohn muss später unbedingt mehr als seine Frau verdienen."