Ibuprofen beeinflusst den Fettstoffwechsel im Gehirn
Forschende der SRH University und der Universität des Saarlandes haben herausgefunden, dass Ibuprofen den Stoffwechsel bestimmter Fette im Gehirn beeinflusst, die mit Alzheimer in Verbindung stehen. Die Ergebnisse zeigen sowohl potenziell schützende als auch unerwünschte Effekte von Ibuprofen auf die Hirnchemie und könnten neue Ansätze für Therapie und Prävention eröffnen.
Morbus Alzheimer
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind rund 55 Millionen Menschen weltweit von Demenz betroffen, ein Großteil von ihnen leidet unter der Alzheimer-Krankheit. Patienten verlieren dabei nach und nach ihr Gedächtnis und ihre Orientierung; vertraute Menschen und Orte werden fremd. Nervenzellen im Gehirn sterben ab, wodurch Denken, Sprache und letztlich alle Alltagsfähigkeiten zunehmend gestört sind. Bislang gibt es keine Heilung für die Erkrankung. Als Schlüsselfaktor gilt das Eiweiß Beta-Amyloid, das sich bei Alzheimer-Patienten als Plaques im Gehirn ablagert. Doch Alzheimer ist multifaktoriell: Neben Eiweißablagerungen spielen auch chronische Entzündungen und Veränderungen im Fettstoffwechsel des Gehirns eine wichtige Rolle.
Ibuprofen wird seit einiger Zeit daraufhin untersucht, ob es das Alzheimer-Risiko beeinflussen kann. Bisher war allerdings unklar, wie Ibuprofen auf die biologischen Vorgänge im Gehirn wirkt – insbesondere auf die komplexen Fettstoffwechsel-Prozesse. Hier liefert die neue in-vitro-Laborstudie nun wichtige Einblicke: Die Forschungsgruppe untersuchte am Deutschen Institut für Demenzprävention (DIDP) am Campus Homburg der Universität des Saarlandes anhand von kultivierten menschlichen Nervenzellen im Reagenzglas systematisch, welchen Einfluss Ibuprofen auf verschiedene Lipidklassen im Gehirn hat, die in der Alzheimer-Forschung bereits als relevant bekannt sind.
Positive Effekte von Ibuprofen auf den Lipidstoffwechsel
Die Ergebnisse zeigen, dass Ibuprofen die Konzentration bestimmter Lipide erhöht, die entscheidend für die Gesundheit der Hirnzellen sind. So stiegen die Gehalte von Phosphatidylcholin und Sphingomyelin – beides zentrale Bausteine der Zellmembranen von Nervenzellen. Diese Membranlipide sind im Gehirn von Alzheimer-Patienten typischerweise verringert, was mit einer gestörten Kommunikation zwischen den Nervenzellen und Zellschäden einhergeht.
„Unsere Studie zeigt, dass Ibuprofen hier entgegen den krankhaften Veränderungen wirkt. Das könnte positiv für die Synapsen – also die Kontaktstellen zwischen Nervenzellen – und gegen bestimmte zellschädigende Prozesse wirken“, erläutert Prof. Dr. habil. Marcus Grimm, Leiter der Studie.
Potenzielle negative Auswirkungen auf die Zellgesundheit
Andererseits fanden die Forscherinnen und Forscher auch potenziell nachteilige Effekte. Ibuprofen ließ die Menge an Triacylglyceriden ansteigen. Diese Neutralfette dienen als Energiespeicher und können sich in Form von Fetttropfen in Zellen ablagern. Zudem führte das Medikament zu einer Abnahme der sogenannten Plasmalogene, schützenden Lipiden, die Zellen vor oxidativem Stress bewahren. Bei Alzheimer-Erkrankten sind die Plasmalogen-Spiegel bereits deutlich reduziert – Ibuprofen verstärkte nun diesen Effekt zusätzlich.
„Unsere Ergebnisse offenbaren hier eine zweischneidige Wirkung von Ibuprofen“, fasst Grimm zusammen. „Einerseits könnten bestimmte durch Ibuprofen hervorgerufene Veränderungen an den Hirnfetten schützend sein. Andererseits sehen wir auch Veränderungen, die eher als kontraproduktiv einzustufen sind, weil sie Prozesse begünstigen könnten, die mit Alzheimer in Verbindung stehen.“
Wegweiser für Prävention und Therapie
Die Erkenntnisse erklären, warum frühere Untersuchungen teilweise uneinheitliche Ergebnisse zeigten. Einige Studien deuteten darauf hin, dass Entzündungshemmer wie Ibuprofen das Alzheimer-Risiko senken könnten, während andere keinen eindeutigen Nutzen fanden. Die nun entdeckten Mechanismen liefern eine mögliche Erklärung: Ibuprofen entfaltet sowohl förderliche als auch unerwünschte Effekte – das Gesamtbild in einem lebenden Organismus könnte daher vom Feinabgleich dieser gegenläufigen Wirkungen abhängen.
Zudem eröffnen die Ergebnisse neue therapeutische Perspektiven. Denkbar wäre etwa, neue Medikamente oder Strategien zu entwickeln, die die positiven Effekte von Ibuprofen auf die Gehirnchemie nutzen, dabei aber negative Auswirkungen vermeiden. Auch für die Prävention ist das Wissen wertvoll: Es liefert Anhaltspunkte, wie Entzündungen und Fettstoffwechsel bei gefährdeten Personen beeinflusst werden könnten, um Alzheimer vorzubeugen – sei es medikamentös oder möglicherweise durch gezielte Ernährungsmaßnahmen.
Radermacher J. et al. (2025): Influence of Ibuprofen on glycerophospholipids and sphingolipids in context of Alzheimer’s Disease. Biomedicine & Pharmacotherapy, 185, 117969.