Humor-Schule für Altenpfleger
Andreas Bentrups Arbeitskleidung besteht aus einem grün-bunten Jackett, einem spitzen Hut und einer roten Nase. Als professioneller Clown zieht er mit seiner Kollegin Astrid Hauke normalerweise durch Krankenhäuser und Seniorenheime. Die beiden vom Verein "Clownskontakt" singen, tanzen und suchen den Kontakt zu den Bewohnern.
Skeptische Teilnehmer
Heute jedoch steht Bentrup in Jeans und blauem Hemd vor 15 Mitarbeitern des Matthias-Claudius-Seniorenheims in Steinhagen im Kreis Gütersloh. Humor-Schulung steht auf dem Programm. Die Altenpfleger sollen lernen, während der Arbeit mehr auf sich selbst und ihre Bedürfnisse zu achten. Davon sollen auch die Bewohner profitieren. Viele der Teilnehmer schauen zu Beginn noch etwas skeptisch. "Vielleicht gibt es ja noch ein paar neue Impulse für meine Arbeit", hofft Altenpflegerin Heike W..
Wie alle Altenpfleger verrichtet sie täglich einen Knochenjob: lange Arbeitszeiten bei dünner Personaldecke; wenig Zeit für die häufig schwer demenzkranken Bewohner. Die Bezahlung ist mäßig und auch über hohes Ansehen verfügen Altenpfleger kaum.
Drei Stunden bleiben die Probleme außen vor
Für die nächsten drei Stunden soll das alles außen vor bleiben. Nach einigen Lockerungsübungen sollen sich die Teilnehmer in Paaren zusammenfinden und sich zunächst gegenseitig aufmerksam mustern. Während dann der eine wegschaut, ändert der zweite ein Detail an sich selbst oder der Kleidung. Wo ist der Unterschied? "Gar nicht so leicht", findet Altenpflegerin Heike. An welchem Finger steckte gleich noch der Ring?
Ein Kollege von Heike W. sieht sich im Übungsraum um. Auch in dieser Übung geht es um Wahrnehmung. Während er draußen war, haben die anderen drei Dinge im Saal verändert, die er nun erkennen muss. Anschließend stellen die Trainer Fragen: "Wie habt ihr euch gefühlt, als alle euch angestarrt haben? Gibt es ähnliche Situationen bei eurer Arbeit?" Die Altenpfleger sollen lernen, trotz Zeitdrucks und Eile die Atmosphäre im Raum, die Stimmung des Patienten und auch der Kollegen genauer wahrzunehmen.
Das Humor- Training ist verpflichtend
Organisiert werden die Schulungen vom Bielefelder Johanneswerk, dem Träger des Matthias-Claudius-Hauses. Prominente Unterstützung gibt es vom Kabarettisten und Arzt Eckart von Hirschhausen über dessen Stiftung "Humor hilft heilen". Die Fortbildungen sind für alle rund 3.000 Mitarbeiter des Werks verpflichtend und kosten mehrere hunderttausend Euro, sagt der Vorstandsvorsitzende Ingo Habenicht. Das ganze Projekt wird wissenschaftlich begleitet und auf seine langfristigen Wirkungen hin untersucht.
Auch der Deutsche Berufsverband für Altenpflege findet die Fortbildungen gut. "Solche Humor-Schulungen halten wir durchaus für sinnvoll und wir bieten selbst ähnliche Programme an", sagt Geschäftsführer Thomas Kunczik. Das ändere aber nichts am Notstand im Pflegeberuf. "Dem kann man langfristig nur mit ausreichend Personal begegnen." Dafür sieht Kunczik die Politik in der Pflicht.
Johanneswerk-Vorstandsvorsitzender Habenicht relativiert: "Für das Geld, das die Schulungen kosten, ließen sich gar nicht so viele Mitarbeiter langfristig einstellen, wie man benötigen würde, um dem Notstand Herr zu werden", sagt er. Damit ließe sich lediglich ein kurzer und kleiner Entlastungseffekt erreichen.
Die Mitarbeiter ziehen zumindest für den Tag ein positives Fazit. Spaß hat es allen gemacht. "Was davon hängen bleibt, muss ich erst noch abwarten", sagt Heike W.. "Vieles von dem, was vermittelt wurde, mache ich schon lange ganz selbstverständlich." In etwa einem halben Jahr kommen die Humor-Trainer wieder. Auch sie sind gespannt, was die Altenpfleger dann berichten werden.
von Matthias Arnold, dpa