Studie am Universitätsklinikum Würzburg

Jeder kann Empathie lernen (oder verlernen)

LL
Gesellschaft
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr? Nein, Empathie lässt sich über Beobachtung erlernen, und das gilt auch für Erwachsene.

Prof. Dr. Grit Hein vom Universitätsklinikum Würzburg (UKW) erforscht, wie sich Empathie übertragen lässt. Ihre Erkenntnis: „Beobachtungslernprozesse beeinflussen das Ausmaß, in dem sich eine Person in den Schmerz einer anderen Person einfühlt. Wir können also vom Umfeld Empathie lernen oder verlernen.“

Auch Erwachsene lernen Empathie durch Beobachten

Im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen stand die Frage, ob sich Empathie (oder fehlende Empathie) für den Schmerz einer anderen Person überträgt. In insgesamt vier Studien sahen die Probanden zuerst Videos von Händen, die gerade eine schmerzhafte Stimulation erhielten und gaben auf einer Rating-Skala an, wie sie sich dabei fühlen. Nachdem sie ihr eigenes Rating abgegeben hatten, wurden ihnen die empathischen oder nicht-empathischen Reaktionen anderer Personen auf die gleichen Videos gezeigt. Schließlich gaben die Telnehmer erneut ein Empathie-Rating ab, diesmal aber bezogen auf dem Schmerz einer neuen Person. Mit diesem Versuchsaufbau konnten Hein und ihr Team testen, wie und ob sich die Empathie einer Person in Anwesenheit von empathischen und nicht-empathischen Mitmenschen ändert.

Das Ergebnis: Durch die Beobachtung empathischer Reaktionen anderer Personen lernten die Versuchsteilnehmerinnen mehr oder weniger empathisch zu sein. „Je nachdem ob empathische oder nicht empathische Reaktionen beobachtet wurden, stiegen oder sanken die Empathie-Ratings. Interessanterweise änderte sich auch die neuronale Reaktion auf den Schmerz der anderen Person“, berichtet Hein.

Die im fMRT Scanner gemessenen neuronalen Veränderungen schlugen sich in einer veränderten Vernetzung der anterioren Insel nieder – einer Hirnregion die mit der Verarbeitung von Empathie in Verbindung gebracht wird. Das Team konnte zeigen, dass diese neuronalen Veränderungen durch mathematische Lernmodelle erklärbar sind. Das bedeutet, dass die erhöhte oder abgeschwächte Empathie wirklich durch Lernen von anderen hervorgerufen wird und das Verhalten nicht nur bloße Nachahmung ist oder gezeigt wird, um anderen zu gefallen.

Respekt ist der Nährboden für Empathie

Für ein gutes Team muss man also für ein gutes Umfeld sorgen? „Unbedingt!“, antwortet Grit Hein. „Man muss einfach wissen, dass auch Erwachsene durch Beobachten Empathie erlernen oder verlernen, und zwar selbst von Personen die sie nicht kennen.“ Wer aus Gründen des Sparens, Zeitmangels oder Missmanagements eine Arbeitsumgebung schafft, in der es an Empathie mangelt, muss sich bewusst sein, dass dieses Verhalten langfristig die Mitarbeiter formt und sich dies wiederum auf den Umgang mit Kunden oder Patienten auswirkt.

Frühere Studien haben bereits gezeigt, dass positive Empathie in eine prosoziale Motivation übergehen kann und die Kooperations- und Hilfsbereitschaft erhöht. Zu viel Empathie kann jedoch auch einen anderen Weg nehmen und Stress auslösen, der zu Burn-out oder vollständigem Rückzug führt. „Um langfristig zu gedeihen, braucht Empathie aber ein Klima gegenseitigen Respekts. Man kann jemanden respektieren, ohne Empathie mit dieser Person zu haben, aber es ist schwer Empathie zu entwickeln, wenn die andere Person nicht als Mensch respektiert oder Respektlosigkeit in der Gesellschaft akzeptiert wird“, berichtet die Professorin.

Yuqing Zhou, Shihui Han, Pyungwon Kang, Philippe N. Tobler, Grit Hein. The social transmission of empathy relies on observational reinforcement learning. PNAS Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America – Psychological and cognitive sciences. February 2024. DOI: https://www.pnas.org/doi/abs/10.1073/pnas.2313073121

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