Verbändeanhörung zum Digitale Versorgung-Gesetz

Großer Nachbesserungsbedarf bei Gesundheits-Apps

pr
Der Nutzen und die Zulassung von Gesundheits-Apps durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) waren Schwerpunkt auf der Verbändeanhörung zum Digitale Versorgung-Gesetz (DVG). Klar ist: Es besteht Nachbesserungsbedarf.

Das neue Gesetz sieht vor, dass sich Patienten künftig vom Arzt Gesundheits-Apps verschreiben lassen können. Dazu ist geplant, dass das BfArM in einem beschleunigten Verfahren die Apps auf Funktionalität und Datensicherheit überprüft. "Sichere" Apps sollen dann vorläufig von den Gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Währenddessen soll der Hersteller positive Versorgungseffekte nachweisen. Der Zugang für Hersteller von digitalen Anwendungen in die Regelversorgung soll erleichtert werden.

Bundesärztekammer

Die Bundesärztekammer (BÄK) kritisiert, dass bei den geplanten Regelungen die spezifischen Bedürfnisse von Patienten und Ärzten keine Berücksichtigung finden. „Bedarfsgerechtigkeit, Usability und Nutzen der Anwendungen sind zentrale Erfolgsfaktoren für Akzeptanz und Inanspruchnahme der neuen Leistungen“, betont die BÄK in ihrer Stellungnahme.

Daher muss nach Ansicht der BÄK die Expertise von Ärzten und Patienten sichergestellt werden – vor allem bei den Regelungen zum Verzeichnis für die Apps beim BfArMund bei der Förderung von Versorgungsinnovationen. Strikt lehnt die BÄK Vorgaben ab, die Krankenkassen zum Akteur machen, wenn es darum geht, Versorgungsbedarfe abzuleiten und Innovationen mit der Zielsetzung „Diagnosestellung“ zu entwickeln. Die BÄK weist eine solche übergriffige Rolle der Krankenkassen in ärztliche Kernkompetenzen entschieden zurück.

Kassenärztliche Bundesvereinigung

„Eine zwingende Voraussetzung für eine sinnvolle und nutzbringende Digitalisierung ist, dass sie die Arbeit der Ärzte sowie Psychotherapeuten entlastet und unterstützt und nicht zu finanziellen Belastungen für die Praxen führt,“ erklärte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) anlässlich der Anhörung. Zudem sollten KBV und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) die Möglichkeit erhalten, eine elektronisch gestützte arztgeführte Kommunikationslösung bereitzustellen. Denn eine unbürokratische innerärztliche Kommunikation hält die KBV für essenziell für eine gute Versorgung der Patienten.

Durch sichere und arztgeführte digitale Anwendungen sowie Dienste erhalten laut KBV alle nachbehandelnden Ärzte immer einen einfachen und umfassenden Zugang zu den vorherigen Befunden. Das komme letztlich Patienten in Form einer verbesserten Versorgung zugute.

Der GKV-Spitzenverband

Der GKV-Spitzenverband macht in seiner Stellungnahme Probleme bei den Bewertungskriterien für digitale Gesundheitsanwendungen aus. Jene dürften sich im Hinblick auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit nicht grundsätzlich von anderen Leistungen unterscheiden. Für unzureichend hält der Verband zum Beispiel die Kriterien für die Aufnahme digitaler Innovationen in das geplante Verzeichnis digitaler Versorgungsangebote beim BfArM. Sie müssten geschärft und angepasst werden.

Gemeinsamer Bundesauschuss

Kritik kommt auch vom Gemeinsamen Bundesauschuss (G-BA): Auch wenn der G-BA durch das geplante „Fast-Track-Verfahren“ zur Implementierung von Apps nur mittelbar betroffen ist, wird hier zumindest das Wirtschaftlichkeitsgebot gegebenenfalls auch das Qualitätsgebot des Sozialgesetzbuch V verletzt, heißt es in der Stellungnahme. Der vorliegende Gesetzentwurf sehe vor, mit diesem Grundsatz zu brechen, soweit es um digitale Gesundheitsanwendungen geht. „Aus medizinisch fachlicher Sicht kann aus der Tatsache allein, dass eine Diagnostik oder Behandlung auf digitaler statt analoger Grundlage basiert, kein tragfähiger Grund für einen solchen Paradigmenwechsel abgeleitet werden“, heißt es weiter.

Weitere auf der Anhörung angesprochene Themen waren die Regelungen zur Förderung digitaler Innovationen durch die Krankenkassen, die Erweiterung der Telematikinfrastruktur auf Pflegeeinrichtungen und weitere Gesundheitsberufe, die Aufbereitung von Daten zu Forschungszwecken („Datenspende“) und der Innovationsfonds.

Geplant ist, dass der Gesetzesentwurf in 2. und 3. Lesung im Bundestag abschließend beraten wird, voraussichtlich Anfang November. Es steht anschließend noch ein Beratungsdurchgang im Bundesrat an, das Gesetz ist aber dort nicht zustimmungspflichtig. In Kraft treten soll es voraussichtlich Anfang 2020. 

Die Position der Kasenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV)

Durch einen Änderungsantrag der RegierungsfraktionenCDU/ CSU und SPDsollen digitale Gesundheitsanwendungen nun auch in der vertragszahnärztlichen Versorgung Eingang finden. Das wird von der KZBV sehr begrüßt und damit ist einewichtige Forderung aus der Stellungnahme der KZBV zum Regierungsentwurf aufgegriffen worden.Für die KZBV nahm als Sachverständiger der Stellvertretende Vorsitzende des Vorstands Dr. Karl-Georg Pochhammer an der Anhörung teil. Ihre zentralen Positionen zum DVG hatte die KZBV bereits zuvor in ihrer Stellungnahme formuliert:

  • Die KZBV fordert, eine zweite Lücke im Regierungsentwurf zu schließen und auch eine gesetzliche Grundlage fürtelemedizinische Konsileim vertragszahnärztlichen Bereich zu schaffen.

  • Die KZBV lehnt die im Gesetzentwurf vorgesehene Förderung von digitalen Innovationen und von Versorgungsinnovationen durch Krankenkassen entschieden ab. Dies ist für sie in mehrfacher Hinsicht ein eklatanter Systembruch und greift tief in den Sicherstellungsauftrag des KZV-Systems ein.

  • Nicht nachvollziehbar ist für die KZBV zudem, warum der Gesetzentwurf die Förderung digitaler Innovationen allein bei den Kassen verortet. Die Expertise für den zahnärztlichen Versorgungsbereich liegt ganz überwiegend bei der Vertragszahnärzteschaft. Die KZBV fordert aus diesem Grund, die Kompetenzen zur Förderung digitaler Innovationen durch eine konkrete Rechtsgrundlage auch den KZVen und der KZBV einzuräumen.

  • Die KZBV teilt das Anliegen, ein hohes IT-Sicherheits- und Datenschutzniveau in der vertragszahnärztlichen Versorgung zu gewährleisten.

Die mit dem Gesetzentwurf vorgeseheneIT-Sicherheitsrichtliniewurde im Rahmen der Anhörung nicht thematisiert. Für die KZBV muss es hier in erster Linie um eine verhältnismäßige und insbesondere praktikable Regelung gehen. Das Verfahren zur Richtlinienerstellung sollte daher angepasst und die Anforderungen für ein in erster Linie angemessenes Sicherheitsniveau konkretisiert werden. Ferner ist die Umsetzungsfrist für die IT-Sicherheitsrichtlinie bis zum 31. März 2020 nach Auffassung der KZBV zu knapp bemessen. Sie sollte mindestens 18 Monaten betragen.

Eine vorgeseheneZertifizierung von Anbietern, die Leistungserbringer bei der Umsetzung der IT-Sicherheitsrichtlinie unterstützen sollen, bewertet die KZBV als kritisch. Durch Auditierungen sind zudem erhebliche bürokratische Aufwände und hohe Kosten für die Praxen zu befürchten. Die KZBV fordert außerdem eine Klarstellung, dass dieHaftung der Praxisinhaber für Datensicherheit und Datenschutznoch „vor dem Konnektor“ endet.

 

Die Position der Bundeszahnärztekammer (BZÄK):

Die BZÄK hatte sich im Mai zum Referentenentwurf des DVG geäußert und aus ihrer Sicht kritische Punkte formuliert:

  • In Bezug auf Daten, die über Apps erhoben werden fordert die BZÄK, dass die vollständige Datenhoheit der Patienten (Recht auf Widerruf, Datenlöschung, Serverstandort im Geltungsbereich der EU-Datenschutzgrundverordnung) gewährleistet sein muss.

  •   Es braucht nach Auffassung der BZÄK zudem eine klare Unterscheidung zwischen medizinisch erhobenen Daten und Daten, die Patienten mittels Apps erfassen. Gleichzeitig bleibt die Freiwilligkeit zur Nutzung digitaler Gesundheitsanwendungen prioritär.

  • Die BZÄK fordert zudem eine Klarstellung, dass aus der Nutzung von Apps keine zusätzlichen Verpflichtungen oder Haftungsrisiken für Zahnärzte entstehen. So sollte es etwa keinen Anspruch des Patienten geben, selbst erhobene Daten in die medizinische Dokumentation aufzunehmen oder sie auszuwerten.

  • Die BZÄK fordert eine Klarstellung, dass die Verantwortung des Zahnarztes am Konnektor endet, andererseits befürchten wir die Verlagerung haftungsrechtlicher Risiken auf die Zahnärzte.

  • Die BZÄK begrüßt die Einrichtung einer Positivliste für erstattungsfähige digitale Gesundheitsanwendungen. Sie schlägt ergänzend eine Negativliste der durch das BfArM nicht anerkannten Apps vor. Für Apps, die Medizinprodukte höherer Risikoklassen sind, ist die Nutzenbewertung analog zum G-BA Verfahren vorzusehen.

  •   Außerdem weist sie darauf hin, dass die Rahmenbedingungen für Datenschutz und Informationssicherheit geregelt sein müssen (Datenhoheit der Patienten, Widerruf und Löschung, Server im Geltungsbereich der Europäischen Datenschutzgrundverordnung).

 

Kasten:

Das ändert sich durch das DVG:

·         Künftig können Patienten Gesundheits-Apps von ihrem Arzt verschreiben lassen. Die Kosten dafür zahlt die gesetzliche Krankenversicherung.

·         Dazu wird der Zugang für die Hersteller erleichtert: Nachdem die App vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Datensicherheit, Datenschutz und Funktionalität geprüft wurde, wird sie ein Jahr lang vorläufig von der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet.

·         In dieser Zeit muss der Hersteller beim BfArM nachweisen, dass seine App die Versorgung der Patienten verbessert. Wie viel Geld der Hersteller erhält, verhandelt er dann selbst mit dem GKV-Spitzenverband.

·         Apotheken (bis Ende September 2020) und Krankenhäuser (bis 1. Januar 2021) werden verpflichtet, sich an die Telematik-Infrastruktur (TI) anschließen zu lassen. Hebammen und Physiotherapeuten sowie Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen können sich freiwillig an die TI anschließen lassen. Die Kosten für die freiwillige Anbindung werden erstattet.

·         Ärzte, die sich weiterhin nicht anschließen wollen, müssen einen erhöhten Honorarabzug von 2,5 Prozent ab dem 1. März 2020 in Kauf nehmen. Bisher lag er bei 1 Prozent.

·         Die Videosprechstunden sollen Alltag werden.Dazu dürfen Ärzte künftig auf ihrer Internetseite über solche Angebote informieren. Die Aufklärung für eine Videosprechstunde kann jetzt auch online , also im Rahmen der Videosprechstunde erfolgen – nicht mehr wie bisher im Vorfeld.

·         Neben der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dem E-Rezept kommt nun auch die elektronische Heil- und Hilfsmittelverordnung. Künftig erhalten Ärzte eine deutlich geringere Erstattung für die Übermittlung eines Telefax. Dadurch wird es zukünftig attraktiver, den Arztbrief elektronisch zu übermitteln.

·         Der Innovationsfonds wird bis 2024 mit 200 Millionen Euro jährlich verlängert. Erfolgreiche Ansätze sollen schnell in die Versorgung kommen.

·         Die weiteren Regelungen zur Patientenakte werden nicht im DVG geregelt, sondern in einem eigenen Datenschutzgesetz. An der Einführung zum 1. Januar 2021 ändert sich aber nichts.

 

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