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Hold the line

Arndt Striegler
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Wer sich in Großbritannien medizinisch untersuchen lassen will, braucht Geduld. Britische Patienten warten nämlich immer länger auf einen Termin beim Hausarzt. Das geht aus neuen Zahlen britischer Ärzteverbände hervor.

2013 mussten Patienten nach Angaben des Royal College of General Practitioners (RCGP), das die beruflichen Interessen britischer Hausärzte vertritt, 47 Millionen Mal über eine Woche auf einen Hausarzttermin warten. Das bedeutet: Jeder sechste Patienten erhält verspätet einen Termin beim Hausarzt. Im Vorjahr lag die Zahl der mindestens eine Woche verzögerten Hausarztkonsultationen in Großbritannien noch bei 40 Millionen. Für 2014 erwartet das RCGP "mit einem weiteren Anstieg der Wartezeiten um 16 Prozent".

Patienten leiden unnötig

„Patienten müssen immer länger auf eine Konsultation bei ihrem Hausarzt warten. Das ist schlecht und bereitet uns Sorge“, sagte ein RCGP-Sprecher zm-online in London. Und: „Die langen Wartezeiten haben eindeutig negative Auswirkungen auf die Patientenversorgung. Patienten leiden unnötig.“ 

Das RCGP sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den Kürzungen im Gesundheitsetat und der sich verschlechternden hausärztlichen Versorgung. „Primärärzte stehen heute unter großem Druck, die Praxiskosten zu senken und gleichzeitig immer mehr Patienten zu behandeln und andere Aufgaben wie Verwaltungsarbeiten zu erledigen. Diese Situation hat sich seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise vor mehr als fünf Jahren nur noch verschlechtert.“ 

Hausarzt hat Schlüsselrolle

Großbritannien hat seit den 40er Jahren das staatliche Gesundheitssystem NHS (National Health Service). Das System ist auf dem Primärarztprinzip aufgebaut, was bedeutet, dass die mehr als 100.000 britischen Hausärzte eine wichtige Schlüsselfunktion innehaben. Der Zugang zu den Fachärzten und Kliniken sowie zu fast allen anderen NHS-Leistungen erfolgt grundsätzlich über den Hausarzt.

Deswegen ist die Verschlechterung der primärärztlichen Versorgung auch gesundheitspolitisch brisant. Im staatlichen zahnärztlichen Sektor gibt es bereits seit vielen Jahren zum Teil gravierende Versorgungsengpässe. Neu ist, dass diese Behinderungen sich jetzt offensichtlich auch im Hausarztsektor niederschlagen.

Versorgungsengpässe im ambulanten Sektor

Das Londoner Gesundheitsministerium bestreitet freilich, dass der Etat für die Hausärzte in jüngster Zeit gekürzt wurde. Während zum Beispiel der stationäre Sektor in den vergangenen Jahren deutliche Beschneidungen habe hinnehmen müssen, seien die NHS-Hausärzte davon „weitgehend verschont“ geblieben, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums.

Britische Ärzeverbände rechnen aber damit, dass schon bald bis zu einem Viertel der Patienten eine Woche oder länger auf einen Besuch beim Hausarzt der Hausarztpraxis warten müssen. Demografische Trends wie die älter werdende Bevölkerung würden diese Entwicklung den kommenden Jahren weiter verschärfen, da ältere Patienten „generell mehr hausärztliche Betreuung benötigen als jüngere Patienten“, so das RCGP.

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