Hauptsache, es tut nicht weh!
Frau Dr. Weber, worauf kommt es beim ersten Zahnarztbesuch eines Kindes an?
Dr. Surion L. Weber:Der erste Zahnarztbesuch sollte dem Kind in positiver Erinnerung bleiben. Das Kind sollte spielerisch und mit altersgerechter Sprache an die zahnärztliche Behandlung herangeführt werden.Genauso wichtig aber ist bei diesem Termin die Aufklärung der Eltern über Ernährung, Getränke, Fluoride und Mundhygiene, denn letztendlich liegt die Zahngesundheit des Kindes in ihren Händen.
Wie verhält sich ein nicht-spezialisierter Zahnarzt möglichst kindgerecht?
Eine positive, altersangepasste Sprache und freundliche Mimik und Gestik sind wichtig. Auf das Kind eingehen und Komplimente verteilen. Ich nenne das gerne "plaudern". Und man sollte das natürliche Interesse des Kindes nutzen, indem man Dinge anmoderiert, wie: "Komm, ich zeig dir mal meine tolle Liege…"
Wie lässt sich auch bei einer normalen Praxiseinrichtung die Behandlung an die Bedürfnisse eines Kindes anpassen?
Mit einer Auflage oder einem Kissen für die Erwachsenenliege, einer Handpuppe oder Ähnlichem, kleineren Röntgenbildern für Bissflügel zum Beispiel. Ganz besonders angenehm für die Kinderbehandlung finde ich einen Aufbisskeil aus Gummi in mittlerer Größe. Gut ist auch der Fernseher an der Decke, den werden auch die Erwachsenenpatienten dankbar annehmen.
Was ich aber noch viel wichtiger finde, ist, eine passende Assistenz auszuwählen. Sie sollte Spaß an der Kinderbehandlung haben und ein bisschen trainiert darauf sein in Synonymen zu erklären, zum Beispiel: „Schau mal hier, das ist der Schlürfi, fühl mal mit der Hand, wie der kitzelt...“
Welche Techniken nutzen Sie zur Verstärkung des gewünschten Verhaltens?
Wir arbeiten immer mit Tell-Show-Do. Also erst zeigen, wie sieht das Instrument aus, wie hört es sich an, wie fühlt es sich an, wie riecht die Schlafcreme, wie schmeckt sie... Das Kind darf alles anfassen und ausprobieren (den Rosenbohrer ruhig am Fingernagel fühlen lassen). Wichtig ist, das Kind zu loben und in die Behandlung einzubeziehen. Es darf beispielsweise etwas festhalten oder es muss ganz still halten weil „wir eine Watterolle auf deinen Bauch ablegen“, es darf die „Stopp-Hand“ heben oder beim Zahn „rauswackeln“ mithelfen und selbst mit dem Kopf hin und her wackeln. Aber damit das alles gut funktionieren kann, ist eine schmerzfreie Behandlung am wichtigsten. Es ist also besser, eine Lokalanästhesie zu geben,bevores weh tut.
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Mit Eltern oder ohne?
Wann sollten die Eltern bei der Behandlung dabei sein und wann nicht?
Bei Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr sollten die Eltern immer mit dabei sein. Bei älteren Kindern kommt es darauf an, ob ihre Anwesenheit für die Behandlung förderlich ist oder nicht. Schon im Vorfeld einer Behandlung sollte geklärt sein, dasseinElternteil mit am Behandlungsstuhl sitzen darf, wenn es sich passiv verhält und die Behandlung nicht stört. Eine aufgeregte Mutter, die ständig fragt, ob „es weh tut“ sollte besser draußen bleiben.
Wie bereiten Sie sich auf den Umgang mit den Eltern vor?
Man sollte sich selbst niemals von den Eltern unter Druck setzen lassen, sondern den Eltern freundlich aber bestimmt den Behandlungsablauf kommunizieren.
Was sind klassische Spannungsfelder oder Spannungsmomente?
„Angst vor der Spritze“ oder „vor dem Bohren“, die entsteht, weil die Kinder schon einmal schlechte Erfahrungen bei einem anderen Zahnarzt gemacht haben oder die Eltern davon erzählt haben.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Eltern?
Die Eltern fragen mich häufig, warum es denn bei den Erwachsenen nicht auch solche tollen Schlaftropfen gibt. Einhellige Meinung ist, dass das doch viel besser wäre als die Spritze, die sie bei ihrem Zahnarzt bekommen.
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Manchmal funktioniert gar nichts
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Kindern?
Das ist ganz unterschiedlich, natürlich viele selbst gemalte Bilder, aber ganz häufig sind die Kinder sehr fasziniert vom Gefühl der Lokalanästhesie und sind sehr verwundert, dass es gar nicht wehgetan hat.Ich denke, dass bei vielen Behandlungen der Fehler gemacht wird, keine Anästhesie zu geben.
Wie oft kommt es vor, dass "gar nichts funktioniert"?
Wir bekommen natürlich viele „Problemfälle“ überwiesen, daher gehört es für mich auch zum Alltag, Patienten zu haben, bei denen vorerst gar nichts funktioniert.
Wie verhalten Sie sich dann?
Das Kind muss neue positive Erfahrung machen. Darum darf ich das Kind nicht unter Druck setzen, sondern muss Schritt für Schritt wieder Vertrauen aufbauen (Desensibilisierung).
Wo haben die Eltern den größten Informationsbedarf?
Viele Eltern denken, dass Milch, Muttermilch und frischgepresste Säfte gut für die Zähne sind und dass die Milchzähne nicht so wichtig sind.
Was für Erinnerungen haben Sie an Ihren ersten Zahnarztbesuch?
Fische im Wartezimmer und ein kleines Geschenk nach der Behandlung.