Gutachten: Amalgam nur im Worst Case gefährlich
Nur unter außergewöhnlichen schlechten Umständen („Worst-Case-Szenario“) könne dem Gutachten zufolge nicht ausgeschlossen werden, dass auf lokaler Ebene Risiken für die Gesundheit und die Umwelt bestehen, berichtet das Brüsseler Büro der Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Diese Bewertung gelte jedoch nur für den unwahrscheinlichen Fall einer hohen Zahnarztdichte verbunden mit einem hohen Grad der Amalgamnutzung bei gleichzeitigem Fehlen von Amalgamabscheidern.
Hintergrund: Am 10. März hatte der wissenschaftliche Beratungsausschuss für Gesundheits- und Umweltrisiken der EU- Kommission, das Scientific Committee on Health and Environmental Risks (Scher), die finale Version seiner Stellungnahme zu den Gesundheits- und Umweltauswirkungen von Amalgam angenommen.
Forschungsbedarf bei alternativen Füllungen
Das Gutachten bestätige damit die Ergebnisse einer ähnlichen Scher-Studie aus dem Jahr 2008. Mehr Daten mahnten die EU-Experten allerdings zu alternativen Füllmaterialen an, heißt es. Insbesondere sähen sie bei Bisphenol A-haltigen-Produkten Forschungsbedarf.
Bereits seit geraumer Zeit werde im Zusammenhang mit der Revision der EU-Quecksilberstrategie über ein europaweites Verbot von Amalgam nachgedacht, heißt es in der BZÄK-Analyse. Befürworter seien skandinavische EU-Mitgliedstaaten wie Schweden, das bereits auf nationaler Ebene ein solches Verbot umgesetzt hat. In diesen Kontext sei die Scher-Stellungnahme einzuordnen.
Risiken von Amalgam erforscht
Bereits im August 2012 hatte die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der EU-Kommission das Scher-Gutachten angefordert, das ursprünglich im November 2012 hätte vorliegen sollen. Seinerzeit wollte die Kommission eine fundierte und aktuelle wissenschaftliche Stellungnahme in der Amalgamfrage erhalten, da eine andere Studie, mit der die französische Firma BIOIS beauftragt worden war, im Sommer 2012 zu dem Ergebnis kam, dass innerhalb der EU aus Gründen des Umweltschutzes ein vollständiges Amalgamverbot notwendig sei.
Außerdem wollte die Kommission die Scher-Stellungnahme im Rahmen der 2012 andauernden Verhandlungen über ein internationales Quecksilberabkommen, die mittlerweile in die UNEP-Konvention von Minamata mündeten, nutzen.
Ein Verbot - immer weniger wahrscheinlich
Die zuständigen Fachbeamten der EU-Kommission hatten in der Vergangenheit in Gesprächen mit der BZÄK immer betont, dass sie erst das Ergebnis der Scher-Stellungahme abwarten wollten, bevor sie gegebenenfalls weitere - legislative - Schritte unternehmen. Die nun vorliegenden Schlussfolgerungen der Studie dürften der Kommission jedoch kaum als schlagkräftiger Aufhänger beziehungsweise Rechtfertigung für ein Agieren in der Amalgam-Frage dienen können, heißt es bei der BZÄK.
Allerdings weist die BZÄK darauf hin, dass die Kommission im Sommer 2012 parallel das Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks (Scenihr) gebeten hatte, eine Stellungnahme über die Sicherheit von Amalgam und anderen alternativen Zahnersatzmaterialien für Patienten und zahnärztliches Personal abzugeben. Diese Stellungnahme stehe gegenwärtig noch immer aus. Sie hätte ursprünglich Anfang 2013 veröffentlicht werden sollen.
Die Stellungnahme verzögere sich aber, weil die Scenihr-Experten unterschiedlicher Auffassung seien. Sollte diese Studie zu dem Ergebnis kommen, dass medizinisches Personal und Patienten durch die Verwendung von Amalgam gefährdet sind, könnte die Diskussion nach Einschätzung der BZÄK auf europäischer Ebene neuen Auftrieb erhalten.